Der Glaubenskrieg um Glyphosat geht weiter

Dass die EU-Kommission vorschlägt, die bis Mitte Dezember gültige Zulassung um zehn Jahre zu verlängern, hat die Gutachtenschlacht neu angeheizt

Foto: hpgruesen
Foto: hpgruesen

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Längst hat die seit Jahrzehnten scharf geführte Diskussion über einen für die produktive Landwirtschaft wichtigen Wirkstoff skurrile Züge angenommen. Auch im neu aufgeflammten Glyphosat-Streit wird wieder zu allen Mitteln gegriffen. 

 

Die Verbände Global 2000 (Österreich) und Pestizid-Aktionsnetzwerk (Deutschland) haben diesmal gegen den Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer Strafanzeige gestellt. Der Konzern, der mit der Monsanto-Übernahme auch Glyphosat übernahm, soll kritische Studienergebnisse unterschlagen und Behörden getäuscht haben. Angesichts von inzwischen über 1000 veröffentlichten Glyphosat-Studien und wissenschaftlichen Artikeln zu allen denkbaren Aspekten klingt dies geradezu absurd. 

 

Drei Jahre lang hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sich mit den weltweit erforschten Erkenntnissen und wissenschaftlichen Bewertungen befasst und empfiehlt nun in einem umfassenden Report eine Verlängerung der Zulassung in den EU-Staaten. Verbunden ist dies mit entsprechenden Praxisempfehlungen. In der Vergangenheit war die wissenschaftlich fundierte EFSA-Bewertung eine Basis für vernünftige Sachentscheidungen. Beim Thema Glyphosat gilt dies schon lange nicht mehr. 

 

Natürlich lehnt das grün geführte Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eine Erneuerung der Genehmigung auf EU-Ebene ab. Argumentiert wird mit „Datenlücken“ bei der Beurteilung einiger Fragen zu Gefahren für Mensch und Umwelt. Und angeführt wird auch die Artenvielfalt. Im Internetportal des Ministeriums wird an vielen Stellen behauptet, dass Glyphosat die Biodiversität schädige. Jüngste Äußerungen von Minister Özdemir zur Glyphosat-Frage lassen vermuten, dass man bei einem Verbot genau auf diese Karte setzt. Offiziell heißt es wiederum in Berlin, die Informationen aus allen Studien und Untersuchungen reichten für „eindeutige Schlussfolgerungen“ nicht aus. 

 

Erträge würden dramatisch sinken

 

Was Özdemir nicht sagt: Ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mit Wirkstoffen wie Glyphosat würden die Erträge auf den Feldern dramatisch in die Knie gehen. Eine Studie des EU-Parlaments zum Thema „Landwirtschaft ohne Pflanzenschutzmittel“ hat die geschätzten Rückgänge beziffert: minus 62 Prozent beim Reis, minus 60 Prozent bei Kartoffeln, minus 55 Prozent bei Mais und minus 48 Prozent bei Sojabohnen. Die Ertragseinbrüche beim Verzicht auf Pflanzenschutzmittel variieren je nach Region und Art der Produktion. 

 

Verursacht werden diese Ertragseinbußen von Unkräutern, die mit den Nutzpflanzen um Nährstoffe im Boden konkurrieren. Die Klimaveränderungen mit Dürrephasen und Starkregen kommen belastend hinzu und führen zu der Kernfrage, wie die wachsende Weltbevölkerung ernährt werden soll, wenn auf Pflanzenschutzmittel verzichtet würde. 

 

Die Antwort gefällt Gegnern des Wirkstoffs Glyphosat nicht. Denn ohne diese Stoffe müsste die Landwirtschaft deutlich mehr Land als heute nutzen, um auf den Flächen in einem auch ökonomisch aufwendigen Bearbeitungsverfahren mit deutlich stärkerer Bodenerosion und größeren CO2-Emissionen die notwendigen Erträge zu erzielen. Um die Biodiversität wäre es dann keinen Deut besser bestellt. Deshalb laufen parallel zur überhitzten Glyphosat-Debatte in vielen Regionen Versuche, in der landwirtschaftlichen Praxis mehr und mehr auf den Wirkstoff zu verzichten. Man will einen möglichst konservierenden Ackerbau betreiben, der ohne den Einsatz des Pflugs und mit wenig Pflanzenschutzmitteln auskommt. Keine leichte Aufgabenstellung.

 

Der Kommissionsvorschlag zu Glyphosat wird den 27 EU-Mitgliedstaaten jetzt zur Abstimmung vorgelegt. Für eine Entscheidung wird eine Mehrheit von mindestens 15 der 27 EU-Mitglieder, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten müssen, benötigt. Am 13. Oktober soll die Abstimmung im Ständigen Ausschuss für Tiere, Pflanzen, Lebens- und Futtermittel erfolgen.

 

Welche Schlüsse man in Deutschland aus der Entscheidung auf EU-Ebene ziehen wird, ist schwer zu sagen. Im Koalitionsvertrag der Ampel steht zwar, man wolle Glyphosat Ende 2023 vom deutschen Markt nehmen. Ob dies aber ohne weiteres so möglich sein wird, ist offen. Vor allem dann, wenn die EU mehrheitlich beschließt, den Glyphosat-Einsatz unter bestimmten Bedingungen weiter zuzulassen.

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Dr. Ernst Dieter Eberhard (Samstag, 30 September 2023 12:19)

    Das Glyphosat-Gutachten, das das amerikanische Gericht zu dem Viele-Millionen-Urteil für den krebskranken Mann brachte, wurde als Fälschung entlarvt. Ein Statistik-Professor der Universität Maastricht hat dem US-Anwaltsbüro für 160.000 Dollar und lukrative Beraterverträge diese Fälschung produziert. Kein Mensch der toxikologischen Fachwelt in Deutschland, EU und FDA in USA konnte dieses Ergebnis nachvollziehen; denn alle hatten die gleichen Untersuchungsergebnisse vorliegen. Die FAZ stieß bei ihrer Recherche auf diesen ungeheuerlichen Betrug, der selbst bei einem WHO-Büro für Cancer-Risk-Bewertung willkommen geheißen wurde. Die grüne Welt jubelte. Die WHO hat nach Bekanntwerden dieses Betruges diesem Büro die Kompetenz entzogen, und die EPA in USA stellte klar fest, dass die bei dem kranken Mann festgestellten Krebsarten auf keinen Fall auf Glyphosat zurückzuführen sind und das amerikanische Urteil somit wertlos ist.

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