Wie umgehen mit der Rechten?

Die AfD ist demokratisch legitimiert und das Parteienspektrum so weit nach rechts gerückt, dass die Volksparteien in Bedrängnis geraten

Ländliche Idylle in Bayern. (Symbolbild: Leopictures)
Ländliche Idylle in Bayern. (Symbolbild: Leopictures)

 

Von Michael Lehner 

 

Rechts neben der CSU, sagte Gründervater Franz Josef Strauß, dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben. Das ist lange her. Die AfD ist demokratisch legitimiert und das Parteienspektrum so weit nach rechts gerückt, dass die Volksparteien in Bedrängnis geraten. Auch deshalb, weil ihnen der ländliche Raum und seine Probleme aus dem Blick geraten.

 

Das Buhlen um die Gunst großstädtischer Wählerpotenziale verstellt nicht nur den Blick auf Bauern-Sorgen. Es macht auch blind für die Befindlichkeiten einer Bürger-Schicht, die andere Sorgen hat als die Frage, ob Wirtshäuser noch „Mohren“ heißen dürfen. Oder ob das Wort Bürgermeister nicht verdrängt, dass es auch Bürgerinnen gibt und die Menschen (längst auch auf dem Land) durchaus Bürgermeisterinnen wählen.

 

Solch modischer Sinneswandel macht zunehmend blind dafür, was Gerichtsprozesse um Kuhglockengeläut oder Stallgerüche bei Betroffenen anrichten. Oder was Berufspendler über das Bemühen denken, dem Volk das Autofahren zu verleiden. Während Steuergelder fürs Wohngeld und 49-Euro-Tickets die hoffnungslos überhitzten Metropolen künstlich am Leben halten.

 

Die Angst der Bürgerlichen, sich der wachsenden Bürger(meister)-Sorge um die Last der Flüchtlingsströme anzunehmen, macht es den Rechtspopulisten leicht. Zumal diese niemand laut fragt, wieso sie zugleich – und obendrein auch noch gemeinsam mit den SED-Nachfolgern – um Verständnis für den Diktator Putin werben, der mit seinem Krieg Millionen Menschen in die Flucht treibt.

 

Nicht jedem Fettnäpfchen ausweichen

 

Parteien werden nicht dafür gewählt, dass ihre Repräsentanten um den Brei herumreden. Die bemerkenswerten Beliebtheitswerte der deutschen Außenministerin von den Grünen sind im Gegenteil ein Beleg dafür, dass die verzweifelten Versuche, jedem Fettnäpfchen auszuweichen, das Gegenteil von Zustimmung bewirken.

 

Noch tut die AfD der etablierten Konkurrenz den Gefallen, selber nach Kräften am eigenen Schmuddel-Image mitzuwirken. Indem sie die schwärzesten Kapitel deutscher Geschichte verharmlost und Devisen von sich gibt, die eine solche Rechte für echte Christen und aufrechte Demokraten unwählbar machen. Und indem sie an Figuren festhält, die man in gutbürgerlichen Häusern nicht zu Tisch bitten möchte.

 

Wer sich in Europa umschaut, muss feststellen, dass sich ein solches Bild schnell ändern kann: Italiens Rechte und die nicht minder rechten Schwedendemokraten haben ihre radikalen Schreihälse zum Schweigen gebracht und ihr Führungspersonal gegen Leute mit Manieren ausgewechselt. Sie haben – zumindest im äußeren Erscheinungsbild – der Verehrung von Diktatoren abgeschworen.

 

Aktuelles Ergebnis: Plötzlich beginnen die Volksparteien im Europaparlament mit diesen Rechten zumindest zu reden. Statt scheinbar machtlos zuzuschauen, wie Rechtsradikale bürgerlich-konservatives Unbehagen für ihre Macht-Phantasien missbrauchen. Und statt so zu tun, als gäbe es zum Beispiel nicht die Schattenseiten einer allzu blauäugigen Flüchtlingspolitik. Was in Wahrheit nicht den Flüchtenden hilft, sondern die Feinde der Demokratie voran bringt.

 

Lohnender Blick nach Schweden

 

Ein Blick nach Norden zeigt die Alternativen: Schwedens Sozialdemokraten verspielten die Regierungsmacht, indem sie explodierende Bandenkriminalität ignorierten und etwa die Wiederansiedlung von Wölfen wichtiger nahmen als die damit verbundenen Sorgen des Landvolks. In Dänemark hingegen verabschiedete sich die sozialdemokratische Regierung von der Illusion, dass sich derart handfeste Probleme im Stuhlkreis lösen lassen – und bleibt ungefährdet an der Macht.

 

Dass derartiges Nord-Süd-Gefälle auch in Deutschland aufscheint, ist erwähnenswert: Wie in Dänemark sind auch in Schleswig-Holstein sogar die Grünen für ziemlich ideologiefreien Umgang mit der Landwirtschaft bekannt. Anders als in Bayern und Baden-Württemberg bekamen ländlich-bäuerliche Energie-Genossenschaften dort schon vor vielen Jahren faire Chancen, mit der Windkraft neue Einnahmequellen zu erschließen.

 

So viel Realitätssinn erklärt womöglich auch ein vermeintliches Phänomen: Bei der jüngsten Wahl zum Kieler Landtag scheiterte die AfD gegen den Bundestrend an der Fünf-Prozent-Hürde. So richtig haben sich die Rechten im Norden nie von den Flügelkämpfen erholt, in denen der Landesverband mehrheitlich versuchte, die Demontage des AfD-Gründungsvorsitzenden Bernd Lucke zu verhindern. Damals, als das Wort Flügel noch die Bürgerlichen in der Rechtspartei meinte.

 


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