Wenn der Wolf das Fass zum Überlaufen bringt

Nach den Rückziehern bei Asyl und Heizungen müssen die Grünen ihre Basis auch beim Schutz der Wölfe enttäuschen

Foto: Alexas_Fotos
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Von Michael Lehner

 

Gestern wollte die Bundesumweltministerin ihre Pläne für den praxistauglichen Umgang mit Problemwölfen vorstellen. Aber die Pressekonferenz zum Thema wurde kurzfristig abgesagt. Offiziell natürlich nicht wegen der heftigen Proteste schon im Vorfeld des Termins. Für einen Teil der Grünen-Basis könnte eine realitätsbezogene Raubtierpolitik das Fass zum Überlaufen bringen, nachdem Wirtschaftsminister Robert Habeck sein Heizungsgesetz entschärfen und Außenministerin Annalena Baerbock unter Druck des Bundeskanzlers bei der Verschärfung des Asylrechts einlenken musste. 

 

Zu allem Überfluss wird am kommenden Sonntag in Bayern und in Hessen gewählt. Unter dem Eindruck düsteren Prognosen für SPD und Grüne waren dort die Spitzenkandidaten der Ampel-Parteien schon seit Wochen vom kompromisslosen Wolfsschutz abgerückt, den das Bundesumweltamt offensichtlich beibehalten will. Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke hatte „praxistaugliche Lösungen“ versprochen. Noch im September wollte die Grünen-Politikerin ein Konzept vorstellen, „wie wir die real existierenden Probleme in den Griff kriegen“. 

 

Es geht um den wirksamen Schutz von Weidetieren

 

Tatsächlich gehört der wirksame Schutz von Weidetieren zum Kern des Problemfelds, das sogar Spitzen-Grüne mittlerweile als Hauptursache für rapide sinkende Zustimmung verorten: die Entfremdung zwischen Großstadt-Wählerpublikum und dem ländlichen Raum. Gerade in Bayern kritisieren Mandatsträger der Grünen aus landwirtschaftlich geprägten Regionen bereits seit Monaten die Weigerung der Partei-Spitze, die wachsende Wolfspopulation als ernstes Problem gerade für ökologisch wirtschaftende Viehhalter wahrzunehmen.

 

Steffi Lemke, die noch vor wenigen Jahren energisch für den Maximal-Schutz der Raubtiere kämpfte, ließ im Vorfeld der abgesagten Pressekonferenz Änderungswillen erkennen. So berichtete sie im Bundestag von den Erfahrungen, die sie persönlich als Helferin beim Aufbau „wolfssicherer“ Weidezäune machte: Zum von Bund und Bundesländern erarbeiteten „Praxisleitfaden“, sagte die Ministerin, „haben wir in der Praxis, haben die Weidetierhalter feststellen müssen, dass es eben nicht praxistauglich ist“. Man werde „unkomplizierte, praxisnahe und vor allem schnell wirkende Lösungen brauchen“.

 

Veraltete Wolfszahlen nach Brüssel gemeldet

 

Wie solche Lösungen aussehen könnten, bleibt nun wohl erst mal weiter ein Geheimnis. Wie die Angaben zur tatsächlichen Größe der deutschen Wolfspopulation. Obwohl das Bundesumweltamt behauptet, Brüssel werde laufend mit aktuellen Zahlen versorgt, bleibt der Deutsche Bauernverband gemeinsam mit dem Jagdverband bei dem Vorwurf, dass die Frau Lemke unterstellte Behörde die EU-Kommission mit Wolfszahlen aus dem Jahr 2017 bedient habe. Konkret geht es dabei um die Aufforderung der Kommission an die Mitgliedsstaaten, vor einer möglichen Herabstufung beim Schutzstatus der europäischen Wölfe den tatsächlichen Bestand zu ermitteln.

 

Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und Olaf Niestroj, Geschäftsführer des Deutschen Jagdverbandes (DJV) kritisieren „Verweigerungshaltung“ und „Verschleppungsstrategie“. Tatsächlich sei der „günstige Erhaltungszustand“ beim Wolf längst erreicht und Brüssel zu Lockerungen beim Schutzstatus bereit. Wobei andere EU-Länder wie Österreich, Frankreich und Schweden längst Allianzen gebildet haben, um Abschüsse zu erleichtern.

 

Schweden mit einem Bestand von geschätzt 400 erwachsenen Wölfen erlaubt auch in diesem Jahr eine reguläre Lizenzjagd zur Bestandsregulierung. Frankreich geht (bei geschätzt 1100 Wölfen) wie die betroffenen österreichischen Bundesländer zunehmend großzügig mit der Genehmigung von Einzelabschüssen um. In Deutschland reichen die Schätzungen von knapp 1200 Tieren nach dem offiziellen Rudel-Monitoring bis zu jenen 2000 Wölfen, die der Chef der Freien Wähler bei seinen Wahlkampf-Auftritten in Bayern nennt. Mit dem großen Koalitionspartner CSU ist sich Hubert Aiwanger einig, dass die Weidewirtschaft im Alpenraum mit Zäunen nicht wirksam zu schützen sei.

Wahr ist auch, dass Bayerns Staatsregierung mit einer vergleichsweise lockeren Zulassung von Problemwolf-Abschüssen zwar jede Menge Kritik und Klage-Drohungen eingefahren hat, aber auf EU-Ebene unbehelligt bleibt. Obwohl Wolfsschützer unbeirrt behaupten, dass europäisches Recht und internationale Abkommen Abschüsse nur in extremen Ausnahmefällen zulassen. 

 

Die Schweden kennen das seit Jahrzehnten: Mit Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof wird ihnen regelmäßig gedroht, aber zu Urteilen ist es bisher nicht gekommen. Und mittlerweile gibt es sogar Grüne, die zur Begründung ihrer Position nach Skandinavien verweisen, wo  Wolfsentnahmen auch dann möglich sind, wenn die Raubtiere weiter als akut vom Aussterben als bedrohte Art geschützt werden.

 


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