Eine der größten Lügen der Politik

Seit Jahrzehnten reden alle vom Bürokratieabbau – und keiner tut was Gescheites

Ein Stapel mit Aktenordnern. (Foto: Geisteskerker)
Ein Stapel mit Aktenordnern. (Foto: Geisteskerker)

 

Von Wolfgang Molitor

 

Wäre die Angelegenheit nicht so ernst, die Not nicht so groß, man käme um ein mitleidiges Schmunzeln nicht herum. Reden wir also zunächst von Birgit Homburger, die mal FDP-Chefin in Baden-Württemberg und zwischen 2002 und 2009 eine der stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion war, gar mehr noch: ihre Sprecherin für Bürokratieabbau. Das ist gut 20 Jahre her und war schon zuvor ein beliebtes Feld, auf dem sich alle Politiker zu tummeln wissen, um sich mit vermeintlicher Bürgernähe und Mittelstandssympathie zu spreizen. Homburger war da nicht die Einzige. Also nah an den Sorgen und Problemen der Menschen, wie man so sagt und sagte.

 

Geholfen und genutzt hat das in all den Jahren nichts. Im Gegenteil. Das Land erstickt in einer Hyperbürokratisierung, die von allen viel Geld, viel Zeit und noch mehr Nerven kostet, die in ihre Fänge geraten. Noch immer spuckt die politische Bevormundungsmaschinerie Gesetze, Vorschriften, Reglementierungen und Erlasse, oft nutzlos und realitätsfern – aus, die wirtschaftlich hemmend und in ihrer Verästelung nutzlos sind. Wenn nicht aus Berlin, dann aus Brüssel.

 

Gerade in den kleineren Verwaltungseinheiten des ländlichen Raumes bekommen das die Bürger immer schmerzlicher zu spüren. Die Personaldecke ist schon seit langem zu kurz, Öffnungszeiten werden verkürzt oder fallen ganz aus. Für Bauanträge, Fahrzeuganmeldungen oder Passangelegenheiten braucht man viel Geduld. Servicewüste Deutschland (neben der Bahn) auch hier und allerorten.

 

Man zeigt mit dem Finger auf andere

 

Zu viel Regulierung, zu wenig Personal, unattraktive Jobs, marode Ämter und mittelmäßige Bezahlung: Baden-Württembergs grünen Ministerpräsidenten Winfrieds Kretschmann macht das Sorgen. Dass der Fisch in aller Regel vom Kopf stinkt, scheint sich nicht bis in die Stuttgarter Staatskanzlei herumgesprochen zu haben. Dort und überall, wo der Gesetzgeber in den Alltag der Menschen hineinpfuscht, zeigt man mit dem Finger auf andere. In den Kommunen, im Land und im Bund stehe man am Scheideweg, orakelt Kretschmann, um immerhin zum richtigen Schluss zu kommen: „Wir werden so nicht mehr regieren können.“ 

 

Wobei der Landesvater weniger an mehr Service für die Bürger vor Ort zu denken scheint, als an die Stellenbesetzung in den Finanzämtern. Wobei auch das stimmt: Ohne ausreichende Steuereinnahmen droht der Staat an allen Fronten seine Handlungsfähigkeit zu verlieren. Nach Schätzungen des Beamtenbundes DBB sind aktuell etwa 360.000 Stellen im öffentlichen Dienst unbesetzt. Bis 2030 gehen rund 1,3 Millionen Beschäftigte in Ruhestand. Wer da noch von einem Dienst am Bürger redet, macht schon den ersten Fehler.

 

Leere Versprechen und politisches Geschwafel

 

Jeder Politiker gibt vor, Bürokratie abbauen zu wollen. Doch die meisten satteln drauf. Nicht besser, sondern nur immer mehr. Auch bei öko. Einschüchternd und von oben herab. Das Versprechen „Bürokratieabbau“ gehört zu den größten Lügen dieser Republik.

Der Bundeswirtschaftsminister, bekanntlich ein Mann großer Entwürfe, hat da eine Idee. Robert Habeck denkt dabei an „Praxis-Check“. So spricht einer, der offenbar keine Ahnung hat, wie es vor Ort aussieht. Der nicht weiß, wo anzusetzen ist. Der Nachhilfe in einem Fach braucht, das der Grüne (wie seine andersfarbigen Vorgänger) sehenden Auges verbummelt hat. Ein Praxis-Check soll nun „möglichst konkret identifizieren, welche Regelungen entfallen oder geändert werden müssen, damit Verwaltungsprozesse einfacher, transparenter und nachvollziehbarer werden“, meint der Wärmepumpen-Minister. Denn, man höre und staune, der Bürokratie-Dschungel sei ein echtes Hindernis. Dieses Dickicht müsse man deshalb, schwierig, schwierig, beseitigen. Wer noch nicht weiß, wie sich Politik-Geschwafel anhört, hier kann er es bewundern.

 


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