Wie sich der Wind in Bayern dreht

Vor der Landtagswahl macht Ministerpräsident Markus Söder Druck beim Ausbau der Windkraft. Aber auch der Widerstand scheint ungebrochen

Foto: Thorben Wengert / pixelio.de
Foto: Thorben Wengert / pixelio.de

 

Von Michael Lehner

 

Diesmal keine Wallfahrt nach Altötting. Markus Söder verkündet dort den baldigen Baubeginn für einen richtig großen Windpark. 40 Rotoren sollen im Staatsforst „grüne“ Energie liefern für das bayerische Chemiedreieck. Die Weltunternehmen der Region haben dafür mit Macht geworben, manche gar gedroht, dem Freistaat langfristig den Rücken zu kehren.

 

Nun also ein Machtwort vom Landesvater, der die Gier nach Öko-Strom erkannt hat. Vor allem in den Hightech-Branchen, zum Beispiel der Elektromobilität. Dort gehören Windräder längst zum Marketing-Konzept, und Söder will nicht zuschauen, wie Standort-Entscheidungen zunehmend am Land von „Laptop und Lederhose“ vorbeigehen. Das mag „der Bayer“ (und „die Bayerin“) nicht, seit Franz-Josef Strauß das Bundesland mit hemdsärmeliger Industriepolitik ganz nach vorne brachte.

 

Und „grün“ war das Urlaubsparadies im Süden schließlich schon lange, bevor es die Grünen gab. Was irgendwie auch zum wahren Kern des Problems hinführt. Bayern ist ja auch die Wiege der Naturschutzbewegung. Keimzelle für den Bund Naturschutz (BUND), mächtiger Landesverband im NABU, der im Freistaat immer noch „Landesbund für Vogelschutz“ heißt. Und – nicht zu vergessen – mit der Forst-Hochschule zu Weihenstephan auch geistiges Zentrum des Öko-Waldbaus für die ganze Republik.

 

Zerreißprobe im BUND

 

Söder weiß, dass die Windräder vor ein paar Jahren schier den einst übermächtigen BUND zerrissen hätten. Gründungsväter warfen aus Protest gegen die Windräder hin. Voran Enoch zu Guttenberg, Vater des CSU-Kurzzeit-Shootingstars und Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg. Was sicher dazu beigetragen hat, dass der frühere Ministerpräsident Horst Seehofer mit seinem ausgeprägten Gespür für wechselnde Winde eine ausgesprochen zurückhaltende Strategie zum Thema Windkraft pflegte. Zumal auch Bayerns wichtigste Energieversorger viel lieber weiter auf Ausbau der eigentlich ausgereizten Wasserkraft setzten.

 

Geschichte scheint sich aber auch für Söder zu wiederholen. Kaum wurden seine Pläne für Windräder im Staatsforst publik, widmete ausgerechnet die in Öko-Fragen eher sensible „Süddeutsche Zeitung“ einem höchst umstrittenen Windkraft-Kritiker viel Platz im Blatt: Mit dem Titel „Der Mythos der umweltfreundlichen Windräder“ kommt Josef Helmut Reichholf zu Wort, gern zitierter Kronzeuge der militanten Jagdgegner-Szene und lange Jahre in Bayerns Zoologischer Staatssammlung für die Vögel zuständig. Der Biologe saß im Vorstand des anfangs von Herrenjägern dominierten WWF, besitzt den „Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa“ und ist Nachfolger des Windkraft-Gegners Enoch zu Guttenberg als Ehrenpräsident im bayerischen Verein für Landschaftspflege und Artenschutz.

 

Söder scheint den schon mal als „Klimaleugner“ beschimpften Professor nicht zu fürchten: „Mit der Windkraft in Bayern geht es schnell voran. Hier im Altöttinger und Burghauser Forst wird der größte Wald-Windpark Süddeutschland entstehen. Von 40 Windrädern wird grüner Strom für unser bayerisches Chemiedreieck kommen. Danke an die Bayerischen Staatsforsten, die dieses gewaltige Projekt und noch viele weitere in Bayerns Staatswäldern vorantreiben.“ Bis 2030, verspricht der CSU-Chef, soll es mindestens 1000 neue Windräder in Bayern geben. Speziell im Forst: „Wald und Windkraft – das passt sehr gut zusammen.“

 

Franzosen als Projektpartner

 

Projekt-Partner für den spektakulären Auftakt im Öttinger Forst ist der französische Öko-Stromkonzern Qair über seine Münchner Tochter Qair Deutschland GmbH. „Der deutsche Markt der Erneuerbaren Energien ist der größte und dynamischste Europas“, freute sich Konzernchef Jochen Nüssle schon nach Übernahme des insolventen Münchner Ökostrom-Unternehmens „Green City“. Während die Stadtwerke München um ihre Beteiligung an einem Mega-Windpark in Nord-Norwegen bangen, nachdem dort „Fridays for future“ den Protest gegen den Weiterbau anführt.

 

Womöglich entwickelt sich Bayern ja im Gegensatz zu Lappland tatsächlich zum Geheimtipp für die Branche. Nicht nur für Konzerne, sondern auch für Bürger, die am Boom ein wenig mitverdienen möchten. Im Windenergie-Land Schleswig-Holstein gilt solche Bürgerbeteiligung seit Jahrzehnten als Schlüssel zur örtlichen Akzeptanz. In den Ausschreibungskriterien für die Standorte im bayerischen Staatsforst findet sie zumindest gebührliche Erwähnung.

 


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