Produktives Miteinander statt Konkurrenz

Stadt und ländlicher Raum könnten von einem produktiven Schulterschluss profitieren. Bei einem Bundeskongress wurde für das stärkere Miteinander geworben

Foto: drhorstdonat1
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Von Wolfgang Kleideiter

 

Im Stadt-Land-Gefüge gibt es immer wieder Risse. Zum Beispiel dann, wenn eine Seite ihr eigenes Süppchen kocht und die Abhängigkeiten in einer Region außer Acht lässt. Jüngstes Beispiel Hannover: Dort propagiert der grüne Oberbürgermeister die autofreie Innenstadt 2030, vergisst aber in der ersten Euphorie Pendler und Händler. Dabei wäre es wichtig, bei solchen Visionen möglichst viele Menschen in Stadt und Land mitzunehmen, Synergien zu nutzen und auch auf das im Grundgesetz verankerte Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse zu achten.

 

Dass es erfolgreich geht, zeigte sich kürzlich im thüringischen Jena, wo der 16. Bundeskongress zur Nationalen Stadtentwicklung unter dem Titel „Zukunftswerkstatt StadtLand - Wege zu einem neuen Miteinander!“ stattfand. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, die Bauministerkonferenz der Länder, der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Deutsche Städtetag luden gemeinsam dazu ein. Dass beide Kommunalverbände sich hier engagierten, dokumentiert den Wunsch nach Verbesserung.

 

Warum Jena? Der zweitägige Kongress nutzte die Internationale Bauausstellung (IBA) Thüringen, die sich noch bis Ende Oktober mit Hunderten von Projektpartnern intensiv dem Beziehungsthema Stadt-Land widmet. Ein Stoff, der zum Freistaat passt, denn das Bundesland ist überwiegend ländlich. Die Regionen gruppieren sich um viele kleine Städte. Jena gehört mit 110.000 Einwohnern bereits zu den „Metropolen“.

 

Natürlich wurde viel diskutiert, geredet und vorgetragen. Zur Sprache kamen neue Ansätze und Strategien der Stadtentwicklungspolitik. Stets mit im Fokus: die Transformationsaufgaben Klimawandel, Wohnen, soziale Teilhabe, Energie- und Mobilitätswende – und das Miteinander von Städten und ländlichen Regionen. Beide wollen mit Attraktivität punkten, beide buhlen um Arbeitsplätze und Angebote. Die IBA-Projekte lieferten den einen oder anderen neuen und interessanten Gedankenansatz. Zum Beispiel Versuche zur Stadt-Land-Mobilität in Nordhausen, Gesundheitskioske in der Region Seltenrain oder die „Her(r)bergskirchen“ im Thüringer Wald.

 

Ramelow wirbt für Zusammenarbeit

 

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow warb in Jena bei der Kongresseröffnung für die Zusammenarbeit über Ortsgrenzen hinweg: „Wir müssen Angebote schaffen, um die Qualität der Stadt mit den Vorteilen des ländlichen Raums zu verbinden.“ Für Ramelow gehört auch eine Mobilitätsgarantie dazu. Niemand dürfe sich abgehängt fühlen. „Man kann nur ohne Auto leben, wenn man überhaupt die Chance hat, irgendwo anders hinzukommen.“

 

Für Jenas Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche liegt auf der Hand, dass seine Stadt enge Beziehungen zu den 17 Umlandgemeinden pflegen muss. Denn die Lage im Tal lässt es kaum zu, dass in der Stadt selbst neue Wohngebiete entstehen. Man benötigt aber den Zuzug, weil bis 2030 ein Drittel der Belegschaft in den großen Unternehmen und Einrichtungen der Stadt in den Ruhestand wechselt. Der prognostizierte Fachkräftebedarf beläuft sich auf 24.000 Personen.

 

Doch die Zusammenarbeit von Stadt und Land müsste auf eine viel einfachere Basis gestellt werden. Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister der Stadt Münster, sieht politische, gesetzliche und administrative Hürden, die ein produktives Miteinander erschweren. „Diese Hürden müssen gesenkt und das Gemeinsame vorangestellt werden. Nur so können die vielfältigen Herausforderungen der nächsten Jahre und Jahrzehnte agil und wirksam angegangen werden.“

 

Für Dr. Uwe Brandl, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und 1. Bürgermeister der Stadt Abensberg, müssen gerade die Städte und Gemeinden in diesen herausfordernden Zeiten nachhaltig gestärkt werden. Dazu brauche es alle staatlichen Ebenen und ein kooperatives Miteinander von Bund, Ländern und Kommunen auf Augenhöhe. Die Städtebauförderung ist laut Brandl ein wesentliches Instrument für gute Stadtentwicklungspolitik, damit innovative und kreative Projekte überhaupt in die Umsetzung kommen. Sie müsse nicht nur erhalten, sondern praxisgerecht fortentwickelt und auf einem hohen finanziellen Niveau verstetigt werden, lautete ein Appell an die Politik.

 


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