Der längste Absenktunnel führt nach Dänemark

Von der dänischen Insel Lolland bis nach Puttgarden auf Fehmarn entsteht ein Mammut-Tunnel unter dem Fehmarnbelt

Die deutsche Baustelle auf der Insel Fehmarn. Bei Puttgarden laufen die Arbeiten am deutschen Portal und am Arbeitshafen. (Quelle: Femern A/S)
Die deutsche Baustelle auf der Insel Fehmarn. Bei Puttgarden laufen die Arbeiten am deutschen Portal und am Arbeitshafen. (Quelle: Femern A/S)

 

Von Jürgen Muhl

 

Im dänischen Røedbyhavn sind im Ansatz bereits die Dimensionen zu erkennen, in denen eine neue Verkehrsverbindung zwischen Skandinavien und Deutschland entsteht. Ab 2029 sollen hier in und aus Richtung Norden Züge, Pkw und Lkw nicht mehr auf Fähren verladen werden, sondern zügig durch einen Tunnel gigantischen Ausmaßes rollen. Das Tunnelprojekt ist seit Beginn der Planung umstritten. Es wurde, wie eine Kalkulation im Jahr 2015 ergeben hat, mit einem Volumen von über acht Milliarden Euro dann doch auf den Weg gebracht. Erfahrungsgemäß kommt im Investitionsvolumen noch einiges hinzu.

 

Das Projekt ist inzwischen mit dänischem Elan auf gutem Wege, während eingetretene Verzögerungen im Plan- und Baufortschritt auf deutscher Seite zu verorten sind. Erst vor einem Jahr gab das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig für die Bundesrepublik grünes Licht, indem alle Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss abgewiesen wurden. Das Projekt geht zurück auf einen Staatsvertrag, der bereits 2008 zwischen Dänemark und Deutschland abgeschlossen und ein Jahr später unterzeichnet wurde. Er bildet die Grundlage dieses deutsch-dänischen Projekts, in dem inzwischen die Nachbarn im Norden eine dominante Rolle spielen.

 

Da es in Deutschland neben den zivilen und kommunalen Klägern auch politische Widerstände gegen den Tunnelbau gab – vor allem vom SPD-geführten Bundesland Mecklenburg-Vorpommern – hielt sich die damalige Bundesregierung gegen die dänische Übermacht vornehm zurück. Berlin wollte die neue Anbindung und forcierte das Projekt zusammen mit dem damaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU). Eine Finanzierung über 30 Jahre aber – wie sie im Königreich ohne weiteres möglich ist – hätte in Deutschland Probleme bereitet. Insofern war man in Berlin über die Nebenrolle nicht traurig.

 

Bundesverwaltungsgericht musste entscheiden

 

Mit der Investition von nur (in Relation zu den Gesamtkosten) einer Milliarde Euro werden neue Straßen- und Gleisanbindungen auf deutscher Seite finanziert. Zu den

Klägern in Leipzig gehörte überraschenderweise auch die Gemeinde Fehmarn, die sich kaum Vorteile von dem Projekt verspricht. Diese Haltung führt in weiten Teilen des zuständigen Kreises Ostholstein zu erheblichen Diskussionen. In Nachbarstädten auf dem Festland wie Heiligenhafen erwartet man sehr wohl positive Auswirkungen im Bereich des Tourismus. So wie auf der dänischen Insel Lolland, wo schon jetzt neue Urlaubsgebiete ausgewiesen werden.

 

Auf der dänischen Seite herrscht inzwischen Hochbetrieb auf der Baustelle. Im

Hafengebiet von Røedbyhavn arbeiten rund 1.200 Beschäftigte Tag und Nacht. In zwei Jahren sollen es an die 4.000 Menschen sein, die durch ihre Mitarbeit an diesem Großprojekt gutes Geld verdienen. Auf der deutschen Seite arbeiten gegenwärtig gerade einmal rund 100 Beschäftigte.

 

Die Dänen haben den Hut auf

 

Die Dänen haben bei dem überdimensionalen Tunnelprojekt eindeutig den Hut auf. So wurden die notwendigen Kredite durch dänische Staatsgarantien abgesichert. Die Refinanzierung erfolgt durch Mautgebühren der Kraftfahrzeuge und Entgelte der

Eisenbahnen. Die Rückzahlungszeit wird mit 28 Jahren prognostiziert.

 

Der Tunnelgraben wird 18 Kilometer lang, 39 Meter tief und 100 Meter breit. Dabei entstehen vier Spuren Autobahn, je zwei in einer Fahrtrichtung. Dazu kommt eine elektrifizierte Eisenbahnstrecke – zwei Gleise in separaten Röhren. Die Inbetriebnahme ist für 2029 geplant. Nicht später, da sind sich die Offiziellen des dänischen Betreiberunternehmens „Femern Sund-Bælt“ sicher. Die Reisezeiten werden kräftig reduziert: sieben Minuten mit dem Zug bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h, zehn mit dem Auto bei einem Tempo von 110 km/h. Im Vergleich dauert heute die Überfahrt mit der Fähre 45 Minuten. Mit der Bahn geht es dann in zweieinhalb Stunden von Hamburg nach Kopenhagen, derzeit sind es fünf Stunden.

 

Baustelle der Superlative im Røedbyhavn

 

Rund 19 Millionen Kubikmeter Erde werden ausgehoben und wiederverwertet. Vor der Küste Lollands entstehen aus dieser Landgewinnung rund 300 Hektar Natur- und Erholungsgebiete. 79 Standard-Tunnelelemente werden auf der dänischen Seite produziert, je 217 Meter lang und insgesamt 73 000 Tonnen schwer. Die derzeit im Bau befindliche Fabrik für die Tunnelelemente inklusive Produktionsanlagen und Arbeitshafen brauchen Platz: Rund 220 Hektar, was 310 Fußballfeldern entspricht. Das ist die Gesamtgröße der Baustelle der Superlative im Røedbyhavn: Fabrik neben Fabrik entsteht mit ihren Beton- und Stahlwerken praktisch in einer eigenen Tunnelstadt. So entspricht die zu verbauende Stahlmenge im Tunnel 50 Eiffeltürmen. Hotels werden angemietet, um Beschäftigte unterzubringen. Personal-Probleme gibt es nicht. Es handelt sich um gut dotierte Arbeitsplätze, die hauptsächlich Skandinavier besetzen.

 

Durch das Bauvorhaben zwischen Lolland und Fehmarn entsteht der weltweit längste Absenktunnel und der längste kombinierte Tunnel für Straße und Schiene. Die dänische Region boomt. Er wird eine Lücke im Schienennetz zwischen Mitteleuropa und Skandinavien schließen.

 

Auch der ländliche Raum profitiert von dem Projekt

 

Von dem Projekt profitiert auch der ländliche Raum in beiden Ländern. Zahlreiche

Städte und Dörfer werden durch neue Zufahrtsstraßen, die zum Tunnel führen, vom Lkw-Verkehr befreit. Und für die überlastete Autobahn A7 in Richtung der Großen-Belt-Brücke, von Jütland aus zwischen den Inseln Fünen und Seeland mit dem staureichen Grenzübergang bei Flensburg, erhofft man sich eine entspannende Wirkung.

 

Der Terminplan soll exakt eingehalten werden. Schon für Ende 2027 ist die Gesamtfertigstellung terminiert. Dann soll bis im Sommer 2029 eine Testphase von anderthalb Jahren folgen. Das ist der Zeitpunkt, ab dem der Straßen- und Schienenverkehr durch den Tunnel vollends und reibungslos funktionieren soll. Auf dänischer Seite ist man sich ziemlich sicher, diese Daten einzuhalten. Jedenfalls sollen sich so spätestens 2030 das Festland-Europa und Skandinavien ein gutes Stück nähergekommen sein.  

 


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