Radikale gefährden den Wohlstand

Auch Firmen aus ländlichen Regionen müssen verstärkt um Fachkräfte aus dem Ausland werben

Tim Reckmann  / pixelio.de
Foto: Tim Reckmann / pixelio.de

 

Von Jürgen Wermser

 

Mäßige Digitalisierung von Staat und Verwaltung, schlechte Internetverbindungen im ländlichen Raum, soziale Ungleichheiten und eine teilweise chaotische Flüchtlingspolitik: Es gibt viele Gründe, mit Regierungen in Bund und Länder seit längerem unzufrieden zu sein. Es ist Aufgabe der jeweiligen Opposition, diesen Unmut in der Bevölkerung aufzugreifen und bei der Erarbeitung eigener Entwürfe konstruktiv zu berücksichtigen. All dies ist ein ganz normaler Vorgang in einem parlamentarischen Regierungssystem. Doch Kritik sollte auch ihre Grenzen haben. Denn wer nur protestiert oder gar hetzt und andere als angebliche „Verräter“ verunglimpft, stellt sich ins Abseits. Und er schadet sich am Ende selbst am meisten. 

 

Insofern ist das Ergebnis bei der jüngsten Landratswahl im südthüringischen Kreis Sonneberg ein bedrückendes Alarmzeichen. Dort hat der Kandidat der AfD am Wochenende 46,7 Prozent der Stimmen erhalten. Damit liegt er elf Prozentpunkte vor dem Bewerber aus der CDU. In zwei Wochen findet eine Stichwahl statt, und es könnte gut sein, dass Deutschland dann erstmals einen AfD-Landrat bekommt.

 

Auf dem Arbeitsmarkt heiß begehrt

 

Unabhängig von der konkreten Person: das politische Signal nach außen ist fatal. Nicht nur für den betroffenen Landkreis, sondern auch für andere Teile Ostdeutschlands, in denen die AfD laut Umfragen immer mehr Zulauf erhält. Die jeweiligen Wähler der Radikalen dürfte es kaum interessieren, wenn wie jüngst der Kanzler oder auch andere Politiker der etablierten Parteien ein solches Votum kritisieren. Viele Unzufriedenen dürften sich eher in ihrem Eindruck bestärken fühlen: Die „Altparteien“ sind ja sowieso gegen uns. Doch es sollte jeden Bürger, egal welche Partei er bisher gewählt hat, nachdenklich stimmen, wenn sich Unternehmen aus ländlichen Regionen große Sorgen machen, wie in einem solchen Klima des Misstrauens und der Ressentiments junge Familien und Fachkräfte aus dem Ausland angelockt werden sollen. Denn genau diese Zielgruppe ist auch anderswo auf dem Arbeitsmarkt heiß begehrt. Dies wurde auf dem jüngsten Ostdeutschen Wirtschaftsforum im brandenburgischen Bad Saarow sehr deutlich.

 

Ein demokratisches und weltoffenes Klima ist ein äußerst wichtiger Standortfaktor, und genau diesen untergraben Menschen, die aus einem falsch verstandenen Nationalgefühl rechtsradikale Politiker in Amt und Würden bringen wollen. Sie verspielen damit die wirtschaftliche und soziale Zukunft ihrer Region. Das ist das genaue Gegenteil von Patriotismus, den sie sonst so gerne für sich reklamieren.

 

In vielen Teilen Ostdeutschlands gibt es sehr moderne Betriebe, die an der Spitze des technischen Fortschritts stehen. Das wurde auf der Ostdeutschen Wirtschaftsforum in Bad Saarow demonstriert. Doch wer ökonomisch wachsen will, braucht dafür geeignetes Personal, das nicht allein aus der Region oder im übrigen Deutschland kommen kann.

 

Schädliche Parolen aus dem braunen Milieu

 

Im Klartext: Wenn es keinen Zuzug von außen gibt, werden auch die heimischen Arbeitnehmer auf Dauer keinen sicheren Arbeitsplatz behalten. Zuwanderung von Fachkräften heißt das Stichwort. Doch wie will etwa ein Betrieb aus dem Landkreis Sonneberg oder auch aus anderen AfD-Hochburgen erfolgreich um Top-Leute etwa aus Asien werben, wenn diese in ihren heimischen Nachrichten fremdenfeindliche Schreckensnachrichten zu lesen und zu hören bekommen? Denn solche hochqualifizierten Kräfte können sich in der Regel aussuchen, in welchem Teil der Welt sie arbeiten wollen. Anders ausgedrückt. Hier findet längst ein Wettbewerb um die besten Köpfe statt, den plumpe Parolen aus dem braunen Milieu nicht sabotieren dürfen.

 

Umso wichtiger ist es, dass die demokratischen Parteien und die Unternehmen in Sachen offene Gesellschaft endlich stärker an einem politischen Strang ziehen. Auch Firmen- und Konzernchefs sollten hier im Interesse ihrer Unternehmen klarer als bisher Flagge gegen Rechts zeigen. Es gilt, gemeinsam deutlich zu machen, wie wichtig ein offenes gesellschaftliches Klima für das wirtschaftliche Wohlergehen ist - von allen anderen Aspekten einer freiheitlichen Lebensführung mal ganz zu schweigen.

 


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