Ampelparteien müssen aus AfD-Wahlerfolgen lernen – Proteste von Jägern

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

Liebe Leserinnen und Leser,

 

eine ereignisreiche und zum Teil politisch sehr bedrückende Woche liegt hinter uns. Da waren zunächst einmal die Landtagswahlen in Bayern und Hessen, die große Auswirkungen auf das Leben im ländlichen Raum haben werden. Dies gilt insbesondere für Landnutzer wie Bauern und Jäger, aber auch für jeden anderen Bewohner der Dörfer und kleineren Städte. Überlagert wurden diese wichtigen Wahlentscheidungen von dem schrecklichen Terrorangriff der Hamas auf Israel. Die Nachrichten und Berichte, die uns von dort erreichen, lassen das ganze Ausmaß der Menschenverachtung nur erahnen, mit dem die Täter vorgingen. Und in die Gefühle und Ängste der vielen verschleppten Geiseln vermag sich wohl niemand hineinversetzen. Hinzu kommt eine große Kriegsgefahr für den gesamten Nahen Osten. Denn Israel wird fraglos hart auf diese Attacken reagieren wollen und auch müssen. Deutschland und der Westen stehen geschlossen hinter Israel und seinem Recht auf Selbstverteidigung. Gleichwohl wächst auch hierzulande die Sorge vor den letztlich unkalkulierbaren Auswirkungen auf die Region und darüber hinaus. Man kann nur hoffen, dass das Ausmaß der Gewalt nicht völlig außer Kontrolle gerät.

 

Jürgen Wermser
Jürgen Wermser

Doch zurück zu Deutschland und den dortigen politischen Herausforderungen: Die Wahlergebnisse von München und Wiesbaden haben der Berliner Ampel mehr als deutlich gemacht, wie sehr sie bislang an den Wünschen und Nöten eines großen Teils der Bevölkerung vorbei regiert hat. Diese mangelnde Bürgernähe gilt für den Bund, aber auch für so manche Landesregierung. Beispiel Rheinland-Pfalz: Dort laufen momentan Jäger und andere Naturnutzer Sturm gegen eine von der rot-grün-gelben Koalition geplanten Novelle des Jagdrechts. An diesem Donnerstag war es dort zu einer großen Demonstration in der Landeshauptstadt Mainz gekommen. Grund der Proteste: Umweltministerin Katrin Eder von den Grünen versucht momentan mit der politischen Brechstange, das Prinzip „Wald vor Wild“ durchzusetzen. Selbst vor einem massiven Eingriff in die Besitz- und Nutzungsrechte von Grundstücken scheut sie nicht zurück. So sollen Grundeigentümer vom Jagdpächter künftig einen unentgeltlichen Begehungsschein für ihre Flächen zur Ausübung der Jagd verlangen können. Was dies für den Tierschutz und eine waidgerechte Jagd bedeuten kann, mag man sich kaum vorstellen. 

 

Die Ministerin zeigte sich zwar offen für Gespräche, sagte aber auch, dass man nicht nur auf die lautesten Kritiker eingehen werde. Dies war offenkundig an die Adresse des Landesjagdverbands gerichtet. Und Eder stellte zugleich klar, dass sie den Gesetzentwurf nicht zurückziehen werde. Da drängt sich schon der Eindruck auf, dass das Gesprächsangebot nicht sonderlich ernst gemeint ist. Sachgerechte Bürgernähe und -beteiligung auf Augenhöhe sieht jedenfalls anders aus. Und die Liberalen in der Koalition, die sich selbst gerne als Gralshüter von Eigentumsrechten und Rechtsstaatlichkeit sehen, schauen schweigend und duldend zu. All dies erinnert an einen Obrigkeitsstaat, nur unter grünen Vorzeichen – der beste Nährboden für eine weiter wachsende Entfremdung von Regierenden und Regierten.

 

Zurück nach Berlin und den dortigen Folgen der Wahlergebnisse von Bayern und Hessen: Ein „Weiter so“ darf es nicht geben, wenn rechtsradikale Kräfte und Parteien nicht noch mehr Aufwind gewinnen sollen. Gewiss, die drei Berliner Regierungspartner sind programmatisch sehr unterschiedlich. Entsprechend groß ist verständlicherweise der Bedarf, sich in offenen Fragen kontrovers auszutauschen und gelegentlich zu streiten. Doch man kann es auch übertreiben. Dies gilt insbesondere für verbale Konflikte auf offener Bühne. Die Bürger wollen schließlich keinen Debattierclub als Bundesregierung, sondern ein Kabinett, das sich als handlungsfähig erweist und konkrete Lösungen für reale Probleme liefert. Eben dies ist bislang nicht ausreichend geschehen. Man denke nur an die leidigen und schier endlosen Streitereien um das Heizungsgesetz. Gleiches gilt auch beim zentralen Thema Migration, dem Turbo für die Wahlerfolge der AfD.

 

An den Grenzen droht Kontrollverlust

 

Immer mehr Bürger gewinnen leider den Eindruck, dass die Ampelregierung in Berlin zunehmend die Kontrolle darüber verliert, wer nach Deutschland kommt, hier staatliche Unterstützung erhält und am Ende auch arbeiten darf. Natürlich gibt es keine Patentlösungen, die EU-kompatibel sind und zugleich gleichsam über Nacht die Zahl der Asylbewerber auf ein vertretbares Maß verringern. Doch das ist keine Entschuldigung für bloßes Herumdoktern. Taten statt Taktik – so sollte die Devise für die Ampel in der Migrationsfrage lauten.

 

Wie ernst die Lage ist, zeigen nicht nur die Wahlergebnisse der AfD vom vergangenen Sonntag. Auch die jüngste Ministerpräsidentenkonferenz Mitte dieser Woche machte deutlich, dass der Druck in den Ländern und Kommunen immer stärker wird. Die Städte und Gemeinden sind überlastet und die Bürger vor Ort zunehmend gefrustet – eine fatale Kombination.

 

Wer die Kritik und Klagen der Regierungschefs von München bis Kiel als das übliche parteitaktische Manöver abtut, der möge sich nur Äußerungen von Joachim Gauck vor Augen führen. Der Altbundespräsident hatte sich im ZDF für eine Begrenzung der Zuwanderung ausgesprochen. Diese sei moralisch nicht verwerflich und politisch geboten. In der Migrationspolitik müsse man „Spielräume entdecken, die uns zunächst unsympathisch sind, weil sie inhuman klingen“. Gauck warnt, wenn die Kommunen an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit kämen, bestehe die Gefahr, dass „die wunderbare Solidarität der Bevölkerung, die es bisher gab, schwindet“. Die Menschen hätten dann Angst, dass „in ihrem Leben sich unzumutbar viel verändert“. 

 

Demokratie muss wehrhaft sein

 

Angesichts der jüngsten Wahlergebnisse macht Gauck seine Sorge noch etwas konkreter. So schlägt er jetzt ein breites Parteienbündnis gegen die AfD vor. Man müsse der Partei das Signal senden, dass sie niemals an die Macht kommen werde, sagte Gauck die Magazin Stern. Sollte die AfD bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr in Ostdeutschland vorne liegen, müssten sich alle demokratischen Parteien zusammentun, um eine Regierungsbeteiligung zu verhindern. Das gelte für die CDU bis einschließlich der Linken, meinte Gauck: Die liberale Demokratie müsse sich als wehrhaft erweisen.

 

So sympathisch diese Haltung des früheren Staatsoberhaupts auch ist, ein solch breites Anti-AfD-Bündnis kann und darf nur eine Notlösung sein. Wichtiger und vorrangig bleibt eine bessere Politik, die den rechten Kräften den Rückenwind nimmt. Das betrifft ganz wesentlich die Bundesregierung, deren zerstrittenes Erscheinungsbild die jüngsten Wahlen stark mit beeinflusst hat. Auch den Verantwortlichen von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen scheint dies jetzt zu dämmern. So hat sich der Kanzler mit den Spitzen von FDP und Grünen mittlerweile auf eine Begrenzung der Zuwanderung geeinigt. Die Migration müsse besser gesteuert, geordnet und begrenzt werden, hieß es. Ob daraus tatsächlich etwas wird? Die Erfahrung mit früheren Absichtserklärungen der Koalition sind jedenfalls nicht ermutigend. Aber wer weiß, vielleicht ist die Botschaft der Wähler ja tatsächlich in den Köpfen der Regierungsverantwortlichen angekommen…

 

Auch in den Ländern muss es wieder stärker um bürgernahe Entscheidungen gehen, die von der Sache und nicht von ideologischen Konzepten bestimmt sind. Gerade im Bereich Umwelt, Natur, Landwirtschaft gibt es an dieser Stelle einiges speziell für den ländlichen Raum zu tun. Man denke etwa an den häufig schlechten öffentlichen Nahverkehr, die immer noch unzureichende Digitalisierung der Verwaltung, die weiterhin schleppende Versorgung von Teilen der Republik mit schnellem Internet. Es genügt eben nicht, dass Politiker schöne Sonntagsreden über die Vorzüge von Dörfern und kleineren Städten halten. Sie müssen diese Worte auch mit handfesten Taten unterlegen, die nicht von großstädtischen Erfahrungen und Wunschträumen bestimmt sind.

 

Deutschland droht das Abstellgleis

 

Handlungsbedarf besteht auch in einem Bereich, der für Stadt und Land gleichermaßen bedeutend ist: Wirtschaft und Arbeitsplätze. So wird das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr laut Internationalem Währungsfonds IWF nicht wie ursprünglich gedacht um 0,1 Prozentpunkte, sondern sogar um 0,5 Punkte schrumpfen. Auch die Wachstumsprognose für das kommende Jahr korrigierten die IWF-Experten um 0,2 Punkte auf jetzt 0,9 Prozent nach unten. Die Konjunkturprognose der Bundesregierung sieht zwar etwas besser aus. Aber dies ändert nichts daran, dass Deutschland unter den großen Volkswirtschaften der Welt in Sachen Wachstum an letzter Stelle bleibt und als einziges Land einen Rückgang der Wirtschaftsleistung zu vermelden hat. Dagegen erwartet der IWF etwa in Frankreich für dieses Jahr ein Wachstum von einem Prozent, in Spanien von 2,5 und in den USA sogar von 2,1 Prozent. 

 

Diese Zahlen sind wenig schmeichelhaft für die hiesigen Unternehmen, aber vor allem für die Bundesregierung. Sie muss dringend strukturelle Reformen einleiten, damit Deutschland nicht still und heimlich aufs wirtschaftliche Abstellgleis geschoben wird. Augenscheinlich hat die internationale Konkurrenz ihre ökonomischen Hausaufgaben besser gemacht. Kein Wunder, denn vieles geht hierzulande schlicht zu langsam voran – Stichwort Bürokratie. Hinzu kommen eine teilweise bröckelnde Infrastruktur sowie zu hohe steuerliche und abgabentechnische Belastungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Und die jetzt von der Ampel beschlossenen Maßnahmen zur Energiewende machen die Sache auch nicht gerade einfacher. 

 

Klar ist: Ohne solide und erfolgreiche Wirtschaftspolitik steht so manches auf dem Spiel, was bislang für selbstverständlich und wünschenswert gehalten wird. Hier muss endlich gehandelt werden. Dass mutige Reformen mit einer entsprechenden Kommunikation große positive Effekte haben können, kann der SPD-Kanzler Olaf Scholz von seinem Vor-Vorgänger Gerhard Schröder lernen, auch einem Sozialdemokraten. Dessen Agenda 2010 hatte Deutschland nach einer langen Phase des Stillstands wieder in Richtung Wachstum geführt – ein Beispiel, das auch in der SPD mehr Mut zu angebotsorientierten Reformen machen sollte.

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen
Ihr

Jürgen Wermser

Redaktionsleitung/Koordination

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Ww Bomber (Montag, 16 Oktober 2023 08:04)

    Was sie Schreiben hat mit Demokratie nichts mehr zu tun, DDR 2.0. Am Wähler vorbei und nicht Akzeptieren was der Wähler möchte.Genau diese Politik betreibt die Ampel.

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