Wenn der Ausflug an der Ostsee ausfällt

Die Menschen wollen gern auch in Deutschland ihren Urlaub verbringen. Doch gerade in den ländlichen Regionen fehlt Restaurants und Hotels das notwendige Personal

Foto: Alexander Hauk / alexander-hauk.de / pixelio.de
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Von Frank Polke

 

Die ersten Segelschulen holen in Boltenhagen schon ihre Boote raus, die Restaurants an der Strandpromenade werden herausgeputzt. An den Küsten Mecklenburg-Vorpommerns bereitet man sich auf die Osterferien vor. „Alle Zeichen stehen auf eine gute Feriensaison. Wir könnten uns freuen. Eigentlich“, sagt ein örtlicher Tourismusmanager und schaut auf die Hotels, Campinganlagen und örtlichen Tourismusgeschäfte. Doch seine Miene will nicht so recht zum guten Ausblick auf das Oster- und Sommergeschäft 2024 passen. Denn viele Betriebe werden nur ein verknapptes Angebot vorhalten können. „Wir haben einfach nicht genug Mitarbeiter“, sagt der Mann.

 

Nach Angaben des Dachverbands Dehoga fehlt überall Personal. Die Bundesagentur für Arbeit meldete schon im Juni mitten in der Saison 33.160 offene Stellen im Gastgewerbe – Tendenz steigend, trotz hoher Flüchtlingszahlen und schwächelnder Konjunktur. Corona hat den Mitarbeiterschwund „wie unter einem Brennglas“ verschärft. Dehoga geht von einem Fachkräfte- und Mitarbeitermangel aus, der in Wahrheit mindestens doppelt so hoch liegt.

 

Konsequenz: In den Restaurants, den Hotels, den örtlichen Geschäften wird man deshalb Öffnungszeiten reduzieren, tageweise schließen, die Karte reduzieren. Oder Ausflüge ins Umland halt nur am Nachmittag anbieten können. Und den Anbietern in strukturschwachen Regionen, deren Umsatz und Gewinn nun einmal auf Spitzenzeiten ausgelegt ist, wird es das Geschäft erheblich verhageln.

 

Die Schleuse macht dicht – mangels Personal

 

Oder noch schlimmer, wie das Beispiel der Schleuse Banzkow am Störkanal zeigt, wird man gleich alles zusperren müssen. Dort – an der Mecklenburger Seenplatte – führt der Mangel an ausgebildeten Schleusenwärtern jetzt dazu, dass die Zufahrt zum Schweriner See geschlossen werden muss. Konsequenz: Der bei Bootstouristen äußerst beliebte See ist für die gesamte Sommersaison 2024 nicht mehr erreichbar. Tausende zahlungskräftige Bootstouristen werden jetzt eben nicht mehr durch die strukturschwache Region mit ihren Booten schippern können. „Eine katastrophale Situation“, sagt der Geschäftsführer des Tourismusverbands Mecklenburg-Vorpommern, Tobias Woitendorf, der Nachrichtenagentur dpa. Er weiß, wovon er spricht: Für das strukturschwache Mecklenburg-Vorpommern ist der Wassertourismus einer der wichtigsten Wirtschaftszweige.

 

Politik reagiert hilflos

 

Laut Bundesregierung werden im Osten bis zum Jahr 2030 voraussichtlich

800.000 Menschen im arbeitsfähigen Alter weniger leben. Wie überall, ist der ländliche Raum besonders hart getroffen, so etwa im Erzgebirge, in den Gebieten abseits der Küste in Mecklenburg-Vorpommern, in Brandenburg jenseits der Region Berlin/Potsdam. Früher konnte man sich dort auf die saisonalen Aushilfen aus Tschechien, Polen und dem Baltikum stützen. Doch seitdem es diesen Ländern und ihrer Wirtschaft besser geht, kommen nur noch wenige. Oder noch schlimmer: Viele Ostdeutsche fahren mittlerweile zur Arbeit selbst über die Grenze. 

 

Das Lohnniveau und die Infrastruktur sind in den westlichen Regionen Polens und Tschechiens auch dank EU-Hilfen mindestens so gut wie in Deutschland. Schon jetzt stellen Wirtschaftsförderer rund um die Boom-Städte Magdeburg, Dresden und Leipzig die Frage, von wo man die Fachkräfte aus dem In- und Ausland holen will, die die geplante Ansiedlung der Hightech-Firmen wie Intel, Infineon und AMD stützen soll.

 

„Ländliche Regionen aufgeben?“

 

Die Vorschläge aus der Politik oder der Wissenschaft klingen eher hilflos: Das Wirtschaftsinstitut in Halle hat schon einmal vorgeschlagen, sich deshalb auf die Förderung der Boom-Zentren zu beschränken. Die Kritik war vernichtend, parteiübergreifend. Nein, man dürfe die kleinstädtisch geprägten Regionen oder gar Dörfer nicht aufgeben.

 

Der Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, wirbt dafür, den Standort Osten nicht mehr mit Wirtschaftskrise und Radikalismus zu besetzen. „Wir brauchen eine neue Selbstverständlichkeit für Zuwanderung in den Osten, die gibt es bisher nicht. Beides muss gelingen, sonst wird es in einigen Regionen in Zukunft ziemlich schwierig“, räumt er ein. Angesichts des dramatischen Wegzugs aus dem Osten in den 90er Jahren fehlen jetzt knapp zwei Millionen Menschen. „Vor allem die jungen Frauen sind damals weg. Und die fehlen jetzt, um Kinder oder schon Enkelkinder zu bekommen“, sagt ein Soziologe.

 

Ein schwacher Trost ist es deshalb, dass es Regionen in Bayern, Schleswig-Holstein und in anderen Ländern nicht viel besser geht. Und auch dort werden Urlauber in diesem Jahr wohl häufig vor geschlossenen Restauranttüren stehen.

 


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