Urlauber zeigen Sylt die gelbe Karte

Was ist auf der teuersten Insel Deutschlands los?

Leere Strandkörbe an einem Strand auf der Insel Sylt. (Symbolbild: TomCam)
Leere Strandkörbe an einem Strand auf der Insel Sylt. (Symbolbild: TomCam)

 

Von Jürgen Muhl

 

Der Urlauberboom auf der deutschen Trauminsel legt in diesem Sommer eine Pause ein. Noch gibt es keine offiziellen Zahlen, aber es ist unübersehbar: So viel Platz hat es auf der Insel der Schönen und Reichen, wie es im Boulevard heißt, seit über 40 Jahren nicht mehr gegeben. Das wird zwar von den Sylter Touristen, die auch in diesem Jahr gekommen sind, als angenehm empfunden, doch in der Gastronomie und bei den Hotels wird schon nach den Gründen für diese auffällige Entwicklung in diesem Sommer gesucht.  

 

Aufmerksame Beobachter registrieren erste Reaktionen: An den Stränden herrscht kaum Hektik oder Platzangst. Mancher Gast wird schon nachdenklich, wenn sich im Restaurant der Preis für die Seezunge der 100- Euro-Grenze nähert. Weniger Gäste, weniger Umsatz – trotzdem präsentiert sich Sylt auch von der angenehmen Seite. Es geht schon fast gemütlich zu. Die "Sansibar", das zwischen Rantum und Hörnum mitten in den Dünen gelegene Promi-Lokal, kennt dagegen keine Einbußen. Die Holzhütte, in der Finanzminister Lindner vor kurzem seine Hochzeit gefeiert hat, ist jeden Tag rappelvoll. Wer keinen Tisch weit im Voraus gebucht hat, geht leer aus. Herbert Secklers Sansibar-Konzept funktioniert auch in dieser schwierigen Zeit.

 

„Uns Syltern ist die Insel entglitten“

 

Was ist auf der teuersten Insel Deutschlands los, wo die Immobilienpreise unaufhaltsam weiter steigen? Die durchschnittliche Kaufpreisspanne für Ferienwohnungen liegt zwischen 10.000 und 25.000 Euro pro Quadratmeter. Der Hobokenweg in Kampen, an dem auch Fußballtrainer Jürgen Klopp sein Anwesen hat, gilt als die teuerste Straße Deutschlands. Der "Spiegel" zitiert in seiner aktuellen Titelgeschichte Einheimische, die von einem "mafiösen Netzwerk" sprechen. Gemeint sind einige der rund 200 Makler, die auf der Insel tätig sind und hier und da die Preise treiben. "Uns Syltern ist die Insel entglitten", sagt ein Sylter Geschäftsmann. Offenbar hätte man diese Geschäfte lieber selbst gemacht und nicht in andere Hände geben sollen.

 

Nicht einmal mehr als eine Handvoll Landwirte gehen zwischen Westerland und Morsum im Osten des Eilands noch ihrem erlernten Beruf nach. Sylt kann sich längst nicht mehr selbst ernähren, wie es noch in den sechziger Jahren der Fall war. Und fast alle machen mit. Erst jüngst verkaufte die Familie eines bekannten Lokalpolitikers mitten in Westerland ein derart enges Grundstück, auf dem sich kaum jemand einen Hotel-Neubau vorstellen konnte. Gerade einmal 12 Meter breit ist die Fläche. Natürlich griff ein Sylter Immobilienhai zu und baute in dieser Gasse, die unweit des Strandes liegt, eine Luxusherberge im Schmalgang. Warum die Sylter Behörden und das Kreisbauamt in Husum dies zuließen, bleibt schleierhaft. Die Frage, ob untereinander gemauschelt wird, hat in den Friesenstuben Hochkonjunktur.

 

Es gibt kaum noch Insulaner für das Ehrenamt

 

Silke von Bremen, Autorin und Fremdenführerin auf der Insel, schildert im Spiegel die Immobilien-Ausmaße drastisch: "Viele plündern munter unser Sylter Sparbuch, Forderungen wie Gemeinwohl kommen in deren Kosmos gar nicht vor." Die Folge: Es gebe kaum noch Insulaner für das Ehrenamt und die politische Arbeit. 

 

In List entsteht derzeit auf einem ehemaligen Bundeswehrgelände mit dem "Dünenpark" auf 18 Hektar das größte Bauvorhaben in der Geschichte Sylts. Dem Kieler Investor ist allerdings die Auflage erteilt worden, weitgehend für den Eigenbedarf von Syltern zu bauen. Sollten Nicht-Sylter diese Häuser erwerben, dürfen sie diese Immobilien nur an 60 Tagen im Jahr nutzen. Es soll Wohnraum für Berufstätige, die sich größtenteils auf der Insel keinen Wohnraum mehr leisten können, geschaffen werden. Das ist so etwas wie ein Hoffnungsschimmer für den Sylter Wohnungsmarkt.

 

Das Luxus-Hotel Lanserhof bleibt dagegen nach einer Meldung der Sylter Rundschau zunächst weiter unvollendet. Das neue Wellness-Ressort in List war von der Kreisbaubehörde in Husum unlängst wegen Brandschutzmängeln geschlossen worden. Nun ist nicht absehbar, wann das neue Haus als weitere Bereicherung der noblen Beherbergungsbetriebe offiziell eröffnet werden kann.

 

Sylt fehlt es an guten Meldungen zur Wiederherstellung als Wohlfühl-Insel – für die Gäste, die Einheimischen und auch den einen oder anderen Immobilienbesitzer, der nur langjährig gewohnte Freude an seinem Urlaub im eigenen Domizil haben will.

 


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