Wo die Politik die Jäger ins Visier nimmt – Wo man den Wolf laufen lässt

Unser Rückblick auf die politische Woche, in der vom ländlichen Raum kaum die Rede war

 

Liebe Leserinnen und Leser unseres Politblogs,

 

wie schon mehrfach festgestellt wurde, spielt der ländliche Raum in den großen aktuellen Debatten kaum eine Rolle. Der Begriff fällt in Berlin selten oder erst gar nicht, obwohl das „platte Land“, die Dörfer und die kleineren Städte in vielen Fällen direkt oder indirekt von zahlreichen aktuellen politischen Entwicklungen betroffen sind. Das gilt für Mobilitätsthemen, Bildungschancen, Krankenhausversorgung bis hin zur Flüchtlingspolitik, auf die ich etwas weiter unten noch einmal eingehen muss. Wenn hier auf die Kommunalpolitik in der Unterbringungs- und Versorgungsfrage immer wieder verwiesen wird, erinnert das an den alten Film „Die Letzten beißen die Hunde“. Das sind dann auch Ehrenamtliche in den kleinen Gemeinden. 

 

Jost Springensguth
Jost Springensguth

Wesentliches spielt sich zunächst auf Landesebene ab, was denn auch bundesweit diskutiert wird. So blicken wir aktuell einmal auf Rheinland-Pfalz, wo geradezu erbittert zwischen den Vertretern der rot-grün-gelben Ampelregierung (das gibt es auch dort!) und der Jägerschaft darüber gestritten wird, was aus dem Landesumweltministerium stammt und als Regierungsentwurf durchgesetzt werden soll. Das ist ein neues Jagdgesetz, das formell eine Novelle ist, die Jagd aber in Grundfesten betrifft. Daran lässt die Regierung Dreyer auch keine Zweifel, indem betont wird, dass man als erstes Bundesland von der verfassungsmäßig zugestandenen Abweichungskompetenz Gebrauch machen wolle. Wir haben bereits am Freitag in unserem Beitrag berichtet, worum es geht und warum das ein Schlag gegen fundamentale Interessen der Jägerschaft ist. In den sozialen Medien wie auch in Blogbeiträgen oder in WhatsApp-Gruppen sammelt sich massiver Widerstand, der bundesweit wirkt. Und das, weil das Gesetzesvorhaben in Mainz als Blaupause auch für andere Bundesländer gedacht ist. Es geht im Kern um die politische Gefährdung des bewährten Zusammenspiels zwischen Grundstückseigentümern und Jagdausübungsberechtigten in unserem Reviersystem. Und um fundamentale Meinungsunterschiede über jagd- und tierschutzrechtliche Standards. Dazu empfehle ich den Link zum zuständigen Landesjagdverband.

 

Da es im Kern um Besitz- und Nutzungsrechte von Grundstücken geht, ist es schon verwunderlich, dass die Regierungspartei FDP dort die Novelle mitträgt, wenn man weiß, wie die Liberalen grundsätzlich zum Eigentum stehen. Ein Landtagsabgeordneter in diesen Reihen, Landwirt, Jäger und Grundbesitzer aus Daun in der Eifel, muss bei seiner Koalitionstreue schon starke Nerven aufbringen, was ihm in den sozialen Medien an Widerstand entgegenschlägt. Seine Berliner Parteikollegen um Christian Lindner (übrigens auch Jäger) sind da in der Ampel schon widerstandsfähiger, wenn auf dem Kabinettstisch liegt, was zu den liberalen Kernanliegen gehört.

 

Standfest geben sich in dem schon zitierten Komplex der Asyl-, Flüchtlings- und Zuwanderungsfrage die in Berlin regierenden Sozialdemokraten und Grünen. Und das mit Selbstbewusstsein: „Unsere Maßnahmen wirken“. Mit dieser Aussage überrascht unsere Innenministerin die deutsche Öffentlichkeit im Bundestag und mit anderen Genossen bei Illner, Maischberger, Lanz, Will & Co., wo regelmäßig auch Politik gemacht wird. In dieser Woche am Vorabend der Parlamentsdebatte sagte Nancy Faeser im ZDF: „Jetzt tun Sie nicht so, als ob ich nichts machen würde“, nachdem Jens Spahn festgestellt hatte: „Wir schaffen das nicht mehr.“ Da wird so getan, als habe man alles im Griff und sei mit den Landräten und Bürgermeistern zum Thema Unterbringung gut im Gespräch. Und gleich im Anschluss bei der nächsten Talkshow wollte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken dem Moderator, weiteren Gästen und Zuschauern weismachen, wie sehr auch die Zuwanderung unserem Arbeitsmarkt helfe. Und das vor den eingeblendeten Bildern aus Lampedusa, als sie sagte: „Frau Faeser hat einen klaren Plan für die Migration (...) und der wird jetzt auch umgesetzt. Dass wir derzeit mit wirklich großen Belastungen in den Kommunen zu tun haben, haben wir sehr wohl auf dem Schirm.“ Wie das Thema dort gelöst wird, wenn die Zuwanderungsströme anhalten, sagte sie nicht. Es ist nicht nur bedauerlich, sondern nach meiner Auffassung für unser Land schädlich, dass nicht wenigstens in dieser Frage die Regierungsparteien mit der Union zusammenfinden, um auch mit entsprechend größerem politischen Gewicht in der EU an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten. Wenn weiter über 30 Prozent der Zuwanderer nach Europa Deutschland als Ziel haben, so steigen bei uns die Risiken weiterer sozialer Spannungen oder gar Verwerfungen. Übrigens sei mal daran erinnert, dass der Komplex Flüchtlingsströme bei der viel gescholtenen Angela Merkel persönlich verortet und ein Herzensanliegen war. Das gilt nicht für ihren Nachfolger, der selbst für Landräte, Bürgermeister und Kommunalverbände dazu schwer erreichbar ist.

 

Die schlechten Prognosen zum Wohnungsbau verfestigen sich

 

Letztlich geht es bei diesen Themen auch um den Komplex Wohnraum, wo die sozial Schwächeren unserer Gesellschaft mit Zuwanderern – auch aus der Ukraine – faktisch konkurrieren. Inzwischen verfestigen sich die Prognosen, dass das Ziel der Bundesregierung weit verfehlt wird, wonach in Deutschland jährlich 400.000 Wohnungen fertiggestellt werden sollen. Das klang wie ein Versprechen. Einen drastischen Rückgang dagegen erwartet das Ifo-Institut. Ob selbst die Prognose von Ifo-Wirtschaftsforschern, dass es in diesem Jahr 245.000 und im nächsten 210.000 werden sollen, noch zu halten ist, scheint laut aktueller Meldungen fraglich. In dieser Woche wurde gerade dazu gemeldet, dass allein der Immobilienkonzern Vonovia die fertigen Pläne zum Bau von 60.000 Wohneinheiten nicht verwirklicht. Vorstandschef Buch wird von der Funke-Mediengruppe damit zitiert, dass wegen der hohen Zinsen und Baukosten die geplanten Vorhaben in der Schublade bleiben. Nach seinen Angaben fehlen jetzt in Deutschland schon eine Million Wohnungen. Vonovia steht damit nicht allein da. Nach den Ifo-Experten hat bereits jede fünfte Firma in dieser Branche Projekte abgesagt. Die Zahl der Baugenehmigungen brach allein im Juli um 31,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat ein. Das alles legt den Schluss nahe, dass nicht nur das fehlende Wohneigentum, sondern auch der dramatisch angespannte Mietmarkt zu neuen sozialen Fragen führt.

 

Was macht eine Regierung, wenn die verkündeten Ziele nicht erreicht werden? Der Kanzler lädt Anfang kommender Woche zum Wohnungsbaugipfel ein. Das Problem wird bei allem guten Willen bei der großen Zahl der Teilnehmer in der vorgegebenen Zeit kaum gelöst werden können.

 

Zum Thema passt dann eine Prognose des Vorsitzenden des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Helmut Schleweis. Für ihn entsteht eine neue soziale Frage“, weil viele sich das Bauen oder den Erwerb einer Wohnung nicht mehr leisten können. Das gelte für viele Familien, die das einfach nicht mehr schaffen. Das Handelsblatt zitiert den Sparkassenchef: „Menschen mit niedrigem Einkommen leiden besonders unter der hohen Inflation, weil die Preissteigerungen für Lebensmittel und Energie sie besonders hart treffen.“ Da bleibt kein Spielraum für das, wovon insbesondere junge Familien träumen: die eigenen vier Wände, die gerade auf dem Lande bisher in der Lebensplanung noch als erschwinglich galten. Sparkassen und Genossenschaftsbanken finanzieren dort weit mehr als die Hälfte in der privaten Immobilienwirtschaft. Dabei ist geschaffenes Wohneigentum eine überzeugende Absicherung gegen die Inflation und für das Alter. Das gilt allerdings nur dann, wenn keine Überraschungen kommen, wie sie die Ampelregierung mit dem Heizungsgesetz für ältere Immobilien vorschreiben will.

 

Während die Frage zum kalendarischen Herbstbeginn am 23. September auf der Hand liegt, ob wir angesichts der aktuellen Wetterlage noch im Spätsommer sind oder bereits in der vierten Jahreszeit, werden weitere Erntebilanzen gezogen. So wissen wir jetzt auch, dass es nicht nur der (jetzt wohl etwas gebremste) Trend gestiegener Lebensmittelpreise ist, der unsere Kirschen auf den Märkten zu gefühlten Luxusgütern werden ließ. Das Statistische Bundesamt meldete in dieser Woche, dass für dieses beliebte Obst drastische Ernterückgänge zu verzeichnen sind. Mit 48.700 Tonnen wurden in Deutschland 17,5 Prozent weniger Süßkirschen geerntet als im Vorjahr. Zu den Gründen werden frühere Blütezeiten, regional aufgetretene Spätfröste und lokale Unwetter mit Starkregen aufgeführt. Irgendwie landen wir auch bei dieser Betrachtung bei Erscheinungen des Klimawandels.

 

Wolf: Zäune und Entschädigungen reichen einfach nicht

 

Das Thema Wolf lässt uns weiter nicht los. Nachdem wir in unserem Blog unter dem Titel „Wolfspolitik am Ende der Märchenstunden“ beschrieben haben, wie selbst die grüne Bundesumweltministerin bei der rasant wachsenden Population empfiehlt, die Realität anzuerkennen, will der ebenfalls grüne Amtskollege in NRW etwas tun, „um die Akzeptanz für den Wolf insgesamt zu erhalten“. Das gab schon Beifall vom Nabu. Konkret heißt das, dass das Land gerade in weiteren Gebieten Zäune fördern will, um Weidetiere zu schützen. Dass dieser Weg anderswo, wie etwa in Niedersachsen, gescheitert ist, will man in Düsseldorf (immer noch nicht) wahrhaben. Im Landkreis Stade in Niedersachsen waren vor Kurzem allein bei einem Wolfsangriff 55 Schafe getötet oder tödlich verletzt worden. Dass auch öffentlich geförderte Zäune nicht ausreichen, ist für die Weidetierhalter inzwischen nachgewiesen. Gestern las ich in den Westfälischen Nachrichten einen Bericht über die Praxis. Der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) berichtet, dass in diesem Jahr bislang in Westfalen 150 Schafe, Ziegen und ein Rind gerissen worden seien. Ein Tierhalter kommt nach seiner Erfahrung mit einem 1,40 Meter hohen Zaun nicht aus. Ein sicherer Zaun müsste zwei Meter hoch sein und 40 Zentimeter in den Boden reichen. Staatlich geförderter Herdenschutz und finanzielle Rissentschädigung können das grundsätzliche Problem nicht lösen, ist der regionale Bauernverband sich sicher.

 

Warum also in NRW weiter so, statt Abschüsse nach Rissen schneller und unbürokratischer erleichtern, wie es Umweltministerin Steffi Lemke inzwischen verlangt. Der Deutsche Bauernverband fordert schon lange ein „aktives Management“ der Wolfspopulation. Schwarz-Grün in Düsseldorf ist anders als in verschiedenen Bundesländern noch weit davon weg.

 

Bis Freitag übrigens sollten in Europa die national zuständigen Behörden aktuelle Daten zu diesem Thema nach Brüssel liefern, wo man sich von dem bisher strengen Schutzstatus offensichtlich verabschiedet. Es geht um andere Konfliktlösungen als bisher, um Natur und Mensch gerecht zu werden. Im Jagdbetrieb gibt es dazu lange Erfahrungen und entsprechende Kompetenz.

 

Dann warten wir mal ab, welche Antworten zum Wochenbeginn gemeldet werden. Was beim Wohnungsgipfel in Berlin herauskommt oder ob in Brüssel die Wolfspost angekommen ist.

 

Mit diesem Hinweis wünsche ich Ihnen einen vielleicht doch passenden Herbstanfang und einen schönen Sonntag. 

Ihr

Jost Springensguth

Redaktionsleitung / Koordination


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