Grüne Betrachtungen – Ein Blick auf die Europawahl – Ernährungsgipfel mit fleischhaltiger Kost

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

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Liebe Leserin, lieber Leser,

nach der österlichen Ruhe ist in dieser Woche wieder Dynamik ins Land eingezogen. Das gilt erst einmal mit Blick auf die Natur und politisch kommt hinsichtlich unserer Themenschwerpunkte wieder Bewegungsenergie auf. Wenn ich nur aus dem Fenster schaue, ist der tägliche Fortschritt dessen wahrzunehmen, was gerade anfängt, zu wachsen und zu gedeihen – vielleicht etwas zu früh. Wenigstens in dieser Beziehung ist es schön zu genießen, was so alles im Anblick grün wird. Politisch übertragen trifft dieses Bild für viele Menschen, die ich kenne, eher nicht zu. In der Ampel ist zu beobachten, wie die Damen und Herren Minister der einstigen radikal ökologischen und pazifistischen Partei „Die Grünen“ unter Regierungszwängen leiden. Es ist zu beobachten, wie die aktuelle Fraktion von „Bündnis 90/Die Grünen“ in Einzelthemen mit Blick aufs Kabinett nicht komplett Kurs hält. Beispiele bieten Lindners Haushaltspolitik wie etwa auch ein Thema wie die Bezahlkarte, das nach Widerständen in der Fraktion erst spät durchs Kabinett lief. Und der Finanzminister zeigt gern auf den zweiten kleineren Koalitionspartner, wenn es um Vorwürfe einer Opposition innerhalb der Regierungsreihen geht. 

 

Uneinigkeit strafen die Wähler nun einmal ab, wie immer wieder der Demoskopie zu entnehmen ist. So steht außerdem bald mit der Europawahl, verschiedenen Kommunalwahlen und den Landtagswahlen in den östlichen Bundesländern so etwas wie jeweils ein Lackmustest an. Der Duden schreibt zu diesem Begriff: „In übertragenem Sinne ist also ein Lackmustest ein Ereignis, aus dem konkrete Rückschlüsse gezogen werden können. Wenn die Partei, die in Berlin regiert, bei Landtagswahlen ein schlechtes Ergebnis einfährt, sollte sie ihre bisherige Arbeitsweise überdenken.“ Wohl wahr, könnte man da mal sagen …

 

Ein erster Blick auf die Europawahlen

 

Halten wir zunächst bei dem Wählervotum inne, dessen Ergebnisse wahrscheinlich innenpolitisch zu dem zitierten bedeutenden Lackmustest werden. Und zu sicheren Prognosen für die politische Weiterentwicklung unseres Kontinents führen. Das ist die Europawahl vom 6. bis zum 9. Juni. Im Netz kursieren schon Aufrufe, sich an dieser wichtigen Wahl zu beteiligen. Es geht um die Zukunft Europas möglichst mit der Ukraine, neben dem weiter bedrohlichen Aggressor im Osten, möglichen Trump-USA, den Umgang mit Querköpfen wie unter anderem in Ungarn und der Slowakei: Und damit allen, die das wieder zerschlagen wollen, was in und mit der Europäischen Union geschaffen wurde. Direkte Auswirkungen der europäischen Politik werden in den ländlichen Regionen zu spüren sein. 

 

Dabei ist es gut zu wissen, dass die Kommission 2021 nach längeren Vorbereitungen eine längerfristige Vision für die Zukunft der ländlichen Räume formuliert und einen Pakt mit den ländlichen Gebieten geschmiedet hat. Das beschreibt und bewertet regelmäßig in unserem Blog unser Autor Ludwig Hintjens. Hier zwei etwas ältere Beispiele aus unserem Blog (wir bleiben natürlich weiter aktuell am Ball): Europäische Christdemokraten positionieren sich als Bauernpartei und „Green Deal“ in der Folge als Stadt-Land-Konflikt.

Die Pläne zur Ertüchtigung der ländlichen Räume laufen bis 2040. Zu ihnen zählen 83 Prozent der Fläche in den 27 Mitgliedstaaten der EU. Statistisch gesehen lebt einer von drei EU-Bürgern auf dem Land. Es wurde ein Aktionsplan aufgestellt, der zu einer besseren digitalen Vernetzung führen, die Verkehrsanbindung verbessern und die Wirtschaftsstrukturen widerstandsfähiger machen soll – wohlgemerkt: immer auf dem Land. So sind etwa 23,5 Milliarden Euro reserviert für schnelles Internet.  Es wurden inzwischen 60 Forschungs- und Innovationszentren in ländlichen Räumen gegründet, die rund 250 Millionen Euro EU-Steuerzahlergeld bekommen haben. 

 

Was die Landwirte von Europa zu erwarten haben

 

In den vergangenen Monaten haben die Bauernproteste einiges ins Rollen gebracht. Die Landwirtschaft wird auch bei Ursula von der Leyen inzwischen anders gewichtet, als sie noch Frans Timmermans als Vize und Kommissar für Klimaschutz an der Seite hatte. Die Ambitionen waren bei aller Einsicht in notwendige Klimaschutzmaßnahmen aus meiner Sicht zu sehr verbunden mit Realitätsverlusten. Was da gemacht werden muss, sollte auch auf realistische Zeitschienen gelegt werden. Das trifft nun einmal in hohem Maße insbesondere die Landwirtschaft mit ihren weit auseinanderklaffenden Größen- und Betriebsstrukturen in Europa. Übrigens: Die Kommissionspräsidentin äußert sich in jüngerer Zeit auffallend oft und auch proaktiv zur Landwirtschaft.

 

Die Kommission ist den Landwirten in den letzten zwölf Monaten massiv entgegengekommen. Kritiker sprechen von einer umweltpolitischen Rolle rückwärts. Im Detail hat die Kommission den Vorschlag für nachhaltige Lebensmittelsysteme (FSFS) auf Eis gelegt. Sie hat ihren Vorschlag für den nachhaltigen Pflanzenschutz (SUR) mit ambitionierten Reduktionszielen zurückgezogen. Zuletzt hat sie die Umweltstandards zur Erhaltung der Ackerflächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ) bis zum Ende der Förderperiode GAP massiv aufgeweicht oder komplett außer Kraft gesetzt. Außerdem hat sie die bürokratischen Lasten von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben gesenkt. Alle Höfe mit weniger als zehn Hektar sollen keine Kontrollbesuche der lokalen Behörden mehr bekommen. Damit würden für 65 Prozent der GAP-Begünstigten, die zehn Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche ausmachen, die Kontrollen der Grundanforderungen an die Betriebsführung entfallen. Mal sehen, wie es nach der Europawahl dann weitergehen wird. Der Deutsche Bauernverband hat das zusammengefasst, was für unser Land dabei wichtig sein wird.

 

Foto: Andreas Hermsdorf / pixelio.de
Foto: Andreas Hermsdorf / pixelio.de

Ernährungsgipfel und wie es mit der Fleischproduktion weitergehen soll

 
Das Thema Fleisch als angeblicher „Klimakiller“ hatten wir am Donnerstag im Blog. Da geht es nicht nur darum, Vorurteile mit Fakten und Sachlichkeit zu widerlegen. Sondern: Unser Autor Michael Lehner schildert, wie Landwirten Möglichkeiten an die Hand gegeben werden, selbst an der Stellschraube verminderter Treibhausgasemissionen zu drehen. Die Tönnies Unternehmensgruppe in Ostwestfalen hat den Startschuss gesetzt, favorisiert aber eine Branchenlösung. Sprich: eine Klimaplattform, die von der gesamten Branche getragen wird. Wie Tönnies gegenüber unserem Blog erklärte, laufen dazu bereits die Gespräche. Diese seien zielführend und vielversprechend.

 

Apropos Fleisch: An Deutschlands Einkaufstheken bei Metzgern und in Supermärkten drohe der nächste Preisaufschlag. So war im Boulevard ein Vorbericht zum „Ernährungsgipfel“ beim Kanzler zu lesen. In einem Eckpunktepapier spreche sich die „Zukunftskommission Landwirtschaft“ für eine schrittweise Anhebung der Mehrwertsteuer von derzeit sieben Prozent (reduzierter Satz) auf bis zu 19 Prozent (normaler Satz) aus. Im Gegenzug soll die Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse schrittweise auf null gesenkt werden, berichtete ergänzend die „Berliner Morgenpost“.

 

Die Zustimmung der Kommission ist allerdings an eine Erwartung geknüpft: Das Geld aus dem Portemonnaie der Verbraucher soll dem Umbau der Tierhaltung und der Erhöhung des Tierwohls zugutekommen. Schon vor Jahren hatte das Gremium, dessen Mitglieder aus den Bereichen Landwirtschaft, Wirtschaft, Umwelt-, Natur-, Tier- und Verbraucherschutz stammen, erklärt, dass nachhaltig produzierte Lebensmittel nach höheren Preisen verlangten.

 

Franz-Josef Holzenkamp, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes, zeigte sich vor dem Gipfel gegenüber der „Bild“ offen für den höheren Steuersatz: „Es ist der Wunsch der Gesellschaft, die Tierhaltungsbedingungen in Deutschland weit über die Standards anderer europäischer Länder hinaus zu verbessern. Daher sind wir für eine Mehrwertsteuer-Lösung. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, wiederum hat dafür kein Verständnis: „Eine Mehrwertsteuererhöhung auf den Regelsatz oder einen Tierwohlcent lehnen wir ab. Das Geld für den Tierwohlumbau muss aus dem Bundeshaushalt kommen. Zudem muss zuerst sichergestellt werden, dass die notwendigen Beträge bei den Landwirten ankommen“, erklärte er. 

 

Man erkennt an diesem Zwist deutlich, dass der Weg zum Ziel nach wie vor steinig ist. Die Landwirtinnen und Landwirte brauchen allerdings möglichst rasch eine verlässliche Perspektive. 

 

Meine Waidgenossen und -genossinnen sind in dieser Wochenbetrachtung etwas zu kurz gekommen. Was für uns Jäger relevant ist, wurden als wichtigste Forderungen für die sieben Millionen Jäger in Europa hier zusammengefasst.

 

Wir kommen in unserem Blog darauf zurück. Uns ist es ein Anliegen, auch auf diese Interessen mit den Gesamtzusammenhängen der ländlichen Räume und ihren politischen und strukturellen Entwicklungen einzugehen. Dabei betonen wir die ganzheitliche Sicht auf das, was auf dem Lande geschieht; in der Landwirtschaft, im Forst sowie mit der Jagd – eingebunden in die gesamte ländlich verortete Wirtschaft und den besonderen gesellschaftlichen Strukturen. 

 

Genießen Sie das Wochenende, so vielleicht wie ich mit einem Jagdausflug mit und zu Freunden nach Thüringen!

Ihr 

Jost Springensguth

Redaktionsleitung / Koordination

  

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