Wenn im Wind die Kasse klingelt

In Bayern sollen Anlieger und Kommunen künftig deutlich kräftiger von der Energie-Wende profitieren

Foto: Fotografer58 / pixelio.de
Foto: Fotografer58 / pixelio.de

 

Von Michael Lehner

 

Im Südosten Bayerns bei Altötting entsteht Süddeutschlands größter Windpark. Schon zum Baubeginn hat eine heftige Debatte um die Frage begonnen, warum bisher hauptsächlich Konzerne an der Energiewende viel Geld verdienen. Dabei ist bei den Neuausschreibungen im bayerischen Staatsforst eine Beteiligung von 24,9 Prozent für Kommunen und Bürger zwingend vorgeschrieben. Das ist jetzt schon deutlich mehr als üblich – nicht nur im deutschen Süden.

 

Dass die Akzeptanz für Windkraft deutlich steigt, wenn auch die Anlieger der Anlagen davon profitieren, ist eine Binsenweisheit. Vom nordfriesischen Risum-Lindholm bis nach Wildpoldsried im bayerischen Allgäu gibt es diese Vorzeige-Dörfer, die weit mehr (Öko-)Energie produzieren, als die Leute dort verbrauchen. Der Überschuss füllt die Kassen, ermöglicht solchen Gemeinden beneidenswerte Infrastruktur – vom intakten Kindergarten bis zu Freibädern, die nicht aus Kostengründen auf der Kippe stehen.

 

Schon um die vergangene Jahrtausendwende, als die Pioniere noch gern belächelt wurden, galt die Bürgerbeteiligung am Gewinn als wesentlicher Hebel, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Zumal bald Berichte über sehr ordentliche Renditen die Runde machten. Und selbst vorsichtige Dorf-Sparkassen ihren Kunden den Einstieg gerne finanzierten. Mittlerweile ist das kleine Glück der Gründerjahre einem veritablen Boom gewichen. Der in der Herstellung konkurrenzlos günstige Windstrom hat längst Konzerne ins „grüne“ Geschäft gelockt.

 

Vielerorts sind Kommunalparlamente heute schon froh, wenn wenigstens zehn Prozent der Anteile neuer Anlagen der Ortsbevölkerung vorbehalten bleiben. Zwingend vorgeschrieben sind solche Klauseln in den meisten Bundesländern nicht. Auch nicht im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg. Auch so gesehen betritt Bayerns Staatsregierung Neuland mit der Klausel, dass Bewerber um die neuen Windpark-Standorte im Staatsforst rund ein Viertel der Anteile für die Beteiligung von Kommunen und Bürgern reservieren müssen.

 

Treiber im Wahlkampf-Endspurt

 

Bis zu 350 Windräder sollen so entstehen. Lange als Bremser der Energiewende beargwöhnt, kommt Bayerns Ministerpräsident zum Wahlkampf-Endspurt in die Treiber-Rolle. Aber wohl nicht ganz freiwillig: Letzte Woche haben 432 bayerische Bürgermeister mehr Tempo und mehr Rückenwind aus der Münchner Staatskanzlei beim Windkraft-Ausbau gefordert – und zwar „vor Ort und dezentral erzeugt“. „Was vor Ort produziert wird, bringt die Wertschöpfung in die Gemeinden“, lässt sich eine CSU-Bürgermeisterin zitieren.

 

Der Druck aus Industrie und Wirtschaft steigt ohnehin rapide. „Grüne Energie“ ist nicht nur Kosten-, sondern auch Image-Faktor. Zumal im südostbayerischen Chemie-Dreieck, wo nun der erste Staatsforst-Windpark gebaut wird. Örtlich ist der Widerstand überschaubar, überörtlich laufen Umweltverbände Sturm gegen die Wald-Windmühlen und den damit verbundenen Forststraßenbau. Ob der Kampf gegen den Klimawandel das Fällen von Bäumen rechtfertigt, die in Dürresommern ohnehin immer häufiger sterben, lautet wohl die Gretchenfrage.

 

Söder setzt offenbar auf die Kraft der geldwerten Argumente

 

Söder zeigt sich eher unbeeindruckt von der Kritik am Windkraft-Forst. Er setzt offenbar auf die Kraft der geldwerten Argumente und will das Ausmaß der finanziellen Bürgerbeteiligung bei der Standort-Vergabe künftig noch stärker berücksichtigen. Ohne Konzerne wird es bei den Kosten moderner Anlagen zwar auch in Bayern nicht gehen. Aber wenigstens den Verdacht, dass die klassischen Energieversorger beim Genehmigungsverfahren leichteres Spiel haben als Genossenschaften, scheint die Staatsregierung ernst zu nehmen.

 

Thomas Eigstler, CSU-Bürgermeister im Allgäu-Dorf Wiggensbach, erinnert dazu an die bayerische Regierungspolitik in der Zeit, bevor Söder-Vorgänger Horst Seehofer ins Amt kam: „Natürlich hätten wir es gerne gehabt, wenn die neuen Windräder komplett in unserer Regie errichtet würden, so wie das die Staatsregierung den Kommunen einmal zugesagt hat.“

 


Lesen Sie auch:

Wie sich der Wind in Bayern dreht: Vor der Landtagswahl macht Ministerpräsident Markus Söder Druck beim Ausbau der Windkraft. Aber auch der Widerstand scheint ungebrochen

 

Hier können Sie sich für unseren wöchentlich erscheinenden Newsletter anmelden.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

natur+mensch – der Blog ist eine Initiative der Stiftung natur+mensch

Copyright © 2023 Stiftung natur+mensch - Havixbeck - Alle Rechte vorbehalten.