Schindluder mit der Tierliebe

Nicht nur der Beifall für die Rehkitz-Rettung offenbart den Konflikt zwischen Tierliebe-Kommerz und umweltbewegter Wirklichkeit

Foto: johnnyb / pixelio.de
Foto: johnnyb / pixelio.de

 

Von Michael Lehner

 

Selten werden Jäger und Bauern vom Mainstream so gefeiert wie mit der Begeisterung für ihr Bemühen, Rehkitze vor dem Tod durch Mähmaschinen zu bewahren. Kamera-Drohnen geben den Berichten obendrauf den Touch von Hightech und gelegentlich gibt’s sogar Zuschüsse aus öffentlichen Kassen. Das geneigte Publikum fühlt sich gut beim Einsatz für die Kuscheltiere mit den großen Augen.

 

Spätestens beim nächsten Waldschadensbericht ist von der kollektiven Tierliebe nicht mehr viel zu spüren. Aus dem Rehlein vom Frühsommer ist schließlich ein Klima-Killer geworden, der den Wald zerstört und damit die Zukunft einer Menschheit bedroht, die in großer Mehrheit Annehmlichkeiten wie den Billigflieger zum Pauschalurlaub nicht missen möchte.

 

Bayerns Jagdverband hat schon vor zwei Jahren auf den Widersinn hingewiesen und dazu auf ein internes Papier der Regierung von Oberbayern verwiesen, die von den Jagdbehörden der Landratsämter erfahren wollte, was es für die Abschussplanung bedeutet, dass Jäger und Bauern im Frühjahr 2021 rund 90.000 Rehkitze vor dem Mähtod bewahrten. Der forstkritische Verein „Wildes Bayern“ kommentierte: „Anscheinend muss nun für jedes gerettete Kitz ein Reh mehr sterben?“

 

Dass aktuell die Pflicht zur Kitzrettung mit dem Entwurf zur Novelle des rheinland-pfälzischen Jagdgesetzes festgeschrieben werden soll, illustriert die Groteske: Zugleich sieht nämlicher Entwurf den Verzicht auf Abschuss-Obergrenzen vor, wenn der Forst dies für erforderlich empfindet. Da gehen Tierschutz und Klimarettung offenbar getrennte Wege. Zumal der wahre Hardcore-Tierschutz von Vereinen wie Peta jedweden Abschuss ablehnt.

 

Proteste auch gegen Imker

 

Letzterer Bewegung ist ohnehin jede Form der Nutzung von Tieren zuwider. Ob es um die Schafschur geht, auf die wir noch zu sprechen kommen, oder ums Honig-Brötchen zum Frühstück. (Hobby-)Imker müssen sich nicht nur in Bayern auf nicht selten handgreifliche Proteste einrichten, wenn sie ihre Erzeugnisse auf Bauernmärkten feilbieten. Peta & Co. wollen mit gezielten Aktionen verhindern, dass Menschen „den Bienen ihre Nahrung stehlen“. So wie sie den Kälbern die Milch nicht wegtrinken sollen und Schuhe aus Leder ächten.

 

Spannend wird die Sache mit dem Honig beim Blick auf das erfolgreichste Volksbegehren, das Bayern je erlebt hat: 1,74 Millionen Menschen haben bei „Rettet die Bienen“ unterschrieben. Und es ist davon auszugehen, dass die ganz große Mehrheit dabei nicht zwischen Wildbienen und Honigbienen unterscheidet. Wahr ist, dass Erstere langfristig vom Aussterben bedroht sind. Was aber nicht die Schuld der Imker ist, die mit ihrer und ihrer Bienen Arbeit dafür sorgen, dass Wild- und Nutzpflanzen noch ohne künstliche Bestäubung gedeihen.

 

Die Panik-Bilder von chinesischen Landarbeitern, die mit Pinseln bewaffnet auf Bäume klettern, um die nicht mehr existierenden Insekten beim Bestäuben zu ersetzen, waren gut fürs Volksbegehren und fürs Spendenaufkommen. Peta: „Veganen Honigersatz kann man aus fast allem machen.“ Zum Beispiel aus Agaven. Die halten obendrein die Hitze aus und – Achtung: Ironie – sie sind damit auch weniger anfällig für den Klimawandel, den der massenhafte Fernverkehr mit veganen Lebensmitteln durchaus befördert.

 

Wer sich gern an Fakten orientiert, wird gemerkt haben, dass Naturverbundene eben eine EU-Verordnung als Sieg gefeiert haben, die Verbrauchertäuschung mit gepanschtem Honig deutlich erschweren soll. Wahr ist auch, dass echte Naturschutzverbände und Imker vielerorts hervorragend zusammenarbeiten. Was auch für die Weideschafe gilt, die nicht nur für das Offenhalten von Grünlandflächen, sondern auch für die Pflege der überlebenswichtigen Deiche unentbehrlich sind.

 

Kampagne gegen Schurwoll-Pullover

 

Peta sieht die Sache mit den Schafen etwas anders und hat auf der Promi-Insel Sylt zur Sommer-Saison eine weitere Kampagne gegen den Schurwoll-Pullover und dessen TrägerInnen gestartet. Schafschur sei Tierquälerei, heißt es da. Den Schafen werde ihre Bekleidung gestohlen. Außerdem hat Peta weltweit eine Belohnung für die Erfindung eines Woll-Ersatzstoffs ausgelobt. Bisher so erfolgreich wie die Suche nach Schuhsohlen, die nicht aus Leder sind und trotzdem keine Schweißfüße machen.

 

Was in der Schein-Debatte untergeht: Selbst mit den kleinen Erlösen aus dem Verkauf der Wolle ist die Weideschäferei auf Zuschüsse angewiesen, um ihren Gemeinwohl-Aufgaben wie der Deichpflege nachzukommen. Die Peta-Forderung, auf Schaf-Rassen mit geringerem Haarwuchs umzustellen, wäre dann sicher Auslöser der nächsten Kampagne - gegen den „Massenmord“ an den vorhandenen Schafen.

 

Wen kümmern bei so viel Tierleid da noch die Fakten: Zum Beispiel das Urteil, mit dem das Landgericht zu Trier im März 2020 einen Eifel-Landwirt dazu verurteilte, seine Schafe einmal jährlich scheren zu lassen. Seine Weigerung, solcher Forderung des Veterinäramts nachzukommen, sei Tierquälerei und verstoße gegen das Tierschutzgesetz, beschieden die Richter die Klage des Bauern, der seinen Schafen ihre Wolle lassen wollte.

 


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Kommentare: 2
  • #1

    Dr.Rolf Schulze (Samstag, 05 August 2023 10:36)

    Wenn man im Juli kitze mit grossem Aufwand rettet um die spätestens 1.9. Wieder als Schädlinge erlegt ist das traurig und irre.
    Wenigstens das Titelbild sollte dann ein Rehkitz sei.n
    Verfasser wohl auch in Tierkunde eine 6!

  • #2

    Dr. Martin Junker (Sonntag, 06 August 2023 12:39)

    Das Titelbild war wohl nicht sachkundig, zeigte es doch offenkundig ein Damwildkalb. - Aber zur Grundaussage: Fridays for Future, PETA u.v.a. leben und existieren doch nur noch, weil die Medien diesen ideologisierten singulären Vertretern so viel Raum geben, was sogar einen Nachrichtensprecher zur Kritik an die eigenen Reihen veranlasste. "Stell Dir vor: es ist Krieg und keiner geht hin..." Wenn diesen ideologisch verbohrten und lautstarken Minderheiten nicht so viel mediale Präsenz gegeben würde, wäre es mit dem Kleben und anderen Maßnahmen schnell vorbei. - Klimawandel ist ernst und bedarf grundlegender Maßnahmen, mit den sachunkundigen Politikern, und schlimmer: den beratungsresisten Ministerialen sowie mangelnder Perspektivlosigkeit ist damit aber kaum zu rechnen. Das wird die Abkopplung von Europa von der ganzen übrigen Welt noch mehr beschleunigen! "Denk ich an Deutschland in der Nacht..." ´

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