Raus aus der digitalen Randlage?

Selbst weit abgelegene Höfe und Häuser sollen einen Glasfaseranschluss erhalten. Das sieht zumindest eine neue Gigabit-Richtlinie des Bundes vor

Vielerorts auf dem Land fehlt noch der Zugang zum schnellen Internet. (Foto: Tim Reckmann / pixelio.de)
Vielerorts auf dem Land fehlt noch der Zugang zum schnellen Internet. (Foto: Tim Reckmann / pixelio.de)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Der ländliche Raum ist beim Ausbau der digitalen Infrastruktur vielerorts das Stiefkind. Während in den Städten die Daten dank wachsender Glasfasernetze immer schneller fließen, nervt die Menschen in der Region oft ein Internet mit langen Ladezeiten, ruckelnden Bildern und verzerrten Tönen. Das Lichtleitergeflecht wächst zwar nach und nach auch in kleineren Gemeinden, doch wer mehr als 400 Trassenmeter vom letzten Glasfaser-Anschlusspunkt entfernt wohnt, hatte bisher kaum eine Chance, ans Hochgeschwindigkeitsnetz angeschlossen zu werden. Zum einen war so ein Projekt für private Anbieter nicht lukrativ, zum anderen war die öffentliche Förderung ausgeschlossen.

 

Zumindest das Ausschlusskriterium – im Behörden- und Juristendeutsch „Aufgreifschwelle“ genannt – gehört der Vergangenheit an. Laut der Anfang April vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr verkündeten Gigabit-Förderung sollen beim staatlich unterstützten Breitbandausbau ausdrücklich auch abgelegene Höfe und Häuser mitversorgt werden. Im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft frohlockte man bereits wegen der neuen Regelungen in den Fördergebieten über einen „Internet-Booster für den ländlichen Raum“. Die Lebensverhältnisse der Stadt- und Landbevölkerung würden weiter angeglichen.

 

Fraglos gehört eine zeitgemäße digitale Anbindung in der datengetriebenen und vernetzten Welt von heute zu den Grundvoraussetzungen für die Teilnahme am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Geschehen. Moderne Landwirtschaft ist zum Beispiel ohne Datenkommunikation und -auswertung kaum denkbar. Und schaut man sich die telemedizinischen Ideen im Gesundheitssektor an, wird schnell klar, dass man gerade auf dem Land auf das schnelle Datennetz pochen sollte. 

 

Fördern, wo es „sinnvoll und notwendig“ ist

 

Die neue Förderrichtlinie, die jetzt veröffentlicht wurde, sorgt aber nicht nur für Freude, sondern in vielen Rathäusern, kommunalen Unternehmen und in der Telekommunikationsbranche vor allem für rauchende Köpfe. Das alte Windhund-Prinzip, bei dem sich vor allem der Schnellste Fördermillionen sichern konnte, wurde beerdigt. Jetzt spielt zuvorderst es eine Rolle, ob eine Region anteilsmäßig viele unterversorgte Gebiete benennen kann. Helfen soll bei der Bewertung unter anderem eine sogenannte Potenzialanalyse, bei der man vor Ort ermitteln soll, inwieweit auch private Investoren beim Ausbau mitwirken können und wollen. Auf diesem Weg will man im Wissing-Ministerium dafür sorgen, dass das öffentliche Geld vor allem dorthin fließt, wo die Förderung sinnvoll und notwendig ist. Immerhin stehen in diesem und in den kommenden Jahren jeweils rund drei Milliarden Euro Bundesmittel bereit. 

 

Ob das Geld aus Berlin rasch zu Investitionen vor Ort führen wird, muss man allerdings abwarten. Denn wer Fördermittel aus dem Steuertopf für den Breitbandausbau abrufen will, muss Branchendialoge sowie aufwendige Markterkundungsverfahren durchführen und sogenannte Vorvermarktungsquoten ermitteln. Schon jetzt bieten Akademien Seminare für Fach- und Führungskräfte kommunaler Unternehmen an, damit diese sich mit der neuen Gigabit-Richtlinie des Bundes vertraut machen können. Der Booster wird also so rasch nicht wirken, denn die ersten Monate des Jahres sind bereits verstrichen. 

 

Branchenverband Bitkom übt Kritik

 

Und das gesamte Förderverfahren, so beklagte zuletzt der Branchenverband Bitkom, binde Personal. Das kümmere sich womöglich zu intensiv um vage Förderprojekte und stelle die mit Privatmitteln rasch durchführbaren Maßnahmen zurück. Die meisten Glasfaser-Anschlüsse, so betonte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder, seien in den zurückliegenden Jahren ohne Steuergelder verwirklicht worden. Zuviel staatliches Geld führe angesichts der knappen Bau- und Planungskapazitäten nicht automatisch zu einem schnelleren Ausbau.

 


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