Manchmal hilft nur das Elterntaxi

Bei der Beförderung von Schulkindern muss zwischen der schwierigen Situation auf dem Land und der privilegierten Lage in den Städten genauer unterschieden werden

Wartehäuschen an einer Bushaltestelle. (Foto: Wonnsche / pixelio.de)
Wartehäuschen an einer Bushaltestelle. (Foto: Wonnsche / pixelio.de)

 

Von Wolfgang Molitor

 

An kaum einer anderen Stelle zeigt sich der Unterschied zwischen den Nachteilen im ländlichen Raum und den Vorteilen einer Großstadt so deutlich wie bei den Schulwegen. Dazu gehört die privilegierte Ignoranz, sich mit den Nöten und Herausforderungen von Eltern auf dem Land ehrlich auseinanderzusetzen. Das zeigt sich meistens an jener Debatte, die zu jedem neuen Schulanfang geführt wird. Ökologisch aufgeheizt, pädagogisch überfrachtet. 

 

Es geht ums Elterntaxi. Worum auch sonst. Die Ruhr-Universität Bochum hat in der Studie „Selbstständige Mobilität von Kindern“ ermittelt, dass immer mehr Kinder von den Eltern in die Schule gebracht werden. Meist aus wachsender Besorgnis um die Sicherheit des eigenen Kindes. Laut ADAC werden mittlerweile 20 Prozent der Kinder von Mutter oder Vater zur Schule gebracht. Der Trend zur Mobilität macht auch vor den Kindern nicht halt. Lange Schulwege auf dem Land sind nichts Ungewöhnliches mehr. Das liegt in hohem Maße daran, dass viele Schulen aufgrund mangelnder Schülerzahlen schließen oder Eltern ganz bestimmte Vorstellungen haben, welche Schule ihr Kind besuchen soll. 

 

Auch wenn die Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln in der Regel gesichert ist, bringen viele Eltern ihr Kind lieber selbst in die Schule, um ihm dunkle Wege oder extrem lange Wegezeiten zu ersparen, auch weil sie aus guten Gründen Angst haben, dass ihr Kind sich im Straßenverkehr nicht zurechtfindet. Manchmal hat das Elterntaxi, oft ein Elternsammeltaxi, einfach nur praktische Gründe, etwa weil die Schule auf dem Arbeitsweg der Eltern liegt. Oder finanzielle, weil die Beförderung mit dem Schulbus für alle nicht kostenfrei ist. 

 

Ärgernis und Gefahrenquelle

 

Es ist unbestritten, dass das Elterntaxi die Selbstständigkeit der Kinder nicht fördert. Mehr noch: Der zunehmende, in Städten oft unnötige Verkehr von Privatwagen vor den Schuleingängen ist für alle ein Ärgernis und eine Gefahrenquelle zugleich. Laut einer aktuellen ADAC-Umfrage finden 59 Prozent der Eltern, dass gefährliche Verkehrssituationen entstehen, wenn zu viele Autos vor Schulen halten. Selbst 41 Prozent jener Eltern, die ihre Kinder zur Schule fahren, sehen das so. Ein erster Schritt wäre da, das Kind in einiger Entfernung an einer sicheren Stelle aussteigen und den restlichen Weg allein gehen zu lassen. 

 

Doch pauschal allen Eltern zu unterstellen, aus purer Bequemlichkeit und ängstlicher Fürsorglichkeit zu handeln, ist falsch und unfair. Die Vorsitzende des Bundeselternrates sagt es unmissverständlich: „Wir müssen ganz klar trennen zwischen Stadt und Land.“ In den Städten sei der öffentliche Personennahverkehr stark ausgebaut und die meisten Familien gut an das Verkehrsnetz angebunden. In ländlichen Gegenden dagegen ist manche Bushaltestelle im morgendlichen Dunkel nicht gut zu erreichen und der ÖPNV oft erst ab einer gewissen Entfernung zwischen Schule und Zuhause kostenfrei. Das Kind dann auf dem Weg zur Arbeit oder aus Sicherheitsgründen mit dem eigenen Auto zur Schule zu fahren, ist da mehr eine pure Notwendigkeit als eine pädagogisch-ökologische Sünde.

 


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