Wasser, Wasser, Wasser und die Folgen – Existenzängste und Proteste

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

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Liebe Leserinnen und Leser,

 

alle reden vom Wetter – besser vom und bis zu diesem Wochenende anscheinend unaufhaltsamen Regen. Er hat in seinen schlimmsten Formen des Dauer- und Starkregens in einer Reihe von Regionen bereits zu verheerenden Schäden geführt. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) erklärt als auslösendes Phänomen den als Jetstream bezeichneten Windstrom in etwa zehn Kilometer Höhe. Er lässt ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen mit den entsprechenden Folgen jeweils auf dem Regenradar erscheinen. Wir können nur hoffen, dass nach den weiteren Prognosen die Pegel so schnell wie möglich wieder sinken. Erst einmal hat allerdings der DWD seine Warnungen vor fortgesetztem Dauerregen bis Samstag für die Mitte der Bundesrepublik und den Westen verlängert. Dann soll es von Norden her erst einmal ruhiger und dann aber kalt werden. Ob das nun gut geht oder nicht, wenn sich da etwa Eisschichten auf überfluteten Flächen bilden, ist wohl umstritten. Die Folgen bleiben einfach unabsehbar und die Schäden erst einmal nicht überschaubar.
 

Jost Springensguth
Jost Springensguth

Am Ende wird das eintreten, was immer so war: Öffentliche Hilfe wird es für die Einzelfälle flächendeckend nicht geben; die Regulierungen durch Versicherungen grenzen jeweils an Einzelformulierungen in den Verträgen. Und längst nicht alle Haus- und Grundbesitzer sowie Inhaber von Betriebsstätten schaffen es, ausreichend Schutz gegen Elementarschäden mit ihren Versicherern abzuschließen. Frühere Hochwasserschäden schließen in vielen Fällen solche Regeln auch für künftige Verträge sogar aus. 

 

Die sichtbare Zuwendung der Politik über die kommunale Ebene hinaus erfolgt auch in diesen Tagen schleppend, wobei es im Prinzip doch egal sein sollte, ob ein Bundeskanzler Stiefel zu tragen hat oder nicht. Olaf Scholz und seine Kabinettskolleginnen Faeser und Lemke werden auch im Beisein der jeweiligen Ministerpräsidenten in Niedersachsen oder Sachsen-Anhalt auffallend schmallippig, wenn es um finanzielle Hilfen aus Berlin geht. Ich frage mich wie schon bei früheren Katastrophenauftritten von Kanzlerin oder Kanzler, ob sie wirklich Sätze zu direkt Betroffenen wie „Wir werden niemanden alleinlassen“ sagen sollten. So war es diese Woche wieder von Scholz im Hochwassergebiet von Sachsen-Anhalt zu hören.

 

„Wir werden niemanden alleinlassen.“

Bundeskanzler Olaf Scholz

 

Wie zurückhaltend der Bund bei Naturkatastrophen ist, haben die Küstenanrainer in Schleswig-Holstein gerade noch präsent, obwohl der Küstenschutz eine zugesicherte Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern ist. Und es lohnt sich, einmal nachzuprüfen, wie weit der seit 2015 geltende „Sonderrahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK)“ bisher erfüllt wurde. Immerhin ist diese Aufgabe im Artikel 91 a des Grundgesetzes verankert. Es wäre sicher an der Zeit, diese Absicherung auf allgemeine, durch das Klima verursachte Katastrophen zu erweitern. Das wissen wir spätestens seit den Ereignissen 2021 an der Ahr und den gleichzeitig betroffenen Regionen. Passiert ist in der Bundespolitik nicht viel.

 

In welchem Ausmaß aktuell landwirtschaftliche Betriebe betroffen sind, sehen wir in Einzelfällen am Bildschirm, in den jeweiligen Lokalmedien oder Social-Media-Kanälen. Dazu gehören aber auch die in großen Ausmaßen überfluteten Flächen der Landwirtschaft, von deren Dimensionen weniger geredet wird. Wintersaaten, die im Herbst ausgesät wurden und zurzeit im oder unter Wasser stehen, werden kaum durchkommen. Fast jeder Acker, der jetzt auch in Teilen eine Wasserfläche ist, wird neu zu bearbeiten und einzusäen sein – von möglichen Schadstoffhinterlassenschaften ganz zu schweigen. Das Thema wird die betroffenen Landwirte noch lange beschäftigen, auch wenn einmal das Wasser von den Oberflächen verschwunden ist.

 

Existenzängste und Massenproteste mit schwerem Gerät

 

Alles andere als oberflächlich zu betrachten sind die Existenznöte, in denen zunehmend landwirtschaftliche Betriebe geraten. Darunter befinden sich viele mittlere Familienunternehmen, die sich teilweise nach langer Tradition als „Letzte Generation“ zu betrachten haben. Das ist ein makabrer Wortzusammenhang, den ich in diesem Text bewusst herstelle. Die Vorgängergenerationen haben alle Wandel überstanden – auch Klimaveränderungen. Nur was jetzt politisch und wirtschaftlich über sie zusammenzubrechen droht, löst nun einmal schiere Existenzängste aus. Da gibt es schon länger Druck von allen Seiten – sei es unter Stichworten wie Tierwohl, Tendenzen zum Green Deal in der EU, zunehmenden Detail-Auflagen und aufzeichnungspflichtigen Behördenvorgaben. Dazu kommen die jüngsten Regierungsbeschlüsse, die die Kosten- und Ertragspläne in den Betrieben auf den Kopf stellen.

 

Dagegen werden nun nächste Woche die Landwirte auf die Barrikaden gehen. Oder besser ausgedrückt: Überall im Lande setzen sie ihre Trecker spektakulär in Bewegung. Gestern haben wir einen ersten Blick auf die zu erwartende Großdemonstrationen geworfen, indem wir als Beispiel die Befindlichkeit in einer Region geschildert haben. Und wir haben schon angemerkt, dass die Ampel-Spitzen anfangen zurückzurudern. Nun soll es doch keine Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft geben, wie die Bundesregierung am Donnerstag plötzlich mitteilte. Die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel werde nicht in einem Schritt vollzogen. Bleibt die Frage: Was wird dann vollzogen, wenn es weiter um die Schließung der Finanzlücke von 17 Milliarden geht. Trifft es uns an anderer Stelle auf dem Lande?

 

„Rückerstattung von zu Unrecht erhobenen Steuern“

 

Worum es an einer entscheidenden Stelle geht, konnten wir trefflich formuliert wieder in einer Lokalzeitung lesen. In der Allgemeinen Zeitung Bad Kreuznach erklärte Hildegard Krauß, Vizepräsidentin des Landfrauenverbandes im Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau: Agrardiesel ist so alt wie die Mineralölsteuer. Diese wurde erfunden, um mit den staatlichen Einnahmen Straßen zu bauen und zu unterhalten. Da landwirtschaftlich genutztes Gerät für das Beackern landwirtschaftlicher Flächen benötigt wird und die Grundstückseigentümer die Wirtschaftswege selbst finanzieren, wurde diese Steuer von Anfang an zurückerstattet – seit 23 Jahren aber nur noch zu gut 45 Prozent. Aus Sicht von Bauern ist Agrardiesel also keine Subvention, sondern die teilweise Rückerstattung von zu Unrecht erhobenen Steuern. Im europäischen Ausland sieht man das ähnlich, weshalb etwa französische Traktoren ungestraft mit Heizöl fahren.“ Besser kann man es nicht erklären, warum in Berlin die Realitätsferne zum ländlichen Raum das Handeln der regierenden Spitzenpolitiker bestimmt. 

 

Die Wut in der Jägerschaft hat inzwischen Tradition

 

Jäger-Großdemonstration in Düsseldorf, März 2015. (Foto: Thorsten Neuhaus)
Jäger-Großdemonstration in Düsseldorf, März 2015. (Foto: Thorsten Neuhaus)

Diese Erkenntnis kann man auch auf das Thema Jagdgesetze übertragen, wo in einzelnen Ländern die Wut unter den Betroffenen weiter hohe Wellen schlägt. Ich erinnere mich an ähnliche Jägerproteste vor circa zehn Jahren in Nordrhein-Westfalen. Vielen ist der damalige grüne Umweltminister Johannes Remmel noch in Erinnerung und mir seine Formulierung bei einer Rede auf der Dortmunder „Jagd & Hund“, die er an unseren damaligen Stiftungsvorsitzenden, Ex-Agrarminister und früheren Jägerpräsidenten Jochen Borchert richtete: „Sie haben die Jäger auf die Bäume gebracht und müssen sehen, wie Sie sie wieder runterbringen.“ Das hat dann Remmels Nachfolgerin von der CDU erst einmal erledigt. Borcherts Antwort von damals gilt auch heute dort, wo Jägerinnen und Jäger befürchten, durch gesetzliche Eingriffe um die Zukunft ihrer Passion in den Revieren gebracht zu werden: „Fragen und Probleme um die Jagd greifen wir auf, die nicht unbedingt nur mit neuen Gesetzen geregelt werden sollten, sondern durch das eigenverantwortliche und ethische Verhalten der Jäger in Zusammenarbeit mit allen Naturnutzern – den Landwirten, Grundeigentümern, Förstern, Fischern, Imkern und allen, die die Natur lieben, nutzen und schützen wollen.“ Das sollte man auch heute denen ins Stammbuch schreiben, die etwa in Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Brandenburg oder anderen Ländern in Regierungen und Parlamenten das bewährte Jagdrecht aushebeln wollen. So wie es die einst rot-grüne Landesregierung in NRW versucht hat und letztlich damit gescheitert ist. 

 

Der nächste Protesttermin steht am Dienstag in Mecklenburg-Vorpommern an. Am 10. Januar demonstrieren die Jagdfreunde dort für eine tierschutzgerechte Jagd und gegen einen aktuellen Gesetzesentwurf. Alle Landesjagdverbände unterstützen diesen Aufruf zur Jägerdemo am Dienstag (10. Januar 2024) um 8 Uhr im Alten Garten in Schwerin. Er enthält den Hinweis für die Teilnehmer, möglichst in jagdlicher Signalkleidung, mit Horn, aber ohne Hund zu erscheinen. Es geht um die Zukunft einer tierschutzgerechten Jagd und den Erhalt aller Wildarten. Und das unmittelbar bevor im Schweriner Landtag der zuständige Ausschuss eine Anhörung zum umstrittenen Regierungsentwurf für ein neues Landesjagdgesetz auf der Tagesordnung hat. 

 

Der amtierende Präsident des Landesjagdverbandes, Dr. Florian Asche, begründet in einem YouTube-Beitrag, worum es der Jägerschaft dort im Nordosten geht:

 

 

In diesem Sinne verbleibe ich für ein noch ruhiges Wochenende, dem dann mit Protesten von Bauern, Jägern und Spediteuren eine unruhige Woche folgen dürfte.  

 

Heute übermittle ich unseren Leserinnen und Lesern die besten Wünsche unserer Redaktion natur+mensch für das gerade begonnene Jahr

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