Lokführer stoppen Bahnverkehr – Gefahren durch Wölfe und Bären

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

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Liebe Leserinnen und Leser,

 

erinnern Sie sich noch an die Debatten um die Einführung und Finanzierung des Deutschlandtickets? Damals propagierten viele Klima- und Umweltschützer den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel als Allheilmittel gegen die Klimawende. In den städtischen Ballungsregionen, wo diese Aktivisten zumeist wohnen und den politischen Ton angeben, mag dies vielleicht in Ansätzen stimmen. Aber schon damals blieb in der Diskussion der ländliche Raum sträflich vernachlässigt. Denn dort sind Busse und Bahnen häufig kein für jedermann geeignetes Verkehrsmittel. Sie sind entweder kaum oder überhaupt nicht vorhanden. Oder der nächste Bahnhof und die nächste Bushaltestelle liegen kilometerweit entfernt. Anders und zugespitzt gesagt: Wer sich hier auf Bahn und Bus verlässt, ist verlassen.

 

Jürgen Wermser
Jürgen Wermser

Diese für viele Landbewohner keineswegs neuen Erfahrungen müssen in diesen Tagen besonders diejenigen machen, die auf Busse (standen durch Verdi diese Woche teilweise ebenfalls still) und Bahnen angewiesen sind. Man mag dies unter Klimaschutzgesichtspunkten bedauern. Aber die Verantwortung hierfür tragen nicht zuletzt Gewerkschafter wie GdL-Chef Claus Weselsky, die die Lokführer in einen zunehmend ideologisch geprägten Arbeitskampf stürzen. So waren die Bahn-Arbeitgeber bereit, große Zugeständnisse bei der Arbeitszeit zu machen. Dass Weselsky hierauf in einer Pressekonferenz mit der falschen Behauptung reagierte, der Bahn-Vorstand wolle keine Zugeständnisse machen, ist bezeichnend. Der Gewerkschaftschef räumte später in einem Interview seinen „Denkfehler“ ein, doch der peinliche Vorgang zeigt: Hier wird fast schon in einem klassenkämpferischen Stil statt mit kühlem Verstand agiert, so wie es im Interesse der Bahnkunden und der Bahnmitarbeiter eigentlich notwendig wäre. Die Lage bleibt angespannt: Erst gestern schlug die GdL wieder ein Verhandlungsangebot der Bahn aus.

 

„Ich finde, dieser Tarifkonflikt nimmt zunehmend Züge an, die nicht mehr nachvollziehbar sind. Die Bürgerinnen und Bürger leiden unter dieser Situation. Und auch die Art und Weise, wie jetzt  ‚Wellenstreiks‘ angekündigt werden, hinterlässt ein merkwürdiges Gefühl. Wer vom Streikrecht Gebrauch macht, der muss auch Verantwortung übernehmen und das heißt: konstruktiv verhandeln. Hier entsteht der Eindruck, dass Gründe zum Streiken gesucht werden, anstatt Lösungen im Tarifkonflikt.“

Volker Wissing, Bundesverkehrsminister, in einem Interview mit tagesschau.de zum Thema Bahnstreik

  

Ein ganz anderes Thema, das im ländlichen Raum immer wieder für große Aufregung sorgt, ist die zunehmende Verbreitung der Wölfe. So hat jetzt das Umweltministerium von Niedersachsen auf NDR-Anfrage bestätigt, dass mit einem weiteren Anstieg der Wolfspopulation in den nächsten Jahren zu rechnen sei. Nach Brandenburg gibt es in Niedersachsen bundesweit die größte Wolfspopulation. In insgesamt 55 Territorien leben dort schätzungsweise um die 260 Wölfe. Angesichts dieser Zahlen ist es kein Wunder, dass sich viele Weidetierhalter im Norden große Sorgen um ihre Schafe und Rinder machen. Denn diese sind für die Wölfe im wörtlichen Sinne ein gefundenes Fressen. So haben Wölfe im Jahr 2023 in Niedersachsen über 1400 Weidetiere gerissen. Laut niedersächsischem Umweltministerium war dies ein Anstieg von 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Trotz hoher Zähne werden immer wieder Schafe und Rinder attackiert, aber auch andere Tiere sind bedroht. So wurden beispielsweise im vergangenen Jahr auf einem Hof im niedersächsischen Hinte zwei Pferde von einem Wolf schwer verletzt.

 

Von Niedersachsen bis in die Pyrenäen

 

Und Wölfe, denen es trotz der für sie idealen Bedingungen in Niedersachsen nicht mehr gefällt, machen sich eben auf in andere Gefilde. Und das gelegentlich sehr weit. So haben Forscher jetzt mithilfe von Gen-Analysen die nach ihren Angaben längste weltweit dokumentierte Wanderung eines Wolfs nachgewiesen: von Niedersachsen quer durch Frankreich bis in die katalanischen Pyrenäen. Insgesamt 1190 Kilometer legte der in Deutschland geborene Canis lupus zurück, wie das Zentrum für Wildtiergenetik am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt mitteilte. Dieser Rekord zeigt eindrucksvoll, wie schnell und weitreichend sich Wölfe unter Umständen ausbreiten können – eine Entwicklung, auf die Politiker und Behörden bislang unzureichend reagiert haben.

 

Auch ein anderes großes Raubtier zwingt mancherorts in Europa zum Umdenken und zum harten Handeln, sprich zur Regulierung der Bestände. So dürfen jetzt im norditalienischen Trentino in diesem und im nächsten Jahr jeweils acht Bären getötet werden, die Menschen oder Ortschaften zu nahegekommen sind. 

 

Hintergrund der vom Trentiner Landtag abgesegneten Abschusserlaubnis ist, dass in der Region vor knapp einem Jahr ein Bär einen Jogger getötet hatte. Mit der neuen gesetzlichen Regelung sollen Bären unkomplizierter und ohne bürokratische Hürden erlegt werden dürfen. Aktuell werden im Trentino etwa 100 ausgewachsene Braunbären vermutet. Vor 25 Jahren galten die Tiere dort als nahezu ausgestorben, doch dann wurden Bären aus Slowenien dorthin gebracht und ausgewildert. Diese Tiere scheinen sich im Trentino offenkundig wohler als erhofft zu fühlen – etwas, was man wohl auch von Wölfen in Deutschland sagen kann.

 

Billige Polemik gegen Jagd und Jäger

 

Erlauben Sie mir noch eine Anmerkung zu einer Fernsehsendung im ZDF: Der öffentlich-rechtliche Sender wirbt für sich gerne mit dem Slogan „Mit dem Zweiten sieht man besser“. Oft stimmt dies, doch für das „ZDF Magazin Royale“ vom Freitag letzter Woche mit Jan Böhmermann lässt sich dies leider nicht sagen. Ganz im Gegenteil, diese Sendung war schlichtweg peinlich für Sender und Moderator. Es ging um Jagd, speziell um die im Ausland. Was dort von Böhmermann unter dem Etikett Satire gezeigt und geäußert wurde, war eine Aneinanderreihung von billigen Vorurteilen, verbunden mit Klamauk und inhaltlich sowie zeitlich unpassenden Beispielen. Zugegeben, ein Böhmermann in Hochform kann durchaus witzig und interessant sein. Bei seiner Sendung über die Jagd war weder das eine noch das andere der Fall. 

 

Wer die Böhmermann-Sendung verpasst und seine Zeit besser genutzt hat, sollte sich daher freuen. Und vielleicht einmal im Kalender auf die vielen Thementage schauen, die dort reihenweise auftauchen. Denn für nahezu alles in der Welt gibt es Erinnerungs-, Gedenk-, Aktions-, Motivations- und für Missionsbewegte auch PR- und Erziehungstage. International hatten wir so übrigens am 3. März den von der Unesco initiierten „World Wildlife Day“, am 4. März den „Internationalen Tag des Ingenieurwesens für nachhaltige Entwicklung“. National werden wir dann nach der Liste der Gedenk- und Aktionstage weitere besondere Ereignisse zu erwarten haben wie etwa am 24. Juli den Tag des Kusses und folgend andere Kuriositäten.

 

Foto: LustrousTaiwan
Foto: LustrousTaiwan

Das richtige Essen

 

Etwas ernster ging es bei einem weiteren Aktionstag zu, der in dieser Woche gerade hinter uns liegt: Am Donnerstag wurde in Deutschland der „Tag der gesunden Ernährung“ begangen. Dies heißt nicht, dass nur an diesem Tag mehr Obst und Gemüse und weniger Fleisch auf die Teller kommen sollten, sondern nach Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) entsprechende Appelle generell zu gelten haben. Sie empfiehlt, „bunt und gesund zu essen und dabei die Umwelt zu schonen“. Dieser im Prinzip nur medial begangene Aktionstag macht den Einen oder Anderen schon stutzig, der da meint, sich auch mit etwas größeren Portionen Fleisch (idealerweise gesundes Wildbret als im Entstehen nachweisliches Bioprodukt) zu ernähren. Nach den überarbeiteten Richtlinien mit Appell-Charakter sollten wir die täglichen Portionen von Milch und Milchprodukten von drei auf zwei reduzieren, wöchentlich maximal 300 Gramm Fleisch sowie ein Ei essen; unverändert bleibt es bei zwei Portionen Fisch in der Woche. 

 

Strammer Max mit zwei Spiegeleiern gehören demnach der Vergangenheit mit großzügigeren tierischen Eiweiß-Regeln an. Da es nicht nur um Ernährung, sondern auch um unsere Umwelt(erziehung) geht, meldeten sich gleich dazu selbst berufene Organisationen wie WWF und Greenpeace zu Wort. Ihnen geht das alles nicht weit genug. Eine WWF-Sprecherin etwa merkt an: „Insbesondere unser zu hoher Verzehr von tierischen Lebensmitteln befeuert die Klima- und Biodiversitätskrise.“ So wird aus dem Tag der gesunden Ernährung mehr so etwas wie ein neuer Tag der Umwelt. Die im Januar von der Bundesregierung beschlossene Ernährungsstrategie mit gewünschten Auswirkungen auf Kantinen und andere Ernährungseinrichtungen hat bereits diesen Weg eingeschlagen. Irgendwie kann man da auch Bauchschmerzen kriegen, wenn man das alles liest …

 

Gleichwohl wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende und einen guten Start in eine hoffentlich für Sie persönlich angenehme und erfolgreiche Woche. 

Mit besten Grüßen

Ihr Jürgen Wermser

Redaktionsleitung/Koordination

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