Es geht um weit mehr als den Hof

Beim Deutschen Bauerntag in Münster muss die Zukunftsfrage noch deutlicher als bisher gestellt werden

Foto:  Sascha Hübers / pixelio.de
Foto: Sascha Hübers / pixelio.de

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Kanzler Olaf Scholz wird die Pfiffe und den Unmut kaum hören. Sein Grußwort zum 91. Deutschen Bauerntag, der nach rund zwei Jahrzehnten wieder im nordrhein-westfälischen Münster stattfindet, wird am Freitag als aufgezeichnetes Video eingespielt. Anders Ernährungs- und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, der diesmal nach seiner Rede zur Aussprache mit den Delegierten zur Verfügung steht. Im Jahr zuvor war Özdemir in Lübeck zum unmittelbaren Austausch noch nicht bereit. Jetzt steckt er zwar tiefer in den Bauernthemen, doch die Politik, die in seinem Ministerium gemacht wird, spricht längst nicht immer für Sachkenntnis. Dass immer mehr Betriebe ans Aufgeben denken, weil sie statt Planungssicherheit ein unkoordiniertes Handeln der Ampel vorfinden, sollte Özdemir nicht gleich sein. Als Landwirtschaftsminister darf er nicht zusehen, wie Landwirtschaft in Deutschland nach und nach abgewickelt wird.

 

Der Deutsche Bauernverband, der um die Außen- und Innenwirkung des traditionellen Bauerntags weiß, muss noch stärker dafür sorgen, dass die breite Gesellschaft endlich wieder zur Landwirtschaft steht, sie nicht als Problem, sondern als einen Teil der Lösung wahrnimmt. Dass die Arbeit des Bauern die Menschen ernährt, hat sich vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine herumgesprochen. Dass die Betriebe aber auch bei zentralen Themen wie Klimawandel, Energiewende und Artenschutz eine große Rolle spielen, steht in der Tagespolitik (noch) nicht genug im Focus. 

 

Folgen für die Menschen auf dem Lande

 

Stattdessen lässt man es zu, dass die Höfe geschwächt und in ihrer wirtschaftlichen Stabilität erschüttert werden. Wer weiß, dass zwei Drittel der landwirtschaftlichen Einkünfte der Nutztierhaltung entstammen, setzt mit den aktuellen, nicht zu Ende gedachten politischen Weichenstellungen beim Tierwohl die Tierhaltungsstrukturen in Deutschland aufs Spiel. Die Folgen für die Menschen auf dem Land, den Wirtschafts-, Kultur- und Erholungsraum stehen auch allen Sonntags-Ankündigungen, gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu schaffen, entgegen.

 

Viele Bauern sind enttäuscht von der Ampel-Koalition, denn viele Kernanliegen, die man schon vor der Bundestagswahl 2021 formuliert, werden ignoriert. Die Scholz´sche Zeitenwende sollte auch bedeuten, den Wert der heimischen Landwirtschaft endlich wieder anzuerkennen. Wer landwirtschaftliche Produkte vorwiegend aus der Region kauft, trägt nicht nur zum Erhalt der Höfe, sondern zur Qualität der ländlichen Räume bei.

 

Man darf gespannt darauf sein, welche Botschaft die „Münsteraner Erklärung“ am Ende der 91. Mitgliederversammlung des Deutschen Bauernverbandes enthalten wird. Da man vor einem Jahr in Lübeck die Debatte über den „Zukunftsbauer“ begonnen hat, dürfte ein Zwischenfazit zu diesem wichtigen Thema zum Inhalt gehören. Noch wichtiger wären aber klare Aussagen dazu, welche Rahmenbedingungen der Politik die Höfe brauchen, um endlich wieder selbstverantwortlich Zukunft planen zu können. Denn dabei geht es um weit mehr als um Acker, Stall und Hof.

 


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