Weit entfernt von grüner Radikalität

Neue Studie belegt: Die junge Generation ist längst nicht so „grün“, wie manche behaupten

Jugendliche bei einer „Fridays for future“-Demonstration (Symbolbild: Dominic Wunderlich)
Jugendliche bei einer „Fridays for future“-Demonstration (Symbolbild: Dominic Wunderlich)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

„Fridays for future“ protestiert überall und gegen alles, was irgendwie im Verdacht steht, dem Klima zu schaden – wenn´s sein muss auch gegen den Bau von Zweifamilienhäusern. Eine aktuelle Studie „Jugend in Deutschland“ zeigt jetzt allerdings, dass die meisten der 14- bis 29-Jährigen im Land gar nicht dazu bereit sind, dieser Wir-wissen-es-besser-Attitüde der Aktivisten zu folgen.

 

Mehr noch: Zur völligen Lebensstilveränderung, die Klimaaktivisten unter anderem mit der realitätsfernen Abkehr von allen fossilen Energiequellen herbeiführen wollen, ist die Generation Z nicht bereit. Die Jüngeren (Geburtsjahrgänge 1995 bis 2009) wollen den Wohlstand, den die Eltern und Großeltern erarbeitet haben, möglichst behalten.

1014 junge Leute wurden für die Studie in der zweiten Oktoberhälfte befragt. Erstellt wurde sie vom europaweit führenden Jugendforscher Simon Schnetzer, der vom Sozial- und Bildungsforscher Prof. Klaus Hurrelmann unterstützt wurde. Die Ergebnisse, an deren Auswertung Allensbach und Respondi mitgewirkt haben, spiegeln eine aktuelle Stimmungslage wider.

 

Bei den Jugendsorgen rangiert in der Trendstudie der Klimawandel mit 56 Prozent wenig überraschend auf dem ersten Rang. Doch direkt dahinter stehen bereits Themen wie der Zusammenbruch des Rentensystems (48 Prozent) und die Folgen einer Inflation (46 Prozent). Spaltung der Gesellschaft (44 Prozent), Erstarken von extremen Parteien (40 Prozent) und Verbreitung von Verschwörungstheorien (37 Prozent) lösen bei den jungen Menschen ebenso Zukunftsängste aus.

 

Die Bundesregierung soll vor allem die Rente sichern

 

Das Megathema Klimawandel wird bei den Forderungen der jungen Menschen an die neue Bundesregierung allerdings von Platz 1 verdrängt. Die Regierung soll vor allem die Rente (59 Prozent) sichern. Gewünscht werden Bemühungen für eine lebenswerte und klimagerechte Zukunft (54 Prozent), die Förderung der Digitalisierung des Bildungssystems (49 Prozent) und die Sicherung beruflicher Perspektiven (47 Prozent). 

Eine von den Forschern vorgenommene Verhaltensanalyse belegt, dass die junge Generation längst nicht so „grün“ ist wie manche behaupten. Pragmatismus und Kompromissbereitschaft sind in dieser Altersgruppe offensichtlich weit verbreitet. Gleichzeitig wird die Generation von Schnetzer und Hurrelmann als politisch wach und aktiv beschrieben.

 

Rund 60 Prozent der 14- bis 29-Jährigen sind laut Umfrage zum Beispiel regelmäßig privat mit dem Auto unterwegs. Nur 19 Prozent würden dauerhaft auf ein eigenes Auto verzichten, rund ein Viertel würde Flugreisen vermeiden. Eine radikale Mobilitätswende, die oft ohne jede verlässliche Folgenabschätzung plakativ von Klimaaktivisten gefordert wird, ist der Jugend in Deutschland eher fremd.

 

Nur 16 Prozent wollen dauerhaft auf tierische Produkte verzichten

 

Auch beim Konsum und den Essgewohnheiten tickt die Jugend nicht so, wie manche glauben. Nur 16 Prozent wollen laut Studie dauerhaft auf tierische Produkte verzichten. 56 Prozent geben an, nach wie vor ohne Einschränkungen alles zu essen. Aber es ist in der jungen Generation ein Trend, bei der Ernährung zu experimentieren: vegan, vegetarisch, mal Fisch, mal Fleisch. Die größte Gruppe der sogenannten alternativen Esser sind „Flexitarier“ – diese machen beim jeweiligen Verzicht auch gerne mal eine Ausnahme.

Ähnlich sieht das Konsumverhalten aus. Auch hier wird mit der Nutzung von Carsharing-Angeboten oder dem Kauf von Second-Hand-Kleidung vor allem experimentiert. Auf diesen Gebieten erkennen Schnetzer und Hurrelmann bei der jüngeren Generation eine Bereitschaft, Verhalten zu ändern.

 

Unterm Strich hat die von Pandemie, Euro- und Finanzkrise sowie Terrorphasen geprägte Generation Z vor allem Angst vor dem Verlust von Wohlstand. Klaus Hurrelmann sagt: „Die große Mehrheit ist noch nicht bereit, die liebgewordenen Gewohnheiten in den Bereichen Konsum, Mobilität, Ernährung aufzugeben und wartet erst einmal auf Entscheidungshilfen durch die Politik.“


Die Publikation „Jugend in Deutschland – Trendstudie Winter 2021/22“ ist als PDF zum Preis von 29 € unter www.simon-schnetzer.com erhältlich.

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