Bahn fährt wieder und mehr Hasen – zwei gute Nachrichten zu Ostern

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

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Liebe Leserinnen und Leser,

 

beginnen wir vor dem Osterfest mit zwei guten Nachrichten. Wer an den Festtagen Freunde oder Verwandte besuchen möchte, hat endlich wieder im wörtlichen Sinne freie Bahn. Die Lokführergewerkschaft GdL und das Bahn-Unternehmen haben sich erfreulicherweise auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt. Die Kunden mussten viel zu lange auf diese Tariflösung warten. Die Gewerkschaft hatte mit ihren massiven Streikaktionen zu einem schweren Vertrauensverlust der Bahn beigetragen. Um deren Ruf als verlässliches Verkehrsmittel steht es wegen Misswirtschaft und viel zu häufiger Unpünktlichkeit von Zügen ohnehin nicht zum Besten. Wird jetzt, nach der jüngsten Einigung, alles gut werden? Davon ist leider nicht auszugehen. Denn die Verbesserungen für die Beschäftigten wird das Unternehmen zumindest kurzfristig kaum auffangen können, ohne dass die Kunden darunter leiden müssen.

 

Jürgen Wermser
Jürgen Wermser

Zu befürchten sind noch mehr Zugverspätungen, höhere Preise oder gar ein generell ausgedünnter Fahrplan aufgrund Personalmangels – Stichwort Arbeitszeitverkürzung der Lokführer. Jedem einzelnen von ihnen sei es persönlich gegönnt, aber in der jetzigen wirtschaftlichen Situation ist weniger arbeiten keine gesamtgesellschaftlich sinnvolle Lösung. Darunter wird der Güterverkehr schwer leiden, der ohnehin zum Stiefkind des Unternehmens geworden ist – siehe den Beitrag unseres Autors Michael Lehner – „Die Bahn, ein Trauerspiel“ – vom vergangenen Montag.

 

Auch im Personenverkehr dürfte die Geduld der Passagiere künftig weiter arg strapaziert werden. Doch das ist noch Zukunftsmusik. Kurzfristig heißt es erst mal aufatmen, weil die Züge zu Ostern wie geplant wieder rollen können. Auch Flugreisende müssen keine weiteren Streiks mehr zu Ostern befürchten, nachdem sich jetzt der Konzern und die Gewerkschaft ver.di auf Grundzüge eines neuen Tarifvertrags für das Lufthansa-Bodenpersonal geeinigt haben.

 

Gewinner des Klimawandels

 

Indirekt hat auch die zweite gute Nachricht etwas mit Ostern zu tun: Die Zahl der Feldhasen in Deutschland hat wieder zugenommen. Dies wird nicht nur Jäger und Naturliebhaber freuen, sondern auch viele Familien und Kinder, für die die Langohren zum tierischen Symbol des Osterfestes geworden sind. Im vergangenen Frühjahr lebten auf Äckern, Wiesen und Feldern im Durchschnitt 19 Feldhasen pro Quadratkilometer. Dies ist nach Angaben des Deutschen Jagdverbandes (DJV) der höchste Wert seit Beginn des bundesweiten Monitorings im Jahr 2001. Im Frühjahr 2022 seien in Deutschland lediglich 16 Tiere pro Quadratkilometer gezählt worden. Der Feldhase gehört damit zu den Gewinnern des Klimawandels, denn er mag es vor allem in der Geburtszeit im Frühjahr gerne trocken und warm. Auch war der letzte Winter nicht besonders hart. Allerdings waren die kürzlichen Überschwemmungen in weiten Teilen Deutschlands fatal gerade für junge Feldhasen. Sie hatten bei den Wassermassen keine Chance, zu entkommen und sich in trockene, sichere Gebiete zu flüchten.

 

Die deutsche Wildtier-Stiftung schätzt die Gesamtzahl der Feldhasen in Deutschland auf mindestens zwei Millionen. Man kann nur hoffen, dass der positive Trend auch langfristig anhält. Dazu ist es allerdings erforderlich, die Bedürfnisse von Landwirtschaft und Naturschutz noch stärker miteinander in Einklang zu bringen. Dies wird nur über finanzielle Verbesserungen für Bauern gehen, die die Äcker und Wiesen bewirtschaften, die den Lebensraum der Feldhasen bilden. Hier ist die Politik gefordert. 

 

Özdemir wird daran gemessen, was er persönlich leistet

 

Der zuständige Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir scheint das Problem erkannt zu haben, wie jüngste Äußerungen in einem ARD-Interview nahelegen. Der Grünen-Politiker zeigte auch Verständnis für die kürzlichen Proteste der Bauern. Bedenklich stimmt jedoch, dass er den Unmut der Landwirte vor allem auf die Versäumnisse aus den letzten Jahrzehnten bezog, nicht jedoch auf die aktuelle Politik. So einfach sollte es sich Özdemir nicht machen. Denn natürlich ist in der Vergangenheit viel versäumt und falsch entschieden worden. Doch das ist kein Grund, jetzt die Hände in den Schoß zu legen und mit dem Finger auf die Vorgängerregierungen zu zeigen. Im Gegenteil, der Grünen-Politiker wird daran gemessen, was seine Koalition und er persönlich aktuell leisten, und nicht daran, was frühere Politiker versäumt haben. Selbst ist der Minister.

 

Auch bei der jüngsten Einigung der europäischen Agrarminister über ein neues Reformpaket war Özdemir keine treibende Kraft. Denn er stand mit seinen umwelt- und klimapolitischen Bedenken, den Bauern auf vielen Politikfeldern entgegenzukommen, weitgehend allein da. Vorausgesetzt, das Europäische Parlament stimmt im April wie erwartet zu, werden Landwirte dauerhaft von der Pflicht entbunden, vier Prozent ihrer Ackerflächen brachliegen zu lassen. Wer es dennoch tut, muss dafür vom Staat entlohnt werden. Aufgeweicht werden zudem Regeln für die Fruchtfolge, die erlassen worden waren, damit die Böden sich besser erholen können. Und die nationalen Regierungen sollen künftig etliche andere Ökoregeln flexibler als bisher anwenden. All dies mag für die Bauern noch nicht der große Durchbruch zum Positiven sein, doch es sind für sie klare Verbesserungen. Umso wichtiger, dass gewalttätige Proteste wie jüngst in Brüssel die politische Stimmung nicht wieder zuungunsten der Bauern kippen lassen.

 

Foto: Rudolpho Duba / pixelio.de
Foto: Rudolpho Duba / pixelio.de

Schritt nach vorn beim Thema Wolf

 

Einen kleinen Schritt nach vorn macht die Politik derweil auch beim Thema Wolf, zumindest in Niedersachsen. Dort darf seit Dienstagabend in der Region Hannover ein Wolf geschossen werden. Niedersachsen setzt damit als erstes Bundesland das neue, sogenannte Schnellabschussverfahren um, auf das sich die Umweltministerkonferenz Anfang Dezember geeinigt hatte. Danach ist in Gebieten mit überdurchschnittlich vielen Wolfsangriffen auf gut geschützte Herden in einem Abstand von 1.000 Metern um die entsprechende Weide für 21 Tage der Abschuss erlaubt – ohne dass eine DNA-Probe bestätigen muss, dass es sich um einen bestimmten Wolf handelt. 

 

„Um die Akzeptanz für den Wolf zu erhalten, müssen wir im Einzelfall, wo Wölfe wiederholt Probleme machen, zum Schutz der Weidetiere handeln, und zwar schnell.“

Niedersachsens Grünen-Umweltminister Christian Meyer

 

Am vergangenen Wochenende war in der Region Hannover ein Rind durch einen Riss getötet worden. Aus dem Umweltministerium hieß es laut NDR, mit „hinreichender Sicherheit“ handele es sich dabei um einen Wolfsriss. Die Genehmigung zum Abschuss gelte für einen Zeitraum von drei Wochen. Das getötete Rind war den Angaben zufolge Teil einer Herde mit rund 30 erwachsenen Heckrindern und einem Jungbullen. Nach geltenden Vorgaben sei damit ein ausreichender Schutz gegeben gewesen, so das Ministerium. 

 

Wolfs-Freunde drohen mit „beispielloser Klagewelle“

 

Seit September 2023 handelt es sich um den fünften Riss in diesem Gebiet. Eindeutiger und krasser könnte die Gefahr für die betreffenden Weidetiere kaum sein. Selbst das von einem Grünen geführte Umweltministerium in Hannover sieht hier klaren Handlungsbedarf. Doch radikale Artenschützer laufen gleichwohl Sturm gegen die Ausnahmegenehmigung und halten sie für rechtswidrig. Der in Wolfsburg ansässige „Freundeskreis freilebender Wölfe“ kündigte an, mit einer „beispiellosen Klagewelle“ bis hin zum Europäischen Gerichtshof gegen die Regelung vorzugehen. Man kann nur hoffen, dass die Justiz hier schnell mit einem wirklichkeitsnahen Urteil Klarheit schafft. Derweil hintertreibt Bundesumweltministerin Steffi Lemke im Kreis der 27 EU-Mitgliedstaaten den Vorstoß der Kommission, den Schutzstandard des Wolfes von „streng geschützt“ auf „geschützt“ zu senken. Darüber berichtet nach Ostern in unserem Blog Ludwig Hintjens, unser Mann in Brüssel.

 

Doch genug der Politik. Jetzt stehen hoffentlich für uns alle schöne Ostertage an. Genießen Sie die Zeit mit Freunden und der Familie. Und wenn Sie im ländlichen Raum leben, schauen Sie vielleicht bei einem der vielerorts stattfindenden Osterfeuer vorbei. Dort kann man in zwangloser und angenehmer Atmosphäre Nachbarn und andere Bekannte treffen, die einem sonst nicht jeden Tag über den Weg laufen. In meiner Heimat haben solche Veranstaltungen eine lange Tradition. Ich gehe gern dorthin und lasse mir dabei eine (nicht vegane) Bratwurst vom Grill der Freiwilligen Feuerwehr gut schmecken …

 

Mein Kollege Jost Springensguth und alle Autoren unseres Blogs wünschen Ihnen frohe Ostern. Den nächsten Beitrag von uns können Sie dann am Dienstag nach den Festtagen lesen. 

Mit besten Grüßen

Ihr Jürgen Wermser

Redaktionsleitung/Koordination

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