Die Union ist zu brav, um die AfD zu bremsen

CDU und CSU fehlt ein Konzept gegen den erstarkenden Rechtspopulismus

CDU-Chef Friedrich Merz. (Foto: CDU / Tobias Koch)
CDU-Chef Friedrich Merz. (Foto: CDU / Tobias Koch)

 

Von Hugo Müller-Vogg

 

Gute Umfrageergebnisse sind nicht gleichbedeutend mit guten Wahlergebnissen. Wer aber in Umfragen schlecht abschneidet, wird an der Wahlurne wenig bewegen. So gesehen kann die in Teilen rechtsextreme AfD zurzeit hochzufrieden sein: Auch in der jüngsten Forsa-Umfrage kommt die Rechtsaußenpartei auf 19 Prozent und liegt weiterhin vor SPD (18 Prozent) und Grünen (15 Prozent).

 

Zehn Jahre nach ihrer Gründung hat sich die „Alternative“ am rechten Rand etabliert, nicht zuletzt auf Kosten der Union. Die CDU hat nämlich in der Merkel-Ära die Fähigkeit verloren, auch konservative und sehr national gesinnte Wähler noch im demokratischen Spektrum zu halten. 

 

Das Diktum von CSU-Übervater Franz Josef Strauß, rechts von der Union dürfe es keine Partei „von Relevanz“ geben, wurde unter Merkel nicht mehr ernst genommen. Als die AfD sich zu formieren begann, verkündete Merkels Generalsekretär Peter Tauber ebenso großspurig wie realitätsblind, die AfD werde wieder verschwinden wie einst die Piraten. Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall.

 

Die Union kommt nicht über die 30 Prozent – das sollte Merz zu denken geben

 

Heute ist die AfD der Nutznießer all der Fehler und Pannen der rot-grün-gelben Koalition, nicht die CDU/CSU. Die scheint irgendwie nicht über die 30 Prozent hinauszukommen; aktuell sind es bei Forsa sogar nur noch 27 Prozent. 

 

Da hilft es wenig, dass CDU-Chef Friedrich Merz stets darauf hinweist, die Union sei die mit Abstand stärkste politische Kraft. 27 oder 28 Prozent sind zu wenig angesichts der Enttäuschung der großen Mehrheit über die Leistung der sogenannten Fortschrittskoalition. Aus dem deutlichen Minus für die Ampelparteien wird bei der CDU/CSU eben nur ein kleines Plus. Der lachende Dritte ist die AfD.

 

Von den Regierungsparteien wie von vielen Medien, allen voran den öffentlich-rechtlichen Sendern, wird der Union vorgeworfen, sie sei verantwortlich für den Aufschwung der Rechtsaußen-Partei. Indem die Union nämlich die Themen von Chrupalla, Weidel, Höcke & Volksgenossen aufgreife, mache sie die AfD erst salonfähig.

 

Die drei großen Themen der AfD

 

Die AfD „lebt“ von drei großen Themen: der unverändert ungeregelten Zuwanderung mit all ihren Folgen, der Verschärfung der sozialen Lage vieler Familien durch die Inflation einschließlich der befürchteten Belastungen durch die Klimapolitik und die gesellschaftspolitischen Pläne der Ampel. Diese erwecken den Eindruck, die Anliegen ethnischer, sexueller oder sonstiger Minderheiten hätten stets Vorrang vor den Interessen der großen Mehrheit. 

 

Besonders interessant ist ein Aspekt der jüngsten Forsa-Umfrage: Ein Fünftel der Erwerbstätigen (21 Prozent) und jedes fünfte Mitglied der eher sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaften (19 Prozent) würden der AfD ihre Stimme geben. Das zeigt, dass die AfD auch in der Sozialpolitik zu punkten weiß – bei Arbeitnehmern wie bei Gewerkschaftern. Das müsste eigentlich auch der SPD zu denken geben.

 

CDU sitzt in der Merkel-Falle

 

Die Zuwanderung zu steuern, die Arbeitnehmer zu entlasten und eine Gesellschaftspolitik, die ungeachtet der Toleranz gegenüber Minderheiten die Mehrheit im Blick hat, das alles sind Kernthemen der CDU. Diese der AfD zu überlassen, nur um nicht in den Geruch des Rechtspopulismus zu kommen, wäre politischer Selbstmord.

 

Nur sitzt die Union hier eben in der Merkel-Falle. Was in den 16 Jahren unter Merkels Kanzlerschaft – davon zwölf Jahre mit der SPD als Regierungspartner – falsch gelaufen ist, ist eben ein Klotz am Bein der Union. Ohne die „Willkommenspolitik“ Merkels in der Flüchtlingskrise wäre die AfD nie so stark geworden. 

 

Merkel ist für diese Politik der offenen Tür zwar von denen gelobt worden, die niemals die CDU gewählt haben oder sie jemals wählen würden. Aber das hat, zusammen mit manchen gesellschaftspolitischen Reformen, sehr viele konservative Wähler von der CDU entfremdet. Von denen werden sich viele nicht mehr von der AfD zurückholen lassen.

 

Zwischen den „kleinen Paschas“ und den „Kopftuchmädchen“ klaffen Welten

 

Die Ratschläge aus dem linksgrünen Spektrum an die CDU lauten, sie müsse sich scharf von der AfD abgrenzen. Und sie dürfe keinesfalls deren Vokabular übernehmen. Nun bedarf die CDU keinerlei Nachhilfe in Sachen Abgrenzung. In den Ländern steht die Brandmauer nach rechts. 

 

SPD und Grüne haben hingegen keinerlei Berührungsängste gegenüber der Linkspartei alias SED. Obwohl die es noch immer nicht fertig bringt, die DDR als das zu bezeichnen, was sie war – ein Unrechtsstaat. Dass es auf kommunaler Ebene gelegentlich zur Kooperation mit der AfD kommt, konnte die CDU-Spitze nicht verhindern. Solche Fälle gibt es aber auch auf Seiten der SPD.

 

Was die sprachliche Abgrenzung angeht, so ist die CDU weit entfernt vom AfD-Jargon, der es beim Thema Flüchtlinge nicht bei rassistischen oder ausländerfeindlichen Untertönen belässt. Zwischen den „kleinen Paschas“ von Merz und den „Kopftuchmädchen, alimentierten Messermännern und sonstigen Taugenichtsen“ von Weidel klaffen Welten.

 

Allerdings kann man von der größten Oppositionspartei auch nicht erwarten, dass sie auf Missstände und Fehlentwicklungen nur im gedämpften Kammerton hinweist. Natürlich wäre der Ampel eine CDU/CSU am liebsten, die ihre Kritik nur akademisch unterkühlt vorträgt, auf dass sie in den Medien keinen Niederschlag finde. Aber so dumm darf eine Opposition nicht sein.

 

Die Union muss sich deutlicher als wahre Alternative zur Ampelpolitik darstellen

 

Man kann trefflich darüber streiten, ob es von Friedrich Merz klug war, vor fünf (!) Jahren die Halbierung der AfD anzukündigen. Aber man kann ihm und der CDU/CSU nicht vorwerfen, der AfD jetzt einen neuen Aufschwung beschert zu haben. Wenn es der Ampel offenkundig nicht gelungen ist, ihre Politik den Wählern als die richtige zu vermitteln, dann ist daran nicht die größte Oppositionspartei schuld. 

 

Wenn man der Union einen Vorwurf machen will, dann den, dass sie ihre Alternativen zur Ampelpolitik oft nicht klar genug dargestellt hat, dass sie sich zu sehr als verantwortungsvoller Partner der Regierung verstanden hat und weniger als schärfster Kritiker. 

 

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hat in diesen Tagen eingeräumt, „auch ich bin nicht zufrieden mit der Bundesregierung“. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil wiederum verkündet, „wir müssen besser werden“. Da ist es nicht verwunderlich, dass bei so viel – berechtigter – Selbstkritik der Regierenden die Wähler sich scharenweise der Opposition zuwenden. Dabei ist die AfD gegenüber der CDU/CSU im Vorteil: unbelastet von jeglicher Verantwortung für die Fehler dieser Regierung wie ihrer Vorgänger.

 


Unser Gastautor

Dr. Hugo Müller-Vogg, ehemaliger F.A.Z.-Herausgeber, zählt zu den erfahrenen Beobachtern des Berliner Politikbetriebes. Als Publizist und Autor zahlreicher Bücher analysiert und kommentiert er Politik und Gesellschaft. www.hugo-mueller-vogg.de und www.facebook.com/mueller-vogg

Hier können Sie sich für unseren wöchentlich erscheinenden Newsletter anmelden.

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Dr. Dieter Eberhard (Sonntag, 02 Juli 2023 08:49)

    Wenn Friedrich Merz so weitermacht, wird die AfD noch etwas stärker; aber die jetzige Koalition wird an der Macht bleiben, und das wäre für Deutschland schlimm genug. Die Union übt derzeit keinerlei Attraktion auf die bürgerliche Mitte aus, und die Reaktivierung des Merkel-Kurses, dem wir das derzeitige Desaster verdanken, wird die Erosion der Union nicht beenden. Die AfD als Ganzes ist auch nicht meine Wunschvorstellung; aber wen sollte man wählen, um dieses Desaster zu beenden? Da bleibt doch - für Liberale noch die FDP - im wesentlichen nur die AfD, um den dringend erforderlichen Wandel herbeizuführen. Die Union ist derzeitig nicht fähig! Wann begreifen unsere Politiker der früheren Mitte
    endlich, dass man Politik für die Mitte machen muss, wenn man Extreme von rechts, Links oder Grün in Schach halten will.

natur+mensch – der Blog ist eine Initiative der Stiftung natur+mensch

Copyright © 2023 Stiftung natur+mensch - Havixbeck - Alle Rechte vorbehalten.