Ein grünes Urgestein hinterfragt die Wolfspolitik

Die Tierschutzpräsidentin sieht das Rotwild in den Alpen durch die Verweigerung des Bundes beim Raubtier-Management bedroht

Ein Wolf (Foto: Dieter Schütz / pixelio.de)
Ein Wolf (Foto: Dieter Schütz / pixelio.de)

 

Von Michael Lehner

 

Während sich die Bundesumweltministerin den Beschlüssen des EU-Parlaments für einen realistischen Umgang mit dem Wolf verweigert, wächst der Druck aus ihrer Partei. Im Alpenraum fordern immer mehr Grüne, den bedingungslosen Artenschutz zu lockern. Zu viele Wölfe, heißt es dort, seien eine Bedrohung für alpine Lebensräume und sogar eine Gefahr für den Bergwald.

 

Bergsteiger-Legende Reinhold Messner, langjähriger EU-Abgeordneter der Grünen, findet schon lange klare Worte für die Raubtier-Euphorie der Szene. Nun hat sich auch eine prominente Partei-Kollegin aus Bayern unmissverständlich zu Wort gemeldet: Die Tierschützerin Tessy Lödermann aus Garmisch-Partenkirchen sieht im Wolf eine Gefahr für die letzten Rotwild-Reservate in den Alpen. Obwohl es nach Ansicht mancher Verbände dort noch viel mehr Wölfe geben sollte, wagen sich die Hirsche nicht mehr an die Futterstellen, die bisher ihr Überleben im Winter sichern.

 

„Damit wird das ganze Fütterungskonzept infrage gestellt“, zitiert der Münchner Merkur die Vizepräsidentin des Deutschen Tierschutzbundes, die als Gründungsmitglied der Grünen viele Jahre im bayerischen Landtag „grüne“ Politik mit Bodenhaftung prägte. Auch als Stellvertreterin des Garmischer Landrats hat sich die Bauerntochter Lödermann einen Namen gemacht mit ihrem Engagement für das Miteinander von Landwirtschaft und Naturschutz in der Bergregion.

 

Nun wagt die ebenso resolute wie zierliche Fachfrau offene Kritik am Raubtier-Kurs ihrer Bundes-Partei. Die gesamte Rotwild-Politik, die Bayerns größtes Wildtier nur auf 14 Prozent der Landesfläche duldet, werde mit der wachsenden Wolfspopulation fragwürdig. Zumal im Winter, wenn die Hirsche vielerorts in Gatter eingepfercht werden, damit sie keine Bäume verbeißen. Mit dem Ergebnis, dass die Wölfe schnell herausfinden, wo sie leichte Beute machen können.

 

Wölfe warten an den Fütterungen auf leichte Beute

 

Das Rotwild, berichtet Tessy Lödermann nach ausführlichen Gesprächen und Ortsterminen mit Förstern und Jägern, kommt nur noch zu den Futterplätzen, wenn Menschen in der Nähe sind. Und selbst dann nähern sich die Wölfe bis auf 30 Meter. Sie warten, bis der Futter-Transport beendet ist und die Hirsche wieder sich selbst überlassen sind. Die Forderung der Grünen-Fachfrau: Das Rotwild braucht wieder mehr natürlichen Lebensraum, um mit dem Wolf zu überleben.

 

Wo sie natürlich leben dürfen, suchen Hirsche ihre Nahrung im Grünland der Täler. Der Verbiss in den Gebirgswäldern ist auch Folge eines Managements, das die Tiere förmlich ins Gebirge verdrängt hat. Weil ihnen jene Freizügigkeit nicht zugestanden wird, die viele Naturschutz-Verbände und viele Grüne für den Wolf reklamieren.

 

Grüne in Bayern geben dem Herdenschutz Vorrang

 

Zumindest die Spitze der bayerischen Grünen musste solche Positionen nach heftiger Kritik aus der alpinen Partei-Basis räumen. Die Partei zieht nun mit dem Beschluss in den Landtagswahlkampf, dass Abschüsse dort möglich sein sollen, wo Herdenschutz mit Zäunen und Hunden nicht möglich ist. Also praktisch auf allen Bergweiden des Alpenraums. Die Kehrtwende ist auch der Einsicht geschuldet, dass ohne Almwirtschaft die Artenvielfalt in Gefahr kommt und über Jahrtausende gewachsene Kulturlandschaft verschwindet.

 

Bei Bundesumweltministerin Steffi Lemke scheint der Stimmungswandel allerdings (noch?) nicht angekommen. Nachdem die EU-Kommission signalisierte, dass Abschüsse möglich wären, wenn die Bundesregierung den „Günstigen Erhaltungszustand“ der Raubtiere nach Brüssel meldet, wird in Berlin um den heißen Brei geredet. Zu ihrem jüngsten „Wolfsgipfel“ hat die Ministerin zwar Tierrechtsaktivisten eingeladen, aber nicht den Deutschen Jagdverband, der seit Jahren auf die Ungleichbehandlung zwischen Wölfen und den übrigen Wildtieren verweist. 

 

Noch gibt es Grüne, die sich den Vorwurf nicht gefallen lassen müssen, auf einem Auge blind zu sein: So marschierte Tessy Lödermann im Februar 2020 an der Spitze des Protestes, als Staatsförster im benachbarten Tirol ein Rotwild-Massaker in einem Wintergatter auf Gemarkung der Gemeinde Kaisers anrichteten. In Garmisch klappt so auch das Miteinander von Jägern, Bauern und Tierschützern. Dass die Grünen-Politikerin einem der erfolgreichsten Tierschutzvereine der Republik vorsteht, ist wohl kein Wunder, sondern vorurteilsfreiem Sachverstand geschuldet.

 


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