Dem Protest die Basis entziehen

Die Erfolge der AfD setzen die demokratischen Parteien immer stärker unter Druck

Tino Chrupalla, AfD-Bundessprecher. (Foto: AfD)
Tino Chrupalla, AfD-Bundessprecher. (Foto: AfD)

 

Von Jürgen Wermser

 

Bundesweit und auch in den ländlichen Regionen, vor allem in Ostdeutschland, wächst unter den demokratischen Parteien die Sorge vor einem weiteren Erstarken der AfD. Wie umgehen mit der Rechtsaußen-Partei? Spätestens seit den verunglückten Äußerungen von CDU-Chef Friedrich Merz in einem ZDF-Interview wird die Thematik heiß diskutiert. Soll es nun eine Brandmauer geben oder nicht? Merz hat hier für viele Missverständnisse gesorgt. Positiv ist nur: Endlich scheint das Problem nicht länger verdrängt, sondern in der Mitte aller demokratischen Parteien angekommen zu sein. 

 

Keine Frage, die Thematik drängt. Denn die Rechtsradikalen fühlen sich aufgrund der jüngsten Umfrageergebnisse stärker denn je. Und es ist zu befürchten, dass sie bei künftigen Wahlen, etwa in Thüringen, teilweise sogar als stärkste Kraft in Landtage einziehen könnten. Eine bedrückende Vorstellung gerade für Konservative, denn konservativ ist an der AfD nichts. Sie beruft sich zwar gerne auf traditionelle und bürgerliche Werte. Aber in Wahrheit ist sie radikal bis hin zu umstürzlerisch. In ihren Reihen werden Grundlagen unseres Gemeinwesens wie etwa die Westbindung in Form von NATO und EU mehr oder minder unverhohlen infrage gestellt, Werte wie Humanität und Weltoffenheit verächtlich gemacht. Kein Wunder, dass Verfassungsschützer hierin einen Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung sehen. 

 

Die Folgen weiterer AfD-Zugewinne könnten verheerend sein. Man nehme als abschreckende Beispiele nur den Brexit in Großbritannien oder auch den Feldzug gegen die Demokratie, den Donald Trump in den USA führt. Von solch teilweise chaotischen Zuständen sind wir in Deutschland zum Glück noch entfernt. Aber wenn die AfD weiterhin so starken Zulauf erhält, scheint vieles möglich, was sich so manche Bürger hierzulande kaum vorstellen könnten. Wollen alle Protestwähler diese Risiken und Gefahren tatsächlich eingehen? Wissen sie, was sie da tun? Zweifel sind angebracht. Umso wichtiger ist es für alle Demokraten, offensiv gegen Programmatik und Ziele der AfD Stellung zu beziehen.

 

Appelle an die Vernunft reichen nicht

 

Leider ist es mit Appellen an die Vernunft allein nicht getan. Auch die etablierten Parteien, insbesondere SPD und CDU, müssen über die Ursachen der Fehlentwicklungen intensiver als bisher nachdenken. Und sie müssen endlich bereit sein, gemachte Fehler selbstkritisch einzugestehen und zu korrigieren. Denn davon gibt es leider reichlich, etwa in der Einwanderungs- und Klimaschutzpolitik. Herausgekommen ist eine tiefgreifende Entfremdung zwischen der Politik und vielen Bürgern. So mancher Wähler hat den Eindruck, dass sich „die da oben“ von ihrer Lebenswirklichkeit entfernt haben. Die Folgen sind Frust und Resignation, gepaart mit Wut und der Bereitschaft, es den Regierenden mal so richtig zu zeigen. Und wie könnte das am besten gehen? Indem radikale Kräfte per Stimmzettel gestärkt werden – eine menschlich vielleicht verständlich, aber politisch höchst gefährliche Form des Denkzettels. 

 

Frustrierte Bürger mit Argumenten wieder zurückgewinnen

 

Umso wichtiger, diesen Bestrebungen entgegenzuwirken und dem teils verständlichen Unmut die sachliche Basis zu entziehen. Entscheidend wird sein, enttäuschte und frustrierte Bürger wieder zurückzugewinnen. Und ihnen zugleich deutlich zu machen, welch gefährliche Kräfte sie mit ihrer Protesthaltung stärken und welch bittere, persönliche Folgen dies für den Einzelnen haben kann – Stichworte Brexit oder auch Trump.

 

All dies ist zwar leichter gesagt als getan. Aber es gibt keine realistische Alternative. So wie der Kanzler bloß zu hoffen, am Ende würden doch alle Bürger schon die Erfolge seiner Arbeit erkennen und per Stimmzettel würdigen, ist keine realistische geschweige denn kluge Strategie. Es muss viel mehr und vor allem besser kommuniziert werden, um was es in der Auseinandersetzung mit der AfD wirklich geht. Und es müssen diejenigen Herausforderungen, die Bürger vor Ort etwa in den ländlichen Regionen Tag für Tag beschäftigen, seriöser als bisher aufgegriffen werden. Mediale und politische Debatten um Scheinprobleme, die nur Intellektuelle interessieren, sind jedenfalls kein Erfolgsrezept. 

 

Anbiedern an die AfD bis hin zu einer möglichen Zusammenarbeit wäre für Konservative fatal. Aber Konfrontation alleine führt auch nicht weiter. Es müssen die Wurzeln der AfD-Erfolge beseitigt werden – das Gefühl, politisch übersehen zu werden, und der Eindruck, von komplexen Entwicklungen wie Migration und Klimaschutz hilflos überrollt zu werden. Hier müssen die Ampel und auch die Union inhaltlich und kommunikativ stärker Orientierung bieten und offensiver argumentieren. Zwar wird ein harter Kern von Rechtsextremen und Völkischen nicht für die demokratische Mitte zurückzugewinnen sein. Aber nicht jeder Bürger, der AfD gewählt hat oder sich so in Umfragen positioniert, muss zwangsläufig dauerhaft in der rechten Ecke bleiben …


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Kommentare: 1
  • #1

    Gerhard Troesch (Freitag, 11 August 2023 17:48)

    Wenn sie die GRÜNEN direkt wählen, haben sie sich den Umweg über die CDU, SPD oder FDP erspart.
    Die CDU ist der RECHTE FLÜGEL der GRÜNEN.

    Irgendwie hält sich das Klima hier bei uns gerade nicht an die Ideologie.

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