Die Wut der Wähler und das Pfälzer Jagdrecht

Wie der drohende Machtverlust Rotgrün nicht nur in Berlin in die Wirklichkeit zurückholt

Foto: analogicus
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Von Michael Lehner

 

In der Hauptstadt korrigieren Minister ihre Aufreger-Gesetze, nicht nur bei der Zwangssanierung älterer Häuser. Sogar die Tagträume von Wäldern voller Wölfe scheinen ausgeträumt. Und nun kommen auch noch aus dem Mainzer Umweltministerium Friedenssignale an die Jägerschaft, die bis zu den Wahlen in Hessen scheinbar erfolglos gegen eine Jagdrechtsnovelle außer Rand und Band protestierte.

 

Demokratie funktioniert wohl doch: Reihenweise sitzen Spitzenpolitiker von SPD und Grünen im Büßerhemd vor Fernsehkameras und bekennen, dass die Gebäude-Pläne des Wirtschaftsministeriums wohl an der Lebenswirklichkeit vorbeigegangen sind, zumal im ländlichen Raum. Selbst hartgesottene Verfechter der Umverteilung auf die Schultern des Steuerbürgers realisieren, dass eine Milliarde mehr als eine Zahl ist. Nämlich die horrende Summe von eintausend Millionen (Euro).

 

Dass die aufkeimende Vernunft nicht nur die großen Aufreger-Themen betrifft, ist nicht zu übersehen. So wie die Bundesumweltministerin diese Woche endlich offenbaren will, wie ihr Aktionsplan für den angemessenen Umgang mit dem Raubtier Wolf aussehen soll, ist ihre Mainzer Kollegin Katrin Eder plötzlich kompromissbereit. Der heftig umstrittene Gesetzentwurf für ein neues Jagdrecht in Rheinland-Pfalz, erklärte die studierte Politologin nach dem Wahlsonntag, sei „nicht in Stein gemeißelt“.

 

Vor der großen Protestversammlung an der Mainzer Staatskanzlei (an diesem Donnerstag), zu der die Jagdverbände auch bundesweit aufgerufen hatten, sah das irgendwie noch nicht so aus. „Ich werde den Gesetzentwurf nicht zurückziehen“, reagierte die Grünen-Politikerin zunächst auf die „sehr unschöne“ Kritik. Diese kam allerdings nicht nur aus der Jägerschaft, sondern ähnlich massiv auch von Tierschutz-Organisationen – bis hin zum Vorwurf, dass ein staatlich organisierter Vernichtungsfeldzug gegen Rehe und Rotwild drohe. „Vor allem“ wegen der „Verstöße gegen das Tierschutzrecht und die deutlichen Einschränkungen des bewährten Reviersystems“ gab sich auch der Jagdaufseherverband Rheinland-Pfalz „teilweise entsetzt und brüskiert über den Regierungsentwurf“.

 

Durchbruch in weite Ferne gerückt

 

In weite Ferne gerückt scheint nun jedenfalls die Möglichkeit, nach dem „Durchbruch“ in Rheinland-Pfalz die dortige Jagdrechtsnovelle als Blaupause für einen bundesweiten Paradigmenwechsel zu nutzen. Sozusagen als Initialzündung für eine seit Jahrzehnten erträumte Zukunft, in der Wildtiere im Forst allenfalls noch geduldet werden. Abzulesen in den Passagen, mit dem der Mainzer Gesetzentwurf dem Eigentümer selbst kleinster Wald- und Ackerflächen das privilegierte Recht zur Jagdausübung zuweisen sollte.

 

Sachkundige Kritiker erkannten in solchen Regeln den Einstieg in die flächendeckende Umsetzung der „Weihenstephaner Schule“, benannt nach der Forst-Universität vor den Toren Münchens, die auch als Geburtsstätte des „Ökologischen Jagdverbands“ gilt, der für die tiefe Kluft zwischen einem Teil der (gratis) jagenden Forstbeamten und den Jägern steht, die für die Ausübung ihrer Passion (oft viel) Geld bezahlen. Zitiert wird von Kritikern sogar aus einem Leitfaden, den Weihenstephaner Dozenten den Reformern zur Öffentlichkeitsarbeit an die Hand gegeben haben: „Es ist egal, ob Sie recht haben und inhaltlich die Wahrheit sagen. Sie müssen Sachverhalte so darstellen, dass sie von denen geglaubt werden, die sie noch nicht kennen.“

 

Dass wesentliche Passagen der Mainzer Novelle das Bundesjagdgesetz ins Absurde verkehren, ist jedenfalls offensichtlich. Weniger bekannt hingegen, dass die Bundesgesetzgebung auf den Sozialdemokraten Otto Braun zurückgeht, der als Ministerpräsident des „Freistaats Preußen“ der regellosen Hatz auf wilde Tiere ein Ende machte und neben dem Begriff der Waidgerechtigkeit die Jäger-Pflicht begründete, das Wild zu hegen. Auch an solche Wurzeln erinnerten die Jagdverbände die rotgrüne Landesregierung bisher eher vergeblich.

 

Ein FDP-Abgeordneter ist besonders im Visier

 

Aber es könnte gut sein, dass auch auf solchem Feld das Resultat der jüngsten Landtagswahlen Wirkung zeigt. Sogar auf jene Jagdscheininhaber im Mainzer Landtag, die bisher aus Fraktionsraison gute Miene zum bösen Spiel machten. Besonders im Visier haben erboste Jäger dabei einen Abgeordneten des Junior-Koalitionspartners FDP: Ausgerechnet den Paragrafen 18 mit dem Jagdausübungs-Privileg für Besitzer von Mini-Grundstücken habe der Kollege und Jäger Marco Weber von den Liberalen eingebracht, hielt die Ministerin von den Grünen ihren Kritikern entgegen.

 


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