Staus nach Norden: Verstopfung eines Bundeslandes

Zwei bis drei Stunden Wartezeit sind in diesem Sommer bei der Einreise nach Dänemark keine Seltenheit

Stau auf einer Autobahn. (Symbolbild: Gerhard)
Stau auf einer Autobahn. (Symbolbild: Gerhard)

 

Von Jürgen Muhl

 

Die Zunahme des Reiseverkehrs in Richtung Dänemark und in die beiden Küstenregionen an Nord- und Ostsee hat ihren Preis: Besonders an den Wochenenden geht nicht mehr viel im nördlichsten Bundesland. Die Urlauber müssen Geduld mitbringen, um ans Ziel zu kommen. Dies gilt insbesondere für jene Touristen, die über die A7 in Richtung Skandinavien wollen. Es ist die längste deutsche Autobahn mit 962,2 Kilometer vom bayerischen Füssen bis zur dänischen Grenze, wo vor der Grenze lange Staus an der Tagesordnung sind. Der Verkehr im Norden und in diese Richtung wird zeitweise praktisch lahmgelegt. Zum Bettenwechsel am Samstag wächst der gefühlt ständige Stau auch für Sylt-Urlauber zum Alptraum.

 

Die Verstopfung beginnt teilweise auf der A1 vor Bremen über das Hamburger Nadelöhr Elbtunnel mit anschließender Großbaustelle und reicht über die Rader Hochbrücke und nimmt in der Regel 30 Kilometer vor der Grenze ab Schleswig dramatische Dimensionen an. Zwei bis drei Stunden Wartezeit können es werden, wenn die dänischen Grenzkontrolleure in aller Seelenruhe ihrer Arbeit nachgehen. Dies gilt für alle Grenzübergänge und nicht nur für den Hauptverkehr, der kurz hinter Flensburg ins Stocken gerät.

 

Ungewöhnlich scharfe Kontrollen innerhalb der EU

 

Für die ungewöhnlich scharfen Kontrollen, häufig mit der Aufforderung, doch das Fahrzeug zu verlassen, gibt es keine Erklärungen. Hat es doch seit Jahren keinen Terroristenalarm in der Grenzregion mehr gegeben. Allerdings müssen sich auch dänische Staatsbürger, die aus Deutschland kommend in ihre Heimat reisen möchten, häufig strenge Überprüfungen ihrer Ladungen gefallen lassen. So dürfen sie nur bestimmte Mengen an Alkohol importieren. So mancher Däne schafft es derzeit nicht, seine Bierkisten in die Heimat zu schmuggeln. Politischen Protest gegen die dänische Willkür gibt es reichlich.

 

So befürwortet der schleswig-holsteinische Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos), der über die dänische Staatsbürgerschaft verfügt, eine Neuregelung der dänischen Grenzkontrollen. „Ich selbst war am Wochenende in Dänemark und musste an der Grenze Schlange stehen“, sagte der Däne in einem Interview mit Danmarks Radio. Es sei sehr unglücklich, wenn dort Pendler und Urlauber täglich unnötig ihre Zeit „verplempern“.

 

Mehrheit der Dänen für Grenzkontrollen

 

Er wisse sehr wohl, dass eine Mehrheit der dänischen Bevölkerung Grenzkontrollen befürworte, sagte Madsen. Es sei aus seiner Sicht aber an der Zeit, ernsthaft eine Diskussion über ein anderes System zu führen. Vielleicht könnte man mehr Spuren freigeben oder genauer prüfen, wen man wie herausholen möchte, wenn Dänemark an Kontrollen festhalten will. Kürzlich hatte der schleswig-holsteinische Europaabgeordnete Rasmus Andresen (Grüne) die Beendigung der Kontrollen an der dänisch-deutschen Grenze und ein Einschreiten der EU-Kommission verlangt. Reaktionen darauf gibt es aus dem Nachbarland nicht.

 

Nicht nur Grenzreisende sind betroffen, sondern der gesamte Autoverkehr, der im Osten Schleswig-Holsteins über den Nord-Ostsee-Kanal führt. Die im Jahr 1972 eröffnete vierspurige Rader Brücke weist Beton-Bruchstellen auf und lässt nur reduzierte Geschwindigkeiten zu. Bis zur Fertigstellung des Neubaus werden sechs bis acht Jahre vergehen. Dabei gibt es Experten, die nicht daran glauben, dass das 50 Jahre alte Brückenbauwerk so lange halten wird. Und wer im Westen des Landes auf eine Nordfriesische Insel möchte, hat es auf der Bundesstraße 5 zwischen Husum und Niebüll mit über 10 Ortsdurchfahrten zu tun, dazu kommt ein ausgeprägter landwirtschaftlicher Verkehr, der kein zügiges Fahren zulässt. Autoschlangen gehören ebenso zum Bild wie die weidenden Rinder und Schafe auf beiden Seiten der B5. An Umgehungsstraßen in dieser beliebten Urlauberregion wird seit 20 Jahren geplant. Und dies bei einer Reihe von Einsprüchen und Bürgerbegehren.

 

Schleswig-Holstein steht unter Druck, verkehrspolitisch zu handeln. Andernfalls müsste das Land um seine führende Position als Urlaubsland bangen. Der Däne Madsen, der Schleswig-Holstein als Verkehrs- und Wirtschaftsminister voranbringen soll, hat reichlich Arbeit vor sich.

 


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