Verfehlte EU-Weinbauförderung

Fünf Milliarden Euro Steuerzahlergeld wurden ausgegeben, ohne dass die Umstrukturierung der Branche überprüft worden wäre

Foto: Christoph Aron / pixelio.de
Foto: Christoph Aron / pixelio.de

 

Von Ludwig Hintjens

 

Der Europäische Rechnungshof hat der Weinbaupolitik der EU vernichtende Noten ausgestellt. Zwischen 2014 und 2023 hat Brüssel fünf Milliarden Euro an die Winzer ausgezahlt, um eine Strukturanpassung anzuschieben. Zwei Ziele hatte sich die EU gesetzt: Europas Weinbauern sollten wettbewerbsfähiger auf dem Weltmarkt werden. Zudem sollte der Weinanbau ökologischer werden. Beide Ziele wurden verfehlt.

 

Die Kritik der Rechnungsprüfer trifft die Regierungen der Mitgliedstaaten. Sie sind dafür verantwortlich, Kriterien für die Vergabe der Mittel zu setzen und zu überprüfen, ob die Bedingungen auch eingehalten wurden. Die Sonderprüfung der Luxemburger Rechnungsprüfer kam zu dem Ergebnis, dass die Behörden der Mitgliedstaaten auch Vorhaben finanzierten, bei denen keinerlei Bezug zum Strukturwandel gegeben war. Weder die Mitgliedstaaten noch die Kommission hätten all die Jahre geprüft, ob und wie die Vorhaben zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit beigetragen haben. Die Winzer, die in den Genuss der Gelder gekommen sind, hätten nicht einmal nachweisen müssen, ob und wie sie ihre Wettbewerbsfähigkeit gesteigert haben.

 

Weltweit größter Exporteur

 

Die EU ist weltweit der größte Produzent, Verbraucher und Exporteur von Wein. In der EU gab es 2020 etwa 2,2 Millionen Weinbaubetriebe. Auf etwa zwei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der EU wird Wein angebaut. Die Branche wird dominiert von Kleinbetrieben: Über 80 Prozent der Winzer haben weniger als einen Hektar Anbaufläche. Zwar ist der Weltmarkt für Wein zwischen 2010 und 2021 leicht gesunken (minus 2,5 Prozent). Doch die Winzer aus der EU haben ihren Anteil am Weltmarkt von knapp 70 Prozent gehalten. Die EU exportiert im Jahr etwa 76 Millionen Hektoliter Wein. Auf dem Weltmarkt spielt Wein aus Deutschland, so sehr die Qualität in den vergangenen Jahren zugenommen hat, kaum eine Rolle: 80 Prozent des exportierten Weins stammt aus den drei Ländern Frankreich, Italien und Spanien.

 

Seit den 1970er Jahren litt die Weinbaupolitik der EU an großen Überkapazitäten. Es dauerte vier Jahrzehnte, um die Überproduktion abzubauen. Die Anbauflächen sind deutlich reduziert worden. Umso enttäuschender ist, dass das Geld der Steuerzahler nun nicht wirksam verwendet wird, damit die Winzer ihre wirtschaftlichen Hausaufgaben machen.  Um zu verhindern, dass es erneut zu Überkapazitäten kommt, müssen Winzer sich eine Zunahme der Rebstöcke genehmigen lassen. Die Rechnungsprüfer kritisieren, dass die lokalen und regionalen Behörden teils Winzern neue Rebflächen genehmigen, die nicht im Einklang mit den Vorgaben aus Brüssel stehen. Auch die Chance wurde vertan, den Weinbau ökologischer zu machen und die Anpassung an den Klimawandel voranzutreiben. Die Rechnungsprüfer stellten fest, dass die Behörden Winzer subventioniert haben, die auf Rebsorten umgestellt haben, die sogar mehr Wasser benötigen. Im Zeichen von zunehmenden Dürren wäre eher das Gegenteil sinnvoll.

 

Fehler auch in Brüssel

 

Der Bericht stellt fest, dass Ursachen für die verfehlte Weinbaupolitik auch in Brüssel zu suchen sind. So sieht die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU lediglich vor, dass die Mitgliedstaaten fünf Prozent der EU-Gelder im Weinbau für Klima- und Umweltziele ausgeben sollen. Bei Obst und Gemüse liegt dieser Wert bei 15 Prozent und in der GAP insgesamt immerhin bei 40 Prozent. Es fehlt also auch an Ehrgeiz.

 

Damit ist klar, was sich ändern muss, damit das EU-Steuerzahler-Geld im Weinsektor künftig besser ausgegeben wird. Die lokalen und regionalen Behörden müssen von den Mitgliedstaaten darauf verpflichtet werden, nicht aus falsch verstandener Solidarität mit den Winzern die Zunahme von Rebflächen über Brüsseler Vorgaben hinaus zu genehmigen. Zum anderen wird höchste Zeit, dass der Green Deal auch im Weinbau Einzug hält. Es muss dafür gesorgt werden, dass das Ambitionsniveau beim Umwelt- und Klimaschutz beim Weinbau mindestens so hoch ist wie in der Gemeinsamen Agrarpolitik insgesamt.  

 

Wohl gemerkt: Dies ist kein Plädoyer dafür, dass die EU den Winzern den Anbau bestimmter Rebsorten vorschreiben soll. Bis der Wein aus „Piwis“, die neu gezüchteten pilzwiderstandsfähigen Reben, geschmacklich mithalten kann mit Riesling und Spätburgunder, wird wohl noch viel Zeit vergehen.

 


Lesen Sie auch:

Welche Wahrheit liegt im Wein? Winzer sehen ihre Existenz gefährdet, weil die EU den Einsatz chemischer Mittel in Landschaftsschutzgebieten verbieten will

 

Hier können Sie sich für unseren wöchentlich erscheinenden Newsletter anmelden.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

natur+mensch – der Blog ist eine Initiative der Stiftung natur+mensch

Copyright © 2023 Stiftung natur+mensch - Havixbeck - Alle Rechte vorbehalten.