Wagenknecht, Wagenknecht und sonst nix

Sahra Wagenknecht dürfte fast allen in Deutschland ein Begriff sein. Vor allem im Osten. Doch sonst ist über das Bündnis Sahra Wagenknecht nicht viel bekannt

Sahra Wagenknecht (Foto: Benjamin Zibner)
Sahra Wagenknecht (Foto: Benjamin Zibner)

 

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Von Frank Polke

 

17 Mitglieder sollen es sein. 17 bisher Unbekannte haben ihre Ausweise für das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ in Brandenburg erhalten. In Thüringen und Sachsen, wo bereits Anfang September ein neuer Landtag gewählt wird, sollen es immerhin jeweils 240 sein. Trotzdem nicht viel für eine Partei, die bisher sowieso als „One-Man-Show“ wahrgenommen wird. Oder korrekt: als „One-Woman-Show“. 

 

Sahra Wagenknecht, die ehemalige Spitzenpolitikerin der Linkspartei, ist einem breiten Publikum sogar im Westen ein Begriff. Die streitbare Ehefrau von Oskar Lafontaine, seines Zeichens Ex-SPD-Vorsitzender, ist seit Jahren Talkshow-Königin, tritt auf Demonstrationen mit Querdenkern, Russland-Verstehern und anderen Populisten auf. Eingefügt hat sich die 54-Jährige noch nie. Bedenken, sich von populistischen Ansichten und Äußerungen und Personen fernzuhalten,  hat die durchaus eloquente Frau aus dem Osten auch noch nie gehabt. Zuletzt polarisierte sie mit ihrer offen zu Tage getragenen Nähe zu Putin.

 

Die Nähe zu Putin

 

Wagenknecht  weiß genau, dass gerade in den neuen Ländern eine durch die „Völkerfreundschaft der DDR mit der Sowjetunion“ gewachsene Nähe zu den Menschen in Russland und Co. existiert. Viele ältere Menschen fremdeln mit dem Westen (und gerade mit den USA). Den Angriffskrieg des russischen Präsidenten auf die Ukraine finden die Menschen im Osten zwar nicht gut, aber jetzt soll auch mal Frieden her. Und überhaupt, so eine starke Minderheitsmeinung, habe die NATO Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion betrogen und sei Moskau auf den Pelz gerückt. Historischer Unsinn, aber egal.

 

Der gebürtigen Jenenserin Wagenknecht gelingt es auch in der Innenpolitik, Themen wie die Ablehnung des Bürgergeldes, Vorbehalte gegen Zuwanderung und das selbstmitleidige Gefühl des „Guten Ossi contra bösen Wessi“ zu artikulieren. Hier wildert das BSW durchaus in bürgerlichen Milieus, im rechten Lager und sogar im Wählerstamm der links-konservativen Gruppe, die ganz früher SED, dann PDS und zum Schluss die Linkspartei gewählt haben.

 

Aber wer steckt noch hinter dem BSW, die bei Umfragen in allen drei Bundesländern stabil über der Fünf-Prozent-Hürde liegt? Da ist zum Beispiel Amira Mohamed Ali. Die gelernte Rechtsanwältin aus Hamburg trat 2019 die Nachfolge Wagenknechts als Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion an. Damit war sie die erste deutsche Muslima an der Spitze einer Bundestagsfraktion. Es dauerte nicht lange, da drehte sie auf Linie Wagenknechts. Man frage zum Beispiel nach bei Dietmar Bartsch, der noch heute den Kopf schüttelt über so viel Illoyalität. Daneben ist wenig Platz. Vielleicht noch für die Eisenacher Oberbürgermeisterin und Ex-Linke Katja Wolf, die in Thüringen als Spitzenkandidatin für das BSW aufgebaut wird.

 

1000 Mitglieder sollen es 2024 werden. Organisatorisch gibt es kaum Kreis-, geschweige denn Ortsverbände. Offiziell erklärt man, dass man zum Beispiel keine Neu-Mitglieder wolle, die direkt von der AfD zum Bündnis für Wagenknecht übertreten. In Wahrheit ist man organisatorisch überfordert.

 

Schwierige Bündnisfrage

 

Und dennoch sind Wagenknecht und ihr Bündnis zum politischen Faktor aufgestiegen. Die CDU in Thüringen hat sogar ein Bündnis mit dem BSW auf Landesebene nicht ausgeschlossen. Dies folgt einem einfachen Rechenspiel: Kommen die Christdemokraten auf 25 Prozent, brauchen sie zur Ablösung des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow einen Koalitionspartner. SPD und Grüne sind schwach, die FDP ist seit dem Ein-Tag-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich unmöglich und rangiert in Umfragen bei 1,5 Prozent. 1,5 Prozent, das sichert den Liberalen einen Platz unter den Sonstigen.

 

Genau dieser Ausschließungs-Kurs der Christdemokraten um Mario Voigt bringt Ramelow mächtig auf die Palme. „Es ist so lächerlich, zu sagen, die Linke ist der Teufel, aber für die BSW haben wir keinen Unvereinbarkeitsbeschluss“, schimpfte Ramelow zuletzt im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Die biografische Nähe vieler BSW-Funktionäre zur SED und aktuell zu Russland-Verstehern sei viel bedrohlicher als bei der Linkspartei, sagt Ramelow, der aus dem Westen kommt.

 

Aktuell ist zu beobachten, dass der Höhenflug der AfD erst einmal gestoppt zu sein scheint. Offene Unterstützung – womöglich auch finanziell – aus Russland für den AfD-Politiker Petr Bystron, das geht auch vielen Russland-Verstehern im Osten zu weit.

 

Dazu ist nicht klar, ob Wagenknecht die Umfragewerte stabil halten kann, wenn die Partei nicht vor Ort Präsenz und Profil zeigt. Man wolle bei den drei Landtagswahlen jeweils mit einer Doppelspitze antreten, erklärt das BSW. Aber ob zwei unbekannte Kandidaten genügen, um die Mühen der Landespolitik zu erobern, ist mehr als unwahrscheinlich.

 


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