Im Disput mit Wirtschaft und Landjugend

Robert Habeck geht im Norden der Rückenwind verloren

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. (Foto: Grüne im Bundestag, S. Kaminski)
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. (Foto: Grüne im Bundestag, S. Kaminski)

 

Von Jürgen Muhl

 

Der Bundeswirtschaftsminister hat den Ausbau der A 23 gestrichen. Auch die A 20 wollen die Grünen nicht. Die Kritik in Hamburg und in Schleswig-Holstein am aus Flensburg stammenden Robert Habeck nimmt zu. Auch aus den Reihen der Landjugend.

 

Die „Kieler Nachrichten“ hatten zu einer Podiumsveranstaltung mit dem grünen Wirtschaftsminister geladen. Sein Nein zum Ausbau der Autobahn A 20, die von der Westküste nach Hamburg führt, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Erst zwei Tage später verkündete Habeck diese für den Verkehr im Norden fatale Entscheidung, die auch das bislang recht gute Verhältnis zwischen ihm und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) erheblich beeinträchtigt. 

 

Im Rahmen des Kieler Treffens nahm die Vorsitzende der Landjugend Schleswig-Holstein den Minister heftig ins Visier. Jessica Bruhn will wissen, was denn das 49-Euro-Bahnticket den Menschen im ländlichen Raum bringen solle, wenn dort nur zwei- bis dreimal am Tag ein Bus in Richtung Stadt fahre. Habeck antwortet im Stile eines abgehobenen Großstädters. „Im ländlichen Raum wird es nie ein U- und S-Bahn-Netz wie in Berlin-Mitte geben." Ach was, heißt es aus dem Hintergrund. Kopfschütteln. Der Minister hält an seiner lapidaren Rhetorik fest. Die Menschen auf dem Lande seien auf ein eigenes Auto angewiesen. Etwas anderes zu behaupten, sei naiv. Schluss. Habeck weiß nicht so recht weiter. Worauf die Landjugend-Chefin enttäuscht ihr eigenes Fazit zieht. „Ich hätte mir

tiefgehendere Lösungsideen gewünscht", sagt Jessica Bruhn. 

 

Pendler stehen ständig im Stau

 

Hätte Habeck an diesem Abend sein Aus für den lange geplanten Ausbau der A 23 zwischen Tornesch und der Hansestadt verkündet, wäre der Protest  laut geworden. Jeden Tag staut sich hier der Verkehr in Richtung Hamburg über mehrere Kilometer. Betroffen sind Pendler aus Schleswig-Holstein, darunter die Fahrzeuge vieler Handwerksbetriebe. Wirtschaftsverbände fordern seit Jahren den Ausbau auf diesem Streckenabschnitt, der zum Engpass geworden ist. Was aber Habeck und seine Mitstreiter nicht anficht. Ebenso halten sie an ihrer Ablehnung zum Weiterbau der A 20 fest, die aus Mecklenburg-Vorpommern kommend eine neue Elbquerung benötigt, um den Verkehr in Richtung Süden und Westen zu ermöglichen. Auch, um den Elbtunnel zu entlasten.

 

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther zeigt sich verärgert, verschont aber bei seiner Kritik den Namen des Bundeswirtschaftsministers. „Die Bundesregierung verspielt mit dem unwürdigen Schauspiel jegliches Vertrauen in eine verlässliche Regierungsarbeit“, schimpft der CDU-Politiker und fügt hinzu: „Die Ampel arbeitet gegen die berechtigten Interessen unseres Bundeslandes.“

 

Kritik vom Unternehmensverband Nord

 

Auch der Präsident des Unternehmensverbandes Nord, Philipp Murmann, ist in

seiner Kritik kaum zu bremsen. Sein Verband vertritt mehr als 100.000 Betriebe. „Wenn beide Projekte politisch und letztlich auch juristisch zurückgestellt werden, wird die von dieser Landesregierung aufgestellte Ansiedlungsstrategie konterkariert und die Ansiedlung von Northvolt in Heide gefährdet. Wenn wir Schleswig-Holstein zu einem attraktiven klimaneutralen Industriestandort machen wollen, dürfen wir es verkehrlich nicht abkoppeln! Ansonsten wird Schleswig-Holstein seiner wichtigen Zukunfts-Chance beraubt. Der Bundeswirtschaftsminister spielt mit seinen letzten Sympathien, die hier gerade in Schleswig-Holstein deutlich vorhanden waren", wettert Murmann. Das schwedische Unternehmen Northvolt will in der Nähe von Heide im Kreis Dithmarschen eine Batteriefabrik bauen und rund 3000 Arbeitsplätze schaffen. Die endgültige Zusage aber fehlt noch. 

 

Mögliches Gegengeschäft 

 

Offenbar fährt Habeck diese Taktik, um die grüne Basis im nördlichsten Bundesland wenige Tage vor den Kommunalwahlen zu beruhigen. Seine Befürwortung zum Bau des LNG-Terminals in Brunsbüttel hatte das grüne Lager in Aufruhr versetzt. Es sei nicht auszuschließen, so wird aus CDU-Kreisen kolportiert, dass nach den Wahlen das Thema A 23 noch einmal auf den Tisch kommen könnte. Und zwar in Form eines Gegengeschäfts: Ausbau der A 23, wenn auf der A 7 zwischen Flensburg und Hamburg ein Tempolimit eingeführt werde. Auf dieser rund 170 Kilometer langen Strecke gilt weitgehend „Freie Fahrt". Was den Grünen seit jeher nicht schmeckt.

 


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