Etatberatungen sind entscheidend

Die staatlich verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung ist beschlossene Sache. Erreicht ist damit aber noch nicht viel

Foto: Andreas Hermsdorf / pixelio.de
Foto: Andreas Hermsdorf / pixelio.de

 

Von Wolfgang Kleideiter

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft steht im Wort. Bei der Transformation hin zu mehr Tierschutz sowie Umwelt- und Klimaschutz will es die Höfe „begleiten und unterstützen“. Klingt gut, bedeutet aber nicht, dass man die daraus ergebenden Maßnahmen heute schon in Cent und Euro beziffern könnte.

 

Die Ampel-Koalition hat für die vier Jahre bis 2026 eine Milliarde Euro in den Topf getan, doch der Betrag kann allenfalls eine Anschubfinanzierung darstellen. Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, besser bekannt als Borchert-Kommission, hat ausgerechnet, dass die Milliarde nicht einmal den jährlichen Finanzbedarf im Schweinesektor abgedeckt. Wer Tierwohl will, muss also über ganz andere Summen und auch über eine Verbrauchssteuer reden – eventuell eine Tierwohlabgabe pro Kilogramm Fleisch. 

 

Monatelang hatte die breit aufgestellte Borchert-Kommission aus Unzufriedenheit über den Umgang der Regierung mit den zahlreichen durchdachten Empfehlungen ihre Arbeit ruhen lassen. An manchen Äußerungen von Kommissionsmitgliedern wurde zwischenzeitlich festgemacht, dass das Kompetenznetzwerk sich bald auflösen könnte.  Doch Anfang Juni hat sich die Kommission, die vom früheren Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert mit Erfahrung und Einblick ins politische Geschehen geleitet wird, wieder zurückgemeldet. Und dies mit einer sehr deutlichen Ansage: Die anstehenden Haushaltsberatungen 2024 beim Bund müssen Klarheit bringen. Sollte es bei der bisher unzulänglichen Finanzausstattung und der fehlenden Verlässlichkeit der Zahlungen bleiben, werde die Kommission ihre Arbeit definitiv beenden.

 

Für langfristige Verträge

 

Das entsprechende Statement des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung, das diesem Blog vorliegt, enthält unter dem Punkt Handlungsbedarf vier zentrale Forderungen. Mit Nachdruck wird darauf hingewiesen, dass die landwirtschaftlichen Betriebe, die ihre Tierhaltung umstellen wollen, unbedingt langfristige Verträge benötigen – am besten für volle zehn Jahre. Die Bundesregierung soll sich gleichzeitig auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass staatliche Zahlungen auch für die Einhaltung von Tierwohlstandards gewährt werden dürfen, wenn diese deutlich über EU-Niveau liegen. Parallel müssen aus Sicht der Kommission ausreichend Mittel für Folgejahre im Haushalt verankert werden. Und Bundestag und Bundesrat sollten jetzt entscheiden, ob man über Umsatz- oder Verbrauchssteuer Mittel für den Umbau der Nutztierhaltung gewinnt.

 

In einem Gespräch mit der auf Agrarnachrichten spezialisierten Presseagentur Agra Europe erklärte Jochen Borchert vor wenigen Tagen, dass er auf einen Konsens in der Ampel-Koalition hofft. „Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass die Finanzierung im Zuge der Haushaltsberatungen gelingen kann“, erklärte er. Die Kommission werde mithelfen, den Einstieg in eine gesicherte und langfristige Tierwohl-Prämie zu schaffen. 

 

„Wir muten Landwirten erhebliche unternehmerische Risiken zu“

 

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ist laut Jochen Borchert daran interessiert, die Transformation so zu gestalten, dass sie möglich wird. Ihm sollte eine Mehrheit im Bundestag die Genehmigung erteilen, dass der Bund langfristige Verträge mit den Landwirten zum Umbau ihrer Tierhaltung abschließen kann. Borchert: „Wie die Verträge finanziert werden, kann dann in einem weiteren Schritt entschieden werden.“ Der Kommissionschef verwies im Interview auch darauf, dass die Bauern bei Einführung der Tierwohlprämie einen beträchtlichen Teil der Kosten selbst tragen müssen. „Wir sind weit entfernt von einer Vollkaskomentalität, sondern muten den Landwirten mit unseren Vorschlägen erhebliche unternehmerische Risiken zu“, stellte Borchert klar. 

 


Lesen Sie auch:

Borchert: Finanzierung bleibt die entscheidende Frage – Interview mit dem Vorsitzenden der Kommission zum Umbau der Nutztierhaltung (Teil 1)

Borchert: Ich verstehe den Unmut der Bauern – Interview mit dem Vorsitzenden der Kommission zum Umbau der Nutztierhaltung (Teil 2)

 

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