Das Bundesmodell wird zur Belastungsprobe

Gerecht, ausbalanciert und aufkommensneutral? Fehlanzeige. Vor allem in NRW dürfte die Grundsteuerreform viele Hausbesitzer und Mieter teuer zu stehen kommen

Foto: ideogram.ai
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Von Wolfgang Kleideiter

 

Warnungen wurden in den Wind geschlagen. Der Vorwurf einer teilweise verkorksten Reform vollmundig zurückgewiesen. Nun wissen diejenigen Bundesländer, die sich bei der vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 verordneten Reform der Grundsteuer vollkommen auf das vom damaligen Finanzminister Olaf Scholz vorangetriebene Bundesmodell verlassen haben, nicht mehr weiter. Plötzlich wünschen sie auf dem Weg über den Finanzausschuss im Bundesrat und die Finanzministerkonferenz eine Klausel, die den Kommunen erlauben soll, bei der Grundsteuer B zwischen Wohn- und Gewerbeeigentum zu differenzieren. Das ohnehin fragile Grundsteuergesetz soll noch einmal angepackt werden.

 

Dahinter steckt die große Sorge, dass Wohneigentum in Stadt und Land ab 2025 im Grundsteuerbescheid überproportional belastet wird. Die Angst davor ist alles andere als neu. Schon vor Jahren warnten vor allem die Kommunalverbände, der Mieter- und der Steuerzahlerbund vor dieser Gefahr. Vergeblich.

 

In Nordrhein-Westfalen, wegen der stellenweise enorm hohen Hebesätze längst als „Höchststeuerland“ in Verruf geraten, waren die Warnrufe besonders laut. Doch erst jetzt will NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) gegensteuern. Gemeinsam mit der Vorsitzenden der Finanzministerkonferenz, Doris Ahnen (SPD), Ressortchefin in Rheinland-Pfalz, schrieb er einen Brief an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) mit der Bitte, eine weitere Bestimmung ins Gesetz einzuarbeiten. Und dies, obwohl der Bund 2019 das Grundsteuer-Reformgesetz bereits so angelegt hatte, dass die Länder durchaus eigene Modelle anwenden dürfen. Nur: Nordrhein-Westfalen machte wie acht weitere Bundesländer von der Öffnungsklausel für die Festlegung eigener Messzahlen keinen Gebrauch.

 

Jetzt sollen es die Kommunen richten, für die die Grundsteuer neben der Gewerbesteuer zu den wichtigsten Einnahmequellen zählt. Die Grundsteuer fließt direkt und vollständig in die Stadtkasse. Den Steuersatz können die Städte und Gemeinden selbst bestimmen. Allein in NRW handelt es sich jährlich um vier Milliarden Euro, die als Steuer für bebaute und bebaubare Grundstücke erhoben und von den Eigentümern bezahlt oder auf die Mieter umgelegt wird.

 

Flickenteppich wird noch bunter

 

Und gerade auf diesem Feld soll der heute schon bestehende Flickenteppich der verschiedenen Hebesätze noch einmal bunter werden, wenn Städte und Gemeinden nebeneinander auch noch die Grundsteuer B ausdifferenzieren. Eine gesetzliche Grundlage gibt es dafür bislang nicht. Und bis zum 1. Januar 2025 sind es nur noch wenige Monate. Wie das umgesetzt werden soll, weiß bis dato niemand. Vage ist von einem Übergangsjahr die Rede, obwohl das Bundesverfassungsgericht dies wohl nicht mehr dulden würde.

 

Kein Wunder, dass der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen, Christof Sommer, sauer auf die Landesregierung ist. „Trotz der zahlreichen Warnungen aus der kommunalen Familie hat das Land es nicht für nötig gehalten, rechtzeitig die Lastenverschiebung im Bundesmodell auszugleichen und eine höhere Messzahl für Geschäftsgrundstücke festzusetzen. Ausbaden sollen es jetzt die Kommunen“, reagierte er auf die Minister-Initiative. Wuppertals Stadtkämmerer Thorsten Bunte: „Damit wird ein Problem, das das Land schon längst hätte lösen müssen, nun auf die Kommunen abgewälzt, die dies aber kaum lösen können. Für Städte und Gemeinden entstünde damit großes Konfliktpotenzial vor Ort.“

 

Die Wellen der Empörung schlagen hoch

 

In einer Aktuellen Stunde im Landtag in Düsseldorf bemühten sich CDU und Grüne Ende März darum, dem Richtungswechsel einen positiven Anstrich zu verpassen. Die kommunale Selbstverwaltung werde gestärkt, hieß es. FDP und SPD sprachen dagegen verärgert von einem „schwarz-grünen Scherbenhaufen“ und einer „Wüst-Steuer“.

 

Tatsächlich schlagen in NRW die Wellen der Empörung unabhängig von einer Lösung auf dem Gesetzesweg schon heute beim Thema Grundsteuer B hoch. Denn Umfragen haben ergeben, dass viele Städte und Gemeinden in den vergangenen zwei Jahren bereits beherzt an der Steuerschraube gedreht und die Hebesätze teilweise massiv angehoben haben. Die drei größten beschlossenen bzw. geplanten Steuererhöhungen in Nordrhein-Westfalen lesen sich so: Gronau von 479 auf 958, Niederkassel von 690 auf 1100, Rheinberg von 510 auf 920.  Haus & Grund NRW, ein Zusammenschluss der Landesverbände der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümerverbände in Nordrhein-Westfalen, spricht mit Blick auf das kommende Jahr bereits von einem „Kostenschock“. Die Politik muss handeln.

 


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