Bei den Wahlen in Bayern und Hessen steht für den ländlichen Raum viel auf dem Spiel

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

Liebe Leserinnen und Leser,

 

am kommenden Wochenende finden in den beiden großen Flächenländern Bayern und Hessen Landtagswahlen statt. Für die Bürger dort, insbesondere in den ländlichen Regionen, steht viel auf dem Spiel. Denn die Themen Migration, Energiewende, Wohnungsbau greifen gerade in den Dörfern und kleineren Städten tief in das Leben der Menschen ein. Zwar werden viele der Maßnahmen auf Bundesebene geregelt – etwa Stichwort Heizungsgesetz, das gestern auch noch vom Bundesrat bestätigt wurde. Doch auch in den Ländern gibt es beträchtliche Finanzierungs- und Gestaltungsspielräume. Dazu gehört übrigens auch die Frage, ob und wie die Jagdgesetze angefasst werden. Am Ende der Betroffenheitsspirale stehen nun einmal die Menschen, die dort leben und arbeiten. So blicken wir mit ihnen gespannt auf die letzte Wahlkampfwoche und darauf, welches Urteil die Stimmberechtigten über Parteien und ihre Spitzenkandidaten am Sonntag in einer Woche abgeben. 

 

Jürgen Wermser
Jürgen Wermser

In Bayern hat Amtsinhaber Markus Söder von der CSU gute Aussichten, auch künftig die Geschicke des Freistaats zu bestimmen – allerdings mit einem erstarkten Koalitionspartner von den Freien Wählern, so das Ergebnis des aktuellen ARD-BayernTrends von dieser Woche.  Die CSU kommt danach in der Sonntagsfrage auf 36 Prozent und bliebe hinter dem Ergebnis der Landtagswahl 2018 zurück (37,2 Prozent). Die Freien Wähler hätten im Freistaat mit 16 Prozent weiterhin ein Rekordergebnis in Aussicht (2018: 11,6 Prozent). Die Grünen würden mit 15 Prozent hingegen hinter ihr Ergebnis von 2018 zurückfallen (17,6 Prozent), die AfD könnte um fast vier Prozentpunkte zulegen: Sie kommt derzeit auf 14 Prozent (2018: 10,2 Prozent). Die SPD bekäme neun Prozent, die FDP müsste in Bayern derzeit um ihren Wiedereinzug in den Landtag bangen: Mit aktuell nur vier Prozent wäre die Fünf-Prozent-Hürde knapp verfehlt. Ähnlich sind die aktuellen Zahlen des ZDF-Politbarometers von gestern. 

 

Ein wichtiges Thema in Bayern gerade für Jäger und den ländlichen Raum ist der Umgang mit Wölfen. Vor allem die Almbauern fordern im Freistaat dringend eine Bestandsregulierung. Auch die Pläne der CSU und ihrer Landwirtschaftsministerin für eine Jagd- und Forstpolitik gemäß der Devise „Wald vor Wild“ sorgt für reichlich Konfliktstoff. Damit haben wir uns in unserem Politblog intensiv auseinandergesetzt.

 

Gute Werte für Boris Rhein

 

In Hessen deutet sich ebenfalls ein Verbleib des Ministerpräsidenten im Amt an. Regierungschef und CDU-Spitzenkandidat Boris Rhein liegt mit seiner Partei laut der jüngsten Umfrage mit weitem Abstand vorn. Zehn Tage vor der Wahl erreicht die CDU im aktuellen ARD-Hessen-Trend 31 Prozent Zustimmung. Mit deutlichem Abstand rangieren Grüne (17 Prozent), SPD (16 Prozent) und AfD (15 Prozent) derzeit etwa gleichauf. Die FDP kann sich mit aktuell sechs Prozent trotz Verlusten gegenüber 2018 Hoffnungen auf einen Wiedereinzug in das Wiesbadener Parlament machen. Die Linke (vier Prozent) bliebe hingegen derzeit unterhalb der Mandatsschwelle. Die Freien Wähler würden einen Wähleranteil von vier Prozent erreichen und sich damit im Vergleich zu ihrem alten Wahlergebnis (3,0 Prozent) leicht verbessern, aber wären trotzdem nicht im Landtag vertreten. 

 

In jedem Fall hat der Ausgang der Hessen-Wahl auf vielfältige Weise Auswirkung auf den ländlichen Raum und speziell die Naturnutzer. Dazu gehören etwa die Themen nachhaltige Waldbewirtschaftung, die Frage eines eigenständigen Ministeriums für Land und Forstwirtschaft und natürlich auch der Umgang mit dem Wolf. Die Grünen als Koalitionspartner der CDU wollen den Anteil des Ökolandbaus erhöhen und in einem „ökologischen Jagdgesetz“ die Bejagung bestandsgefährdeter Tierarten beenden. Außerdem sollen Hegeringgemeinschaften in die Verantwortung für die natürliche Verjüngung des Waldes genommen werden – gerade für Jäger ein heikles Unterfangen. Mein Kollege Jost Springensguth hat sich hiermit in seinem Blogbeitrag vom 14. September intensiv befasst.

 

Wie konfliktträchtig das Thema Jagd momentan im ländlichen Raum ist, zeigen im Übrigen auch die Entwicklungen in Rheinland-Pfalz. Das vom dortigen Landeskabinett bereits verabschiedete neue Jagdgesetz sorgt unter Jägern für Empörung. Augenscheinlich sieht die Politik in ihnen nur noch Erfüllungsgehilfen im Bemühen um eine möglichst klimaresiliente Waldentwicklung – Stichwort „Wald vor Wild“. Die Jäger traten deshalb in Rheinland-Pfalz in einen mehrwöchigen Warnstreik und holten bis Ende August kein Fallwild mehr ab. Nach dem Anhörungsverfahren will die Mainzer Regierung dem Landtag bis Mitte nächsten Jahres eine abschließend überarbeitete Fassung zuleiten. Mit dem Inkrafttreten des neuen Jagdgesetzes ist dann zum Jagdjahr 2025 zu rechnen. Bis dahin sind noch heftige politische Auseinandersetzungen zwischen Politik und Jägern zu erwarten.

 

Doppelrolle hat Nancy Faeser nichts genutzt

 

Zurück zur Landtagswahl in Hessen. Natürlich sind Meinungsumfragen noch keine Wahlergebnisse. Doch von einem Rückenwind für die SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser lässt sich angesichts der Umfragewerte wohl kaum sprechen. Angetreten war sie mit dem Plan, sich über das wichtige Ministeramt in Berlin für die Staatskanzlei in Wiesbaden zu empfehlen. Doch das ist gründlich misslungen. Man mag darüber streiten, ob die Ursachen vor allem aus der bundespolitischen Großwetterlage herrühren oder in der Person Faeser begründet liegen. Letztlich ist dies aber müßig. Denn den Wählern dürften solche Überlegungen egal sein. Sie beurteilen Kandidaten nach Konzepten und Kompetenzen, vor allem aber nach Vertrauenswürdigkeit. Bei all diesen Aspekten steht es für Faeser momentan nicht zum Besten. Ein Grund: Als Bundesinnenministerin ist sie federführend verantwortlich für zentrale Fragen der Migration. Und genau diese sind aktuell einer der größten Aufreger in der Bevölkerung. 

 

Gewiss, das Problem Migration haben weder Faeser noch die SPD erfunden. Es ist ein Megatrend. Das ändert aber nichts daran, dass die Bundesregierung das Thema längst systematisch und mit langem Atem – zumindest teilweise – hätte angehen und zumindest etwas entschärfen müssen. Wie dies gehen kann, haben die dänischen Genossen ihren deutschen Parteifreunden vorgemacht. Und Faeser? Sie wirkt stattdessen zunehmend wie eine Getriebene, die lediglich hektisch auf Zuspitzungen der Lage und auf populistische Forderungen aus der Bevölkerung reagiert. Ansehen und persönliche Autorität lassen sich so nicht verbessern. 

 

Gleiches gilt für ihre problematische Abberufung des früheren BSI-Präsidenten Arne Schönbohm. Auch hier vermochte Faeser die kritischen Fragen aus der Opposition nicht öffentlich erkennbar zu entkräften. Die Doppelrolle als Spitzenkandidatin bei der hessischen Landtagswahl und als Ministerin in einem Schlüsselressort der Bundesregierung scheint die SPD-Spitzenkandidatin zu überfordern.

 

Doch nicht nur Faeser, sondern die gesamte Koalition in Berlin steht momentan mit dem Rücken zur Wand. Der Ton zwischen den Regierungspartnern wird immer rauer. Man denke nur an den kürzlichen Vorwurf des FDP-Generalsekretärs Bijan Djir-Sarai, die Grünen seien ein „Sicherheitsrisiko“ für Deutschland, denn sie würden durch realitätsferne Positionen konsequentes Regierungshandeln und parteiübergreifende Lösungen erschweren. Dass der grüne Parteivorsitzende Omi Nouripour daraufhin den Vorwurf mit der Bemerkung konterte, die Liberalen würden „die Untergrenze des Anstands verletzen“, trägt gewiss auch nicht zur Beruhigung der Gemüter bei. Das Publikum sieht all dies mit einer Mischung aus Erstaunen und Befremden. Wenn sich Koalitionspartner öffentlich derart verletzend streiten, wie muss es dann erst hinter den Kulissen zugehen?

 

Ländliche Hausbauer in Sorge

 

Mit zwei Themen, die gerade für den ländlichen Raum von großer Bedeutung sind, versuchte die Ampelkoalition in dieser Woche politisch zu punkten. So hatte der Kanzler zum Wohnungsbaugipfel geladen. Die Branche zeigte sich im Vorfeld skeptisch, der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) sowie Haus&Grund kamen erst gar nicht. Doch im Anschluss äußerten sich viele Teilnehmer verhalten positiv. Immerhin scheint die Brisanz des Problems endlich auch an der Spitze der Regierung angekommen zu sein. Das ist fraglos positiv, doch von einem Befreiungsschlag zugunsten von mehr bezahlbarem Wohnungsraum lässt sich nicht sprechen. Die angekündigten Maßnahmen verbilligen den Erwerb von Wohnungen und Häusern kaum. Lediglich der Preisanstieg durch zu hohe staatliche Energievorgaben wird etwas gebremst. Das dürfte jedoch kaum ausreichen, um eine Trendwende gerade bei den im ländlichen Raum so beliebten Einfamilienhäusern zu bewirken. Auch bleibt unklar, welche Rolle die Länder beim Plan des Kanzlers spielen sollen und wollen. So viel lässt sich jedenfalls schon jetzt sagen: Einen neuen Bauboom wird der Gipfel im Kanzleramt nicht auslösen.

 

Einen Boom in Sachen Nachfrage gab es dagegen beim Förderprogramm der staatlichen KfW-Bank für das Laden von Elektroautos mit Solarstrom. Die vom Bund bereitgestellten Gelder in Höhe von 300 Millionen Euro waren bereits in einem Tag ausgeschöpft. Menschen, die etwa im ländlichen Raum immer noch über eine schlechte Internetverbindung verfügen, hatten es beim Ansturm auf die Anträge besonders schwer. Dabei wäre gerade für sie staatliche Hilfe beim Umstieg auf eine umweltgerechtere Mobilität von großer Bedeutung. Denn man mag es drehen und wenden, wie man will: Das Auto bleibt außerhalb der Großstädte und fern eines passablen ÖPNV unverzichtbar. Der Bund sollte daher nicht vornehmlich Großstädter durch verbilligte Tarife – Stichwort Deutschlandticket – unterstützen, sondern auch gezielt umweltgerechteres Fahren speziell im ländlichen Raum fördern. Und dies ist mit dem völlig unzureichend ausgestatteten Solardach-Programm für E-Autos gewiss nicht gelungen.

 

Trotz alledem wünsche ich Ihnen eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen

Ihr

Jürgen Wermser

Redaktionsleitung/Koordination

 

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