Auslaufmodell Alleinverdiener

Ob Witwenrente oder Ehegattensplitting: Die klassische Familie passt nicht ins Weltbild der Metropolen

Foto: S. Hofschlaeger / pixelio.de
Foto: S. Hofschlaeger / pixelio.de

 

Von Michael Lehner

 

Die hitzige Debatte um die Familienpolitik zielt nicht nur auf Sanierung der klammen Staatskasse. Auf dem Spiel steht auch die Alleinverdiener-Ehe und damit ein wesentlicher Baustein für die Lebensfähigkeit der Strukturen im ländlichen Raum. Von der Kinderbetreuung über die Landwirtschaft und das Kleingewerbe bis zur Altenpflege.

 

Nicht nur in den großen Städten ist der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz oft genug eine Chimäre. Es gibt auch reichlich Dörfer, die nicht leisten können, was die Politik den Familien vollmundig versprochen hat. In den Schulen reicht das Personal kaum für den Regelunterricht, aber nicht zur Ganztagsbetreuung oder gar zur pädagogisch wünschenswerten Ganztagsschule. Als Elternersatz versagt der Staat auf ganzer Linie.

 

Das gleiche Bild bei der Betreuung alter Menschen: Zu drei Vierteln sind sie auf Pflege und Betreuung in der Familie angewiesen. Trotzdem ist die Pflegeversicherung finanziell am Limit. Obendrauf kommen Sozialhilfe-Lasten in Milliardenhöhe für die Alten, die weder Familie noch genug Geld fürs Seniorenheim haben. Ihre Zahl wird wachsen, wenn Kinder nicht nur als Armutsrisiko gelten, sondern auch als schädlich fürs Klima.

 

Die Gegenrechnung wird gemieden

 

Über den Druck auf pflegende Angehörige wird viel geredet. Auch über die Doppelbelastung durch Berufstätigkeit und Familienarbeit. Die aktuelle Debatte um die Schlechterstellung der Alleinverdiener-Ehe treibt trotzdem schrille Töne. Etwa um die Frage, ob Frauen eine Witwenrente verdienen, nachdem sie ein Leben lang dafür sorgten, dass „der Laden“ lief. Die Gegenrechnung, was es die Allgemeinheit kostet, Kinder und Alte staatlich zu versorgen, wird gemieden. Sie ist wohl auch nicht woke. 

 

Trefflich – aber nicht zutreffend – lässt sich auch über das Privileg des Ehegattensplittings streiten. Zumal der Irrtum weit verbreitet ist, dass da Steuergeschenke verteilt werden. In Wahrheit sorgt das Splitting nur dafür, dass Alleinverdiener-Familien fürs gleiche Einkommen nicht mehr Steuern zahlen als Paare mit zwei Erwerbstätigen. Die auch von der Politik sonst gern beklagte Progression wird gekappt. Was auch dafür sorgt, dass ein gut verdienender Familienvater weniger Steuern zahlt als vergleichbar gut gestellte Single-Haushalte. 

 

Landwirtschaftliche Existenz bedroht

 

Komplett vergessen müssen sich Landwirte vorkommen. Vor allem jene, die im Zu- und Nebenerwerb existenziell darauf angewiesen sind, dass die Familie – vor allem Partner oder Partnerin – an der Hofarbeit teilnimmt. Da lässt sich trefflich schwadronieren, dass die Bäuerin ja auch im Angestelltenverhältnis mitarbeiten könnte. An der Lebenswirklichkeit gehen solche Einwände in der Landwirtschaft ebenso vorbei wie im Fall der vielen kleinen Handwerksbetriebe, die ohne die unbezahlte Mithilfe der „Chefin“ kein Auskommen hätten.  

 

Am Rande: Die Auseinandersetzung ums Familienbild trifft auf das anhaltende Ringen um die Wahlfreiheit der persönlichen Lebensplanung. Auf diesem Feld haben die Zweifel am Leitbild der Doppelverdiener-Familie eher zugenommen. Zumal das Vertrauen in staatliche Institutionen zur Familienbegleitung eher schwindet.

 


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