Ideen für die Tonne

Die Ampel ist auf dem allerbesten Weg, die bäuerlichen Familienbetriebe vollends zu verlieren

Foto: Thomas Beckert / pixelio.de
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Von Wolfgang Kleideiter

 

Was wäre am Brandenburger Tor wohl los, wenn im Zuge der Haushaltskonsolidierung den Bürgern mitgeteilt worden wäre, sie müssten zusätzlich zu allen bisherigen Steuern und Abgaben noch ein Monatsgehalt an den Staat zahlen? Der Protest wäre gewaltig. Aber genau diesen Griff ins Portemonnaie mutet man den Bauern trotz vieler Warnungen und gegen jede Vernunft zu. 

 

Ein Wegfall der Agrardieselsubvention und der Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge summiert sich für jeden Betrieb mit einem Schlag auf etliche tausend Euro im Jahr. Über Nacht werden Mehrkosten fällig, die wegen des Preiskampfs und internationalen Wettbewerbs noch nicht einmal weitergegeben werden können und die Höfe in ihrer Existenz und Zukunftsplanung massiv belasten. Dass die Bäuerinnen und Bauern aus ganz Deutschland, die am Montag in Berlin eindrucksvoll auf die Straße gingen, stinksauer sind, dürfte jeder verstehen. Die Streichideen gehören so rasch wie möglich in die Tonne. 

 

Bundeskanzler Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Habeck (Bündnis 90/Grüne) und Finanzminister Lindner (FDP) haben in diesem Punkt jedes Maß verloren. Bei Habeck wiegt dies umso mehr, weil er selbst mehrere Jahre in Schleswig-Holstein als Landwirtschaftsminister mitregierte und die Situation auf den Höfen eigentlich gut kennen müsste. Dass er den Einspruch seines grünen Parteifreundes und Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir bei der Entscheidung weggebügelt hat, ist grotesk. Gerade beim Thema Klimaschutz und Energiewende braucht Habeck schon morgen wieder die Landwirtschaft und den gesamten ländlichen Raum. 

 

Uneinigkeit in Ampelparteien 

 

Wie schon am Wochenende rückten gestern Vertreter der Ampelparteien in Teilen von den einseitigen Agrar-Streichungen ab und distanzierten sich von den Kabinettsbeschlüssen. Wenn sie der Land- und Forstwirtschaft, der Landjugend, den Lohnunternehmern und den Vertretern des ländlichen Raums am Montag zugehört haben, dürften sie in der internen Diskussion viele gute Argumente gegen die Vorschläge vortragen können. 

 

Auf den meisten Höfen in Deutschland wird schon lange wegen der Herausforderungen auf jeden Cent geschaut. Die Lage ist nicht zuletzt deshalb ernst, weil es an einer verlässlichen Politik mangelt, die die oft Jahrhunderte bestehenden Familienbetriebe motiviert und zu Investitionen animiert. Stattdessen werden die Höfe mit Vorschriften gegängelt, immer neuen Auflagen belastet und schutzlos dem Druck des Wettbewerbs ausgesetzt. Tierwohl-Ideen werden zwar formuliert, aber am Ende nicht finanziert. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Anzahl der Betriebe rapide zurückgeht und Höfe in Not geraten. 

 

Vor dieser Kulisse ist die aktuelle Wut über die Kürzung einer wichtigen Beihilfe und Streichung einer Steuerbefreiung im höchsten Maße verständlich. Denn natürlich haben auch die Familien auf den Höfen wie alle anderen in Stadt und Land mit steigenden Energiekosten, mit Inflation und täglich wachsenden Mehrbelastungen zu tun.  

 

„Wir wollen Lösungen finden!“, rief Cem Özdemir, der sich gestern fast verzweifelt um einen Schulterschluss mit den Bauern bemühte, auf der Großdemo ins Mikrophon. Er will, so versprach er, alles daransetzen, die anderen Mitglieder der Ampelregierung von diesen Streichplänen abzubringen. Er sei dagegen gewesen, dass diese Entscheidungen getroffen wurden. 

 

Die Frage ist allerdings, wie viel Gewicht das Wort des Bundeslandwirtschaftsministers am Kabinettstisch hat. Die wütenden Proteste der Bauern, die gestern unter Führung von Bauernpräsident Jochen Rukwied mit rund 1500 Traktoren nach Berlin kamen, kann niemand in der Regierung ignorieren. Sollte es bei den untauglichen Beschlüssen bleiben, war diese Kundgebung, bei der Worte wie „Wahlbetrug!“ und „Neuwahlen!“ skandiert wurden, erst ein Auftakt. 

 


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