Rückblick auf eine Woche mit dem Tag der Deutschen Einheit – Wen der Papst empfängt, wenn es ums Klima geht – Reisen bildet

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

Liebe Leserinnen und Leser unseres Politblogs,

 

Was einigt uns und was nicht? Das war die Frage, die Anfang dieser Woche durch den Nationalfeiertag in den Mittelpunkt gerückt wurde. Der offizielle Festakt und ein Bürgerfest finden jeweils in einer anderen Landeshauptstadt statt – dort, wo der Ministerpräsident oder die Ministerpräsidentin bzw. der Regierende Bürgermeister gerade den Vorsitz der Länderkammer und damit die Präsidentschaft des Bundesrates innehat. Nun zum 33. Mal stand in Hamburg die zweite Frage im Mittelpunkt, wie geteilt wir eigentlich noch sind. Jedenfalls ist der Wunsch, wie es damals zur Wiedervereinigung Helmut Kohl artikulierte, gefühlt nicht eingetreten: Das war die Hoffnung, dass es nach der formellen deutschen Einigung auch zu einer Einigung der Herzen kommt. Und: Aus den neuen Bundesländern sollten blühende Landschaften entstehen. Statistiken sprechen eine andere Sprache als die, wie wir sie vielfach hören und aus dem die Kräfte wie die AfD ihr Potenzial saugen. Die Modernisierung der Wirtschaft ist weit fortgeschritten, zukunftsweisende Industrie-Ansiedlungen mit Technologieunternehmen finden hauptsächlich in den neuen Bundesländern statt und dort entstehen qualifizierte Arbeitsplätze, die kaum noch zu besetzen sind. „Abgehängt“ und „zurückgeblieben“ sind Begriffe, die man eher emotional zuordnen kann. Der Tag der Deutschen Einheit bietet vielleicht auch Anlass, an der einen oder anderen Stelle Entwicklungen neu einzuordnen, wie es Wirtschaftsforscher und -institute gerade tun. Sie sehen neue Potenziale im Osten Deutschlands.

 

Jost Springensguth
Jost Springensguth

Diesmal war also Hamburg an der Reihe. Und in dem Staatsakt zum Tag der Deutschen Einheit wurden gleichwohl mehr Wünsche als positive Ergebnisse formuliert. Appelle an Zusammenhalt und Gemeinsamkeit waren im offiziellen Teil in der Elbphilharmonie zu hören. Selbst für Gerhard Schröder hat das Hamburger Protokoll Platz gefunden, für Angela Merkel war das nicht nötig, weil sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht dabei war. Unter den 1.300 geladenen Gästen war die gesamte Staatsspitze, daneben aber auch Leute wie Wladimir Klitschko, Dragqueen Olivia Jones oder Komiker Otto Waalkes. Deutschland ist bunt und zeigt sich so – ob man es will oder nicht. So bunt war auch das Bürgerfest, das in der Hamburger Innenstadt gefeiert wurde. Immerhin sollen es 700.000 Menschen gewesen sein, die dabei waren. Das war der Teil Fischbrötchen und Getränke an der Alster.

 

Jedenfalls wird so und durch die Fernsehbilder das Bewusstsein wachgehalten, dass Deutschland nach all den Wirren von Krieg und Teilung jetzt in Freiheit und mit seiner demokratischen Verfassung wieder gute Seiten in der Geschichte schreibt. Dass aktuell die Geschichtsschreibung durch Putins hybriden Krieg getrübt wird, spüren wir alle und hoffen auf kluge politische Entscheidungen.

 

Wie steht es um die Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse?

 

Der 33. Jahrestag der Deutschen Einigung erinnert auch an die folgende Verfassungsreform von 1994, wonach eine wichtige Zielsetzung mit Begriff der Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse formuliert wurde. Zu berücksichtigen sind dabei natürlich unterschiedliche regionale Gegebenheiten. Wenn wir uns diesem Komplex zuwenden, sind wir beim Kernthema unseres Blogs: den Belangen des ländlichen Raumes. Es geht auch um andere Teilungen, die zu überwinden sind – etwa zwischen Stadt und Land oder dem unterschiedlichen Verständnis von Natur und Umwelt. Wie weit darf oder muss es um Naturnutzung gehen? Wem gehören Feld, Wald und Wasser? Die Debatten berühren in der Praxis immer wieder Eigentumsrechte, etwa wenn immer mehr dem Gemeinwohl untergeordnet werden soll. Beim Thema Klima gibt es Gräben durch Gesellschaft und Politik, die anscheinend immer tiefer gezogen werden. Manchmal fällt es dabei schwer, gegenseitiges Verständnis aufzubringen. Das gilt beispielsweise für den Umgang mit sogenannten Klimaaktivisten und -aktivistinnen wie etwa bei „Fridays for Future“ oder der „Letzten Generation“. In Berlin haben sich gerade wieder Berufsprotestler auf der Zufahrt zum Potsdamer Platz festgeklebt. Sie strapazieren die Nerven anderer Menschen und erreichen praktisch nichts.

 

Was macht Luisa Neubauer beim Papst?

 

Manch gläubiger Mensch muss bei allen schon gestellten Fragen an die Kirchen zusätzlich noch zur Kenntnis nehmen, dass die Süddeutsche Zeitung formuliert: „Luisa Neubauer trifft den Papst / Im Vatikan mag man die Deutschen nicht so sehr. Eine aber schon: die Umweltaktivistin Luisa Neubauer. Die hatte jetzt dort einen ungewöhnlichen Auftritt.“ Gegen eine Umweltmahnschrift wie diese („Laudate Deum – Stimmen und Zeugnisse zur Klimakrise“) ist nichts einzuwenden, wohl aber gegen die Einladung als einzige Deutsche zu diesem Thema.

 

Da mag es trösten, dass im oberfränkischen Kulmbach ein katholischer Pfarrer die Diskussion darüber ausgelöst hat, ob Kirche Politik machen kann oder darf. Er hat bei der Frage, ob die AfD für Christen wählbar ist, seine klare Haltung öffentlich gemacht: Nein. Damit sind wir bei den anstehenden Landtagswahlen, mit deren Ergebnissen wir uns am Sonntag beschäftigen. Auch nach den letzten Trends von ARD und ZDF sind kaum noch Überraschungen zu erwarten. Das ZDF-Politbarometer von Donnerstag sieht beide Amtsinhaber der Union in Hessen und Bayern vorne. Nun kommt es darauf an, welche Koalitionen sich dazu formieren. Und vor allem darauf, was am Ende in den Koalitionsverträgen steht. In München stehen Aiwangers freie Wähler bereit, mit Söder weiterzumachen. Und in Hessen gibt es hinter dem CDU-Mann Rhein zwischen Grünen und SPD das, was man auf der Autobahn ein Elefantenrennen nennt. Nur die Größe des Tieres passt in diesem Bild nicht zu den jeweils erwarteten 15 Prozent. Wer am Ende die Nase leicht vorn hat, macht sich Hoffnung auf Koalitionsverhandlungen.

 

Was macht der neue Kommissar aus dem Green Deal?

 

Blicken wir noch auf Brüssel und Straßburg, von wo aus Kommission und Parlament der EU unter anderem den „Grünen Deal“ betreiben. Das ist der Fachbegriff, mit dem das Ziel umschrieben wird, wonach die Europäische Union bis 2050 klimaneutral werden soll. Und das hat bekanntlich weitreichende Folgen für die Umwelt- und Wirtschaftspolitik in den einzelnen Mitgliedsländern. Deutschland ist davon besonders betroffen, wie wir in unserem Blog schon mehrfach beschrieben haben. Besonders interessieren uns die Auswirkungen auf die Wirtschaftsbereiche im ländlichen Raum, wo es weitere Auflagen für unsere Bauern geben wird, die Verkehrsinfrastruktur wohl gravierend verändert werden soll und die Menschen, die hier leben und arbeiten, mit großen Veränderungen zu rechnen haben. Die Nachfolge in der Zuständigkeit bleibt bei den Niederlanden. Auf Frans Timmermans folgt Wopke Hoekstra als neuer UN-Klima-Kommissar. Wir werden uns bald in unserem Politblog damit beschäftigen, ob und welche Veränderungen zu diesem Thema folgen.

 

Die Natur, um die es immer wieder geht, haben wir bei einem wunderbaren Ausflug an die Nahe genossen. Hier sind wir aber auch einer weiteren Geschichte begegnet, die nicht nur durch die Brüsseler Bürokratie, sondern auch von Amtsstellen im eigenen Land geschrieben wird. Aus einer Winzerfamilie, die sich gerade in der Weinlese befindet, hört man nicht nur von guten Erträgen mit wieder zu erwartenden genussvollen Weinen, sondern auch von Zukunftsplänen. Der Neubau eines Kelterhauses soll nicht nur önologisch und ökonomisch, sondern auch ökologisch nach höchsten Standards ausfallen. Dazu werden vor allem zum dritten der sprachlich leicht verwechselbaren Begriffe nachhaltige Überlegungen zur Regenwassernutzung angestellt. Da gibt es Förderprogramme, deren Beantragung allerdings offensichtlich so kompliziert mit Auflagen belastet ist, dass der Winzer das Handtuch geschmissen hat. Statt monatelanger Antragsbearbeitung hat er sich letztlich entschieden, den Auflagen und der Büroarbeit und damit der öffentlichen Finanzhilfe aus dem Wege zu gehen und sich stattdessen um seine Lagen und den Betrieb zu kümmern. An seinen Plänen hält er auch ohne öffentliche Hilfe fest. Leider kann das nicht jeder. Seine Zuwendung spüren wir an der Qualität seiner Weine. Und die schätzen wir in gewohnter Weise.

 

Damit wünsche ich Ihnen einen genussvollen Sonntag, der vielleicht entsprechend mit einem guten Glas Wein abgerundet wird. Vielleicht beginnt er mit einem so erholsamen Gang, wie wir ihn bei dem genannten Ausflug im Soonwald erlebt haben. 

Ihr

Jost Springensguth

Redaktionsleitung / Koordination


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