Aus dem Reich der Fantasie

Innenministerin Nancy Faeser zaubert einen Vorschlag aus dem Hut, der bei Ehrenamtlern falsche Erwartungen weckt und die Kassenlage ignoriert

Rentner und Rentnerin auf einer Parkbank. (Symbolbild: Bruno /Germany)
Rentner und Rentnerin auf einer Parkbank. (Symbolbild: Bruno /Germany)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Über 30 Millionen Menschen in Deutschland engagieren sich ehrenamtlich. Sie dürften aufgehorcht haben, als ein Mitglied des Scholz-Kabinetts vor wenigen Tagen den Präsentkorb auspackte. SPD-Innen- und Heimatministerin Faeser, qua Position auch für das Ehrenamt im Land zuständig, schlug ernsthaft vor, ehrenamtlich und bürgerschaftlich Engagierte mit einem früheren Renteneintritt zu belohnen. Die Rede war von einem Jahr. Vor dem Hintergrund neuer Debatten über eine generell längere Lebensarbeitszeit geradezu ein Heilsversprechen für Abermillionen.

 

Aber mehr auch nicht. Nancy Faeser kann sich nur im Reich der Fantasie befunden haben, als sie bei der Suche nach einem Bonus für das unentgeltliche geleistete Ehrenamt ausgerechnet die umlagefinanzierte gesetzliche Rente ins Spiel brachte. Während sich die Kabinettskollegen Lindner und Heil den Kopf zerbrechen, wie das wohl zentralste Versorgungssystem überhaupt unfallfrei durch die teuren Babyboomer-Jahre geführt werden kann, lastet die Innenministerin der Rentenkasse eine neue Aufgabe auf. Gut, dass die Ampel-Koalition den Vorschlag der Ministerin nach wenigen Tagen mit unterschiedlichen Argumenten zurückholte und auf Rot stellte.

 

Belohnung ja, aber keine neue Lasten im Rentensystem

 

Man mag sich so eine Belohnung via Rente wünschen, denn ohne das ehrenamtliche Engagement würde die Gesellschaft auf Feldern wie Soziales oder Sport in Stadt und Land nicht funktionieren. Doch die Idee, neben möglichen Ehrenamts- oder Übungsleiterpauschalen einen weiteren Anreiz zu schaffen, sollte zumindest eine realistische Basis haben. Das Rentensystem braucht keine neuen Belastungen, sondern eine in die Zukunft weisende kluge Reform.

 

Der Faeser-Vorstoß zeigt, dass die Ampel-Parteien bei ihren rentenpolitischen Plänen die Hausaufgaben noch vor sich haben und nicht im Gleichschritt unterwegs sind. Zwar wird im Koalitionsvortrag eine nachhaltige Rentenpolitik versprochen, doch an klaren Schritten, die die Belastungen der demografischen Entwicklung berücksichtigen, mangelt es noch. Ganz zu schweigen von dem Querschuss aus dem Heimatministerium.

 

Die Rente wird finanziell absehbar weiter unter Druck geraten. Die Versicherungsbeiträge will man politisch nicht anfassen, doch gleichzeitig wird die Zahl der Rentenbezieher von Jahr zu Jahr steigen. Und die hatten gerade in den zurückliegenden Jahren aufgrund des Dauer-Niedrigzinses nur wenige Möglichkeiten, etwas für die eigene Altersvorsorge zu tun. Und sie erwartet eine Rente, die nicht nur später zugeteilt wird, sondern gleichzeitig einem immer höheren Besteuerungswert unterliegt.

 

Das Thema Rente als zentrale soziale Frage

 

Die Rentenfrage wird zu einer zentralen sozialen Frage, die viel Sprengstoff birgt. Auch die Union muss intern zu geeigneten Regelungen kommen. Mittelstand und CDA liegen mit ihren Vorstellungen zurzeit noch weit auseinander.

 

Die Ampel setzt auf das Mittel der Kapitaldeckung. SPD, Grüne und FDP wollen den Schritt wagen und zunächst mit zehn Milliarden Euro des Bundes einen Kapitalstock aufbauen. Später könnten auch Beiträge der Versicherten in diesen Finanztopf fließen. Doch das Problem ist damit nicht gelöst. Denn es dauert lange, bis sich aus so einem Fonds Überschüsse generieren lassen, die der Rente nachhaltig zugutekommen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat in einem aktuellen Gutachten anhand zurückliegender Eckwerte einen Kapitalstock von bis zu 650 Milliarden Euro errechnet. Kaum vorstellbar, dass man dies ohne Steuererhöhungen schaffen kann. Dass man im Innen- und Heimatministerium derartige Debatten ignoriert und politisch auf die Rentenkasse zugreift, ist irritierend. 

 


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