Haushaltsdebatte: Der ländliche Raum ist für den Kanzler weit weg

Olaf Scholz zeigte sich in der Haushaltsdebatte des Bundestags ungewohnt kämpferisch. Doch ein Bereich blieb außen vor

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). (Foto: © Maximilian König)
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). (Foto: © Maximilian König)

 

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Von Jürgen Wermser

 

Augenscheinlich zeigt die heftige Kritik an seinem Kommunikationsstil beim Kanzler Wirkung. Auch in den eigenen Reihen war das häufige Schweigen des Regierungschefs zunehmend auf Unverständnis gestoßen. Zu Recht, denn mit einem Kanzler im verbalen Ruhestand können die Genossen nur schwerlich aus ihrem Umfragetief herauskommen. Und Scholz scheint verstanden zu haben. Selten hat man ihn zuletzt in der Öffentlichkeit so polemisch und angriffslustig wie jetzt im Bundestag erlebt. Der Kanzler ist zumindest rhetorisch aufgewacht. Selbst vor persönlichen Angriffen gegen CDU-Chef Friedrich Merz („null ökonomischer Sachverstand“) schreckte Scholz nicht zurück. Doch passt das wirklich zu seinem Amt und zu seiner Rolle als Kanzler?

 

Skepsis scheint angebracht. Denn die Bürger wollen jetzt schließlich keinen aggressiven Wahlkämpfer sehen und hören, sondern einen Regierungschef mit vertrauenserweckenden Perspektiven für die Zukunft. Die Rolle von Scholz ist daher nicht zu opponieren und zu polemisieren, sondern vor allem zu regieren und politisch voranzugehen. An dieser Stelle blieb Scholz leider inhaltlich blass. Er verteidigte zwar die allseits bekannten Maßnahmen und Beschlüsse seiner Koalition, aber zeigte keine neuen Wege auf. Mehr noch: Man konnte den Eindruck gewinnen, dass er viele Probleme nicht wirklich sehen, geschweige denn ernst nehmen will. 

 

… und kein Wort zu den Bauernprotesten

 

Weshalb etwa ging der SPD-Politiker nicht auf die heftige Unzufriedenheit der Bürger mit der Arbeit seiner Regierung ein? Und dass die Republik vor kurzem ganz im Zeichen der Bauerndemonstrationen stand, war dem Kanzler nicht eine Silbe wert. Die Koalition sollte sich daher nicht wundern, wenn die Proteste der Landwirte in der ein oder anderen Form weitergehen werden. Überhaupt spielte der ländliche Raum in der Scholz-Rede keine Rolle – es sei denn indirekt bei den Stichworten Mindestlohn oder Arbeitskräftemangel. Das dürfte zu wenig sein, um den von der Ampelkoalition gewünschten Umschwung in der öffentlichen Meinung zu erreichen.

 

So hoch der Unterhaltungswert des Kanzlerauftritts im Bundestag zeitweise auch war, in der Substanz gab es nichts Neues. Scholz setzt augenscheinlich auf das Prinzip „weiter so“, nur rhetorisch offensiver und aggressiver. Immerhin:  Durch einen solchen Kommunikationsstil werden zumindest die Unterschiede und Alternativen zur Opposition klarer, sodass sich die Bürger mit Blick auf kommende Wahlen leichter ein Urteil bilden können. 

 

CDU-Chef Friedrich Merz präsentierte im Bundestag ein hartes Kontrastprogramm zur Ampelregierung. Das ist seine parlamentarische Aufgabe als Oppositionsführer. Doch wenn Scholz einen ähnlich heftigen Ton anschlägt, so passt das nicht zu seinem Amt. Denn so schlecht die Umfragewerte für ihn persönlich und die SPD auch sein mögen, bis zur nächsten Bundestagswahl sind es noch gut eineinhalb Jahre. Erst dann sollte für ihn und sein Kabinett der Wahlkampfmodus gelten. Jetzt heißt es vor allem, die verbleibende Zeit für gute Arbeit statt für polemische Attacken zu nutzen. Insofern war die jüngste Rede des Kanzlers in der Haushaltsdebatte im Grunde für ihn selbst eine vertane Chance. 

 

Ampelkoalition wird an ihren Taten gemessen

 

Wie jede Regierung wird auch die aktuelle Berliner Ampelkoalition am Ende beim Kanzler an ihren Taten gemessen. Und da sieht die Bilanz leider keineswegs so positiv aus, wie Scholz und seine Mitstreiter es darzustellen versuchen. Man schaue nur auf den ländlichen Raum, der am Mittwoch im Bundestag weit weg schien. Dort kämpfen viele Bürger um den Erhalt ihrer persönlichen Lebensgrundlagen. Die jüngsten Proteste der Bauern und anderer Naturnutzer sind Ausdruck einer gewissen Frustration. Denn jenseits der großen Metropolen hat sich vielfach der Eindruck festgesetzt, man werde von Berlin aus politisch nicht in seiner Lebenswirklichkeit gesehen. Es wäre Aufgabe des Kanzlers gewesen, hier Verständnis zu zeigen und Brücken zu bauen.

 


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