Rechtsextreme Siedler – eine Gefahr auf dem Land

Die Sicherheitsbehörden warnen nicht allein vor politischem Extremismus in den Städten

Foto: S. Hofschlaeger / pixelio.de
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Von Christian Urlage

 

Wer beim politischen Extremismus zunächst an Großstädte denkt, liegt sicher nicht falsch. So führt der jüngste Verfassungsschutzbericht des Bundes beim gewaltorientierten Linksextremismus die autonomen Szenen auf, die sich in Metropolen wie Berlin, Hamburg und Leipzig gebildet haben, aber auch in anderen Universitätsstädten aktiv sind. Oder Linksextremisten nutzen regionale Internetplattformen in Berlin („kontrapolis.info“), Bremen („tumulte.org“) oder Leipzig („knack.news“) für ihre Zwecke. Das vom Linksextremismus ausgehende Gefährdungspotential schätzen die Verfassungsschützer als nach wie vor hoch ein. Das „Personenpotenzial“ sei weiter angewachsen, es habe eine zunehmende Radikalisierung gegeben.

 

Politischer Extremismus ist aber nicht allein ein Phänomen in Städten, wie aktuell in Thüringen zu festzustellen ist: Dort hat am Sonntag der AfD-Kandidat Robert Sesselmann im südthüringischen Kreis Sonneberg bei der Landratswahl gewonnen, obwohl eine breite demokratische Koalition die Wahl des Gegenkandidaten von der CDU empfohlen hatte. Den Weg in ein kommunales Spitzenamt hat damit erstmals ein Politiker der AfD geschafft, einer Partei, die das Bundesamt für Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ einstuft. Im jüngsten Verfassungsschutzbericht des Bundes heißt es dazu: „In Verlautbarungen der AfD und ihrer Repräsentanten kommt vielfach ein ethnisch-kulturell geprägtes Volksverständnis zum Ausdruck, welches im Widerspruch zur Offenheit des Volksbegriffs des Grundgesetzes steht.“ In Verlautbarungen der AfD finden sich demnach zahlreiche ausländer- und muslimfeindliche Positionen und Anhaltspunkte für antisemitische Positionen.

 

Der neueste Bericht der Sicherheitsbehörde erwähnt zumindest kurz auch den ländlichen Raum, und zwar im Zusammenhang mit Siedlungsbestrebungen von Rechtsextremisten. Vermehrt haben sie sich in den vergangenen Jahren um den Kauf von Grundstücken und Immobilien bemüht – vor allem in den östlichen und nördlichen Bundesländern, etwa in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Sie versuchen, einzelne Orte oder Regionen ideologisch zu prägen oder sogar zu vereinnahmen.

 

Völkische Lebensweise und „Blut-und-Boden-Ideologie“

 

Über eine Siedlung in Wienrode, ein kleines Dorf im Harz, haben in den vergangenen Jahren mehrere Medien berichtet. Der Landtag von Sachsen-Anhalt befasste sich erstmals im Mai 2019 mit dem „Weda Elysia Gärtnerhof-Kleinsiedlerprojekt“, wie die Eigenbezeichnung lautet. Damals hatte die Linkspartei eine entsprechende Anfrage gestellt. 

 

„Weda Elysia e.V.“, so ist im jetzt veröffentlichten Verfassungsschutzbericht Sachsen-Anhalts nachzulesen, ist der antisemitisch geprägten „Anastasia“-Bewegung zuzurechnen und hat enge Verbindungen zu anderen rechtsextremistischen Akteuren wie dem neonazistischen Verein „Artgemeinschaft“. Ziel der Siedler ist es demnach, auf dem Land Rückzugsräume zu schaffen, um ungestört ihre völkische Lebensweise praktizieren zu können und die Umgebung mit ihrem Gedankengut zu beeinflussen. Wenn diese Siedler vom „Deutschsein“ sprechen, verstehen sie dies im Sinne der „Blut-und-Boden“-Ideologie.

 

Ziel sind „Gemeinwohldörfer“

 

Nach außen stellen sich die Rechtsextremisten als unpolitisch dar und werben mit Selbstversorgung, ökologischem Denken und Nachhaltigkeit. Tatsächlich jedoch sind sie mit rechtsextremistischen Gruppierungen und Parteien vernetzt; Verbindungen bestehen demnach zu den „Reichsbürgern“, die sich auf ein „Deutsches Reich“ berufen und daher die Bundesrepublik Deutschland ablehnen oder zu den „Selbstverwaltern“ gehören. Sie behaupten, dass sie durch eine Erklärung aus dem Staat  austreten.

 

Die Gruppierung „Königreich Deutschland“ (KRD) ist den „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ zuzurechnen. Im Februar 2022 schloss das KRD einen Vertrag zum Kauf eines Grundstücks im sächsischen Eibenstock ab und erwarb für rund 1,3 Millionen Euro ein Schloss im Bärwalde, ebenfalls in Sachsen. Ziel ist nach der Beobachtung der Verfassungsschützer der Aufbau eines „Gemeinwohldorfes“, das seit längerem geplant ist. Das KRD wirbt nach wie vor um Einzahler für Dorfprojekte.

 

Umsturzpläne mit realer Gefahr

 

In Niedersachsen ist der Großraum Lüneburg-Uelzen-Lüchow-Dannenberg eine Schwerpunktregion für völkisch geprägte Familien, wie im neuesten Verfassungsschutzbericht des Landes nachzulesen ist. „Völkische Familien sind dort seit vielen Generationen ansässig oder haben ihren Lebensmittelpunkt in diese Region verlagert“, heißt. Schlagzeilen machte unter anderem ein Sommerlager auf dem „Immenhof“ in der Gemeinde Bispingen (Landkreis Heidekreis) und ein Sommerlager im Dorf Hützel mit ideologischer Schulung.

 

Zweifellos wäre es fahrlässig, den Rechtsextremismus auf dem Land zu verharmlosen. Das belegen neben der Wahl eines populistischen AfD-Kandidaten zum Landrat auch die im vergangenen Jahr bekannt gewordenen Umsturzpläne von Reichsbürgern.  Sie führten im Dezember 2022 zu einer Großrazzia und zahlreichen Festnahmen. Der Reichsbürger Heinrich XIII. Prinz Reuß wurde unter dem dringenden Tatverdacht verhaftet, ein Rädelsführer einer terroristischen Vereinigung zu sein. Damals zeigten sich die Sicherheitsbehörden überzeugt, dass von den Umsturzplänen eine reale Gefahr ausging.

 


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