Verkehrspolitische Irrfahrt

Die französische Grüne Karima Delli hat einen autofeindlichen Forderungskatalog für die EU-Führerscheinrichtlinie vorgelegt

Foto: andibreit
Foto: andibreit

 

Von Ludwig Hintjens

 

Die Vorschläge zur Reform der EU-Führerscheinrichtlinie lesen sich wie aus dem Horrorkabinett. Sie klingen, als wollte jemand das Autofahren kaputtregulieren. Der rote Faden der Vorschläge ist eine tiefsitzende Feindseligkeit gegenüber dem Auto. Sie stammen von niemand Geringerem als Karima Delli. Die 44-jährige Grünen-Abgeordnete ist die einflussreichste Verkehrspolitikerin im Europaparlament.

 

Delli hat dieser Tage ihre Forderungen für die Reform der EU-Führerscheinrichtlinie vorgelegt. Sie ist Berichterstatterin des Parlaments für das Gesetzesvorhaben und damit designierte Verhandlungsführerin mit dem Ministerrat.  

 

Die Kommission hatte im Frühjahr ihren Vorschlag für die Überarbeitung der Führerscheinrichtlinie präsentiert. Der Vorschlag ist überaus maßvoll. So schlägt sie die Einführung von begleitetem Fahren ab 17 Jahren EU-weit vor. In allen Mitgliedstaaten soll für Fahranfänger eine zweijährige Probezeit gelten. Es soll zudem strenge Regeln bei Verstößen gegen Alkohol- oder Drogenvorschriften geben. Außerdem will die Kommission dafür sorgen, dass der digitale Führerschein weltweit zuerst in Europa eingeführt wird. Wer einen Führerschein hat, soll künftig den Behörden gegenüber Angaben zur eigenen Fitness für das Abenteuer Straßenverkehr machen. Unter dem Strich sind das alles vernünftige Ansätze, die für mehr Verkehrssicherheit sorgen könnten.

 

Jetzt kommt Delli mit ihren Forderungen. Bei der Fahrtüchtigkeit setzt die Kommission auf die freiwillige Mitarbeit der Autofahrer. Delli will davon nichts wissen. Sie plant verpflichtende Medizinchecks für alle. Generell soll die Gültigkeitsdauer der Fahrerlaubnis auf zehn Jahre beschränkt werden. Auch eine stufenweise Absenkung der Gültigkeit je nach Lebensalter ist geplant: Ab 60 soll der „Schein“ nur noch sieben Jahre gültig sein, ab 70 fünf Jahre und ab 80 nur noch zwei Jahre.

 

Nicht nur auf die Älteren hat sie es abgesehen: Für Fahranfänger soll die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 90 Stundenkilometer begrenzt werden. Für sie soll ein Nachtfahrverbot gelten. Sie sollen mit dem Basisführerschein nur noch ein Auto fahren dürfen, das maximal 1800 Kilogramm wiegt. Überhaupt will sie an die zulässigen Gewichtsklassen heran. Sie will eine neue Führerscheinklasse (B+) schaffen, die zum Steuern von Fahrzeugen zwischen 1800 und 4250 Kilogramm Gewicht befähigt. Den B+-Führerschein dürfte man erst machen, nachdem man zwei Jahre Praxis auf Fahrzeugen bis 1800 Kilogramm nachgewiesen hat.  

 

Sie will die fahrbaren zulässigen Höchstgeschwindigkeiten je nach Führerscheinklasse staffeln: Beim B-Führerschein sind maximal 110 Stundenkilometer erlaubt, beim B+-Führerschein sind höchstens 130 Stundenkilometer drin.

 

Grenzenlose Regelungswut

 

Die Regelungswut ist grenzenlos. Sie passt nicht zum Mantra der Grünen, die nur noch eine Zukunft für das batterieelektrische Auto sehen. E-Autos sind wegen der Batterie deutlich schwerer als Verbrenner. Der ID.3 etwa von Volkswagen ist ein Modell der Kompaktklasse. Also ein Fahrzeug, was sich auch für Fahranfänger anbieten würde. Der ID.3 wäre aber mit seinem Gewicht von mindestens 1800 Kilogramm nach den seltsamen Regeln von Karima Delli künftig nicht mehr für Fahranfänger zulässig.

 

Ihr Forderungskatalog mag Menschen aus der Seele sprechen, die Autos hassen und in Metropolen wohnen, wo man mit Rad und ÖPNV schnell zum Ziel kommt. Und sie sind eine Kampfansage an alle Menschen auf dem Land. Wer auf dem Land teilhaben will am Kulturangebot in den Städten oder auch nur zum Arbeiten seinen Wohnort verlassen muss, der ist auf den Privat-Pkw angewiesen. Im ländlichen Raum ist das Autofahren kein Luxus, sondern pure Notwendigkeit.

 

Massiver Gegenwind ist sicher

 

Zum Glück ist Karima Delli weit davon entfernt, allein die Führerscheinrichtlinie zu bestimmen. Schon im Ausschuss, in dem sie für ihren Bericht eine Mehrheit braucht, ist ihr massiver Gegenwind sicher. Nach der Abstimmung vor Weihnachten im Plenum beginnen die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten und der Kommission. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich Rat und Parlament noch vor der Europawahl einigen. Allein der Zeitplan macht deutlich, dass die Grünenabgeordnete selbst nicht so recht an die Umsetzung ihrer Forderungen glaubt. Sie kandidiert nicht mehr. Sie wird also das Dossier an einen Nachfolger abgeben müssen und damit am Ende nicht Verhandlungsführerin für das Parlament bei dieser wichtigen Frage sein.

 

Auf ihrer verkehrspolitischen Irrfahrt hat sie gleichwohl für die Grünen kurz vor dem Karriereende noch viel politisches Kapital kaputtgeschlagen.

 

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