Apotheken-Sterben: Ländliche Gebiete schwächer versorgt

Die Zahl der Apotheken geht weiter zurück. Die Politik muss mittelfristig gegensteuern, bevor es zu spät ist

Schild einer Apotheke. (Foto: Dieter Schütz / pixelio.de)
Schild einer Apotheke. (Foto: Dieter Schütz / pixelio.de)

 

Von Christian Urlage

 

Noch können Patientinnen und Patienten etwas mehr als 18.000 öffentliche Apotheken in Deutschland aufsuchen, doch die Zahl ist im vergangenen Jahr um immerhin 393 zurückgegangen. In Nordrhein-Westfalen sank die Zahl der Einrichtungen um 21 Prozent: von 4821 Apotheken im Jahr 2000 auf 3804 im Jahr 2022.

 

Zur Beunruhigung besteht aktuell noch kein Anlass – wohl aber muss die Politik das Problem vorausschauend beobachten und rechtzeitig reagieren, damit das Versorgungsnetz dauerhaft engmaschig genug bleibt. Das belegt auch die kürzlich veröffentlichte Zukunftsstudie „Apotheken und Approbierte in Nordrhein-Westfalen“, erstellt vom Institut für Handelsforschung in Köln. Dafür wurden mehr als 2000 Pharmazeuten befragt, außerdem 70 Pharmazeuten im Praktikum, mehr als 250 Studierende des Faches Pharmazie und rund 2000 Kunden von Apotheken.

 

Demnach ist für fast alle Bewohner in NRW die nächstgelegene Apotheke nicht weiter als zehn Kilometer entfernt, die meisten sind sogar deutlich näher. Aber: Jede zehnte Kommune in Nordrhein-Westfalen verfügt nur noch über eine einzige Apotheke. Zunehmend sind daher Patientinnen und Patienten in manchen Regionen gezwungen, mit dem Auto, per Bus oder Bahn zu fahren, wenn sie ein Medikament brauchen oder den Notdienst in Anspruch nehmen müssen. Und wo ein Mangel an Haus- und Fachärzten herrscht, wächst die Bedeutung von Apotheken für die gesundheitliche Grundversorgung der Bevölkerung. 

 

Jeder Neunte klagt über schlechte Erreichbarkeit in Kleinstädten und Gemeinden

 

Mehr und mehr zeigen sich gerade in ländlichen oder strukturschwachen Regionen einzelne schwächer versorgte Gebiete, wie die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Gabriele Regina Overwiening, bei der Vorstellung der Zukunftsstudie feststellte. Der Erhebung zufolge bewerten elf Prozent der Befragten in sehr kleinen Städten und Gemeinden die Erreichbarkeit mit „eher schlecht“ oder „schlecht“.

 

Die Verteilung der Apotheken ist allerdings deutschlandweit ungleichmäßig: „In vielen Städten gibt es in jeder dritten Straße eine Pharmazie, auf dem Land aber fehlen sie zuweilen“, schrieb Wirtschaftskorrespondent Christian Geinitz von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vor einigen Wochen in einem Kommentar. Ein bundesweiter Apotheken-Protesttag am 14. Juni mit Demonstrationen in weißen Kitteln war der Anlass für seine Berichterstattung. 

 

Apotheker beklagen zu viel Bürokratie und drohende Strafzahlungen der Krankenkassen

 

Zahlreiche Apotheker gingen an diesem Tag auf die Straße, weil sie mit dem sogenannten Lieferengpass-Gesetz der Ampel-Koalition unzufrieden sind. Sie beklagen einen zu geringen Verdienst bei reichlich Arbeit und sind genervt von zu viel Bürokratie und drohenden Strafzahlungen an die Krankenkassen. Denn wenn ein Rezept fehlerhaft ist, bleibt die Apotheke auf den Kosten sitzen. Außerdem zeigt sich auch in dieser Branche ein Fachkräftemangel. Für Inhaber immer schwieriger, geeignetes Personal zu finden. So kommen auf einen stellensuchenden Apotheker bis zu 20 offene Stellen.

 

Was also tun? Versandapotheken sind lediglich eine Ergänzung, aber keinesfalls ein Ersatz. Ihre Lieferungen sind für die Empfänger zwar bequem, wenn es darum geht, ein ständig verwendetes Medikament zu bestellen. Aber sie können nicht die oft erforderliche Beratung leisten. Und gerade wenn Tabletten, Kapseln oder Salben schnell benötigt werden, brauchen Patientinnen und Patienten eine Apotheke vor Ort, besonders im Not- und Nachtdienst. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat das Problem jedenfalls erkannt. Der CDU-Politiker war mit dabei, als die Zukunftsstudie vor Journalisten vorgestellt wurde. „Das Land Nordrhein-Westfalen setzt sich seit geraumer Zeit auf allen Ebenen für den Erhalt der öffentlichen Apotheke in der Fläche ein“, wird Laumann in einer Pressemitteilung seines Ministeriums zitiert.

 

Konkret heißt das: Eine Zusammenarbeit mit und zwischen den Kommunen ist nötig, zum Beispiel, wenn es um die Pacht oder Miete geht. Auch Prämien für Landapotheken wären hilfreich. Wie eingangs erwähnt: Noch ist das Netz der Versorgung mit Apotheken tragfähig, aber es ist keineswegs garantiert, dass dies in den nächsten Jahren so bleibt.

 


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