Jagdschein nach Gesinnung?

In Baden-Württemberg streben immer mehr Interessenten nach einem Jagdschein. Viele scheitern in umstrittenen mündlichen Prüfungen

Ein Hochsitz. (Foto: torstensimon)
Ein Hochsitz. (Foto: torstensimon)

 

Von Wolfgang Molitor

 

Die Prüfungsstatistik des baden-württembergischen Jagdverbandes könnte eine Erfolgsstatistik sein. Seit Jahren steigt das Interesse am „Jägerabitur“ spürbar und kontinuierlich. 2022 wollten fast 4000 Menschen im Ländle den Jagdschein erwerben – zu den rund 52.000, die ihn schon besitzen. Das Interesse ist groß, was die Waidmänner freut. Übrigens im ganzen Bundesgebiet. Im Jagdjahr 2020/21 waren über 403.000 Personen im Besitz eines Jagdscheines. 

 

Dass bei immer mehr Anträgen auch die Durchfallquote steigt, ist nicht unplausibel. Doch im Südwesten schütteln viele nur noch den Kopf, wenn die Rede auf die Prüfungsmodalitäten kommt. Schwankte die Durchfallquote bis vor fünf Jahren um die 20 Prozent, hat sie sich seitdem fast verdoppelt. Wobei eine Tatsache aufhorchen lässt: Nicht beim Schießen und bei der nach objektiven Kriterien zu beurteilenden schriftlichen Prüfung strecken immer mehr Bewerber die Waffen, sondern bei der mündlichen Prüfung. Und genau hier wird die ganze Sache politisch heikel. Denn es gibt ernst zu nehmende Vorwürfe, dass es in den mündlichen Prüfungen bei der Frage „Bestanden oder nicht?“ auch um die politische Gesinnung der Prüflinge gehen könnte. Nicht nur, weil der oberste Prüfer des Landes (das Forstministerium hat den Landesjagdverband mit der hoheitlichen Aufgabe betraut) zugleich Vorstandsmitglied bei der AfD im Kreis Hohenlohe/Schwäbisch Hall ist. 

 

„Es werden Fragen gestellt, die absolut Blödsinn sind“

 

Klare Beweise für Auswirkungen auf die Prüfungspraxis gibt es wohl nicht. Aber es gibt Stimmen, die darauf verweisen, von Jagdlehrern gewarnt worden zu sein, nicht zu alternativ aufzutreten und nicht über den Wolf zu diskutieren, wie die „Stuttgarter Nachrichten“ melden. Wer wie ein Grüner aussehe, habe es danach schwer – und werde mit Fragen konfrontiert, die die Prüfungsordnung nicht vorsehe – etwa nach mit Gummi überzogener Munition.

 

Die Inhaberin einer privaten Jagdschule aus dem Großraum Stuttgart sagt es deutlich: „Das hier ist ein Rausprüfen. Es werden Fragen gestellt, die absolut Blödsinn sind.“ Etliche private Schulen machen jetzt nicht mehr mit. Sie schicken ihre Schüler nach Bayern oder in andere Bundesländer. Der baden-württembergische Jagdverband reagiert kühl: Es stünde jeder Ausbildungsstätte frei, Prüfungen anderswo zu organisieren. Blattschuss! 2022 lehnte er alle 24 Widersprüche ab. 

 


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