Pfälzer Jagdrecht als Rohrkrepierer

Statt bundesweiter Maßstäbe erzeugt die Novelle aus Mainz schon im Entwurfsstadium immer breiteren Protest

Blitze zucken über einem Hochsitz. (Foto: analogicus)
Blitze zucken über einem Hochsitz. (Foto: analogicus)

 

Von Michael Lehner

 

Die rot-grün-gelbe Landesregierung von Rheinland-Pfalz versprach „eines der modernsten Jagdgesetze“ Deutschlands. Aber auch nach der Korrektur peinlicher Fehler im ersten Entwurf der Novelle hagelt es fachliche Kritik. Nicht nur aus der Jägerschaft und von Wildbiologen, sondern auch aus den Behörden, die das Regelwerk in der Praxis umsetzen sollen. Sie fürchten mehr Bürokratie und Schaden für die bewährte Zusammenarbeit von Jagdgenossenschaften und Pächtern.

 

Klar ist jetzt schon: Die Jäger haben verstanden, dass der in Rheinland-Pfalz geplante Umbruch auch als Blaupause für andere Bundesländer gedacht ist. Mit absolutem Vorrang für das Motto „Wald vor Wild“, mit Schalenwild-Reduzierung bis hin zur weitgehenden Lockerung beim Schutz der Muttertiere. Und – vor allem – mit einer bisher beispiellosen Erweiterung beim Kreis der Jagdausübungsberechtigten um die Besitzer kleiner und kleinster Agrar-Grundstücke.

 

Gegen „Verstaatlichung und Gängelung“

 

So hat der Landesjagdverband von Rheinland-Pfalz längst die tatkräftige Unterstützung vom Deutschen Jagdverband (DJV) und den Verbänden anderer Bundesländer. Auf einer Sonderdelegiertentagung haben Vertreter der 15 Landesjagdverbände und DJV-Präsident Helmut Dammann-Tamke gegen „Verstaatlichung und Gängelung“ protestiert und bundesweiten Widerstand angekündigt. Der Gesetzentwurf enthalte „schwere fachliche und juristische Mängel“. Eine Groß-Demo vor der Mainzer Staatskanzlei ist in Vorbereitung.

 

Ins Zentrum der Diskussion rückt zunehmend die Frage, warum ausgerechnet eine sozialdemokratisch geführte Landesregierung nicht nur mit den Grünen, sondern auch der FDP als Koalitionspartner an den Grundsätzen des Bundesjagdgesetzes rütteln will. Das gilt international als wegweisend und – vor allem – entscheidend von einem Sozialdemokraten geprägt wurde: Der preußische Ministerpräsident Otto Braun setzte damit bis heute verbindliche Regeln für das gedeihliche Miteinander von Wildtieren, Landnutzung und Jagd.

 

Damit ist die Jagdausübung an das Grundeigentum und Mindestgrößen der Reviere gebunden, die eine wirksame „Bewirtschaftung“ lebensfähiger Wildbestände ebenso sichern sollen wie den Schutz der land- und forstwirtschaftlicher Nutzung vor übermäßigen Wildschäden. (Wild-)Tierschutz hat einen eigenen Stellenwert. Nicht nur unter dem Begriff der „Weidgerechtigkeit“, sondern auch im expliziten Schutz von Muttertieren oder dem Gebot, Wildtieren in Notzeiten durch Fütterung das Überleben zu sichern.

 

Der Entwurf der Mainzer Ampelkoalition sieht dagegen ein vollständiges Verbot der Fütterung vor. Begründung: „Sofern trotz des Klimawandels überhaupt noch für das Schalenwild bedrohliche winterliche Witterungsbedingungen vorkommen sollten, sind diese als natürlicher Selektionsfaktor anzusehen. Eine Ausrottung der Schalenwildarten aufgrund ausbleibender Fütterungen ist aus wildbiologischer Sicht in keiner Weise zu befürchten. Gesundes Schalenwild übersteht selbst strengste Winter.“ Dass Reh und Hirsch ohne Notzeitfütterung förmlich gezwungen sind, verstärkt Bäume zu verbeißen, ist die Kehrseite solcher Theorie.

 

Zurück in die Zeiten des Freiwilds? 

 

Dazu kommt weitgehende Lockerung der Schonzeiten verbunden mit Verzicht auf umfassenden Schutz von Muttertieren sowie der Verzicht auf verbindliche Abschusspläne beim Rehwild. Zusammen mit der beispiellosen Erweiterung beim Kreis der Jagdausübungsberechtigten ein Zurück in Zeiten des „Freiwilds“ nach den Bauernkriegen. Wie sich der Entwurf immer noch liest, genügt es für die Jagdausübung, einen Landwirt zu kennen und sich von diesem mit der Bejagung seiner Felder beauftragen zu lassen.

 

Im Vergleich zu den Kosten und Pflichten, die der reguläre Pächter einer Gemeinschaftsjagd schultern muss, sprechen Kritiker schon von einer „Jagd auf schlankem Fuß“. Kontrolle der Einhaltung jagd- und tierschutzrechtlicher Mindeststandards dürfte ebenso schwer werden wie die Suche nach Verantwortlichen im Schadensfall. Ob sich noch genug zahlungswillige Pächter finden, scheint fraglich beim Spott eines Jagdfreunds: „Es ist, wie wenn Du eine Wohnung mietest und der Vermieter darf Dir weiter seine Freunde ins Schlafzimmer schicken.“

 

Als Verschlusssache behandelt das Mainzer Klima-Ministerium die Details einer Besprechung mit Vertretern der Unteren Jagdbehörden. Sicher ist trotzdem, dass es dabei hoch herging. Und dass der Germersheimer CDU-Landrat Dr. Fritz Brechtel als Chef einer solchen Behörde längst nicht alleine ist mit seiner Befürchtung „dass der vorliegende Gesetzentwurf eher das Gegenteil bewirkt, nämlich überhöhte Wildbestände, mehr Wildschäden, mehr Konflikte vor Ort, unklare Verantwortlichkeiten, größeren Verwaltungsaufwand und eine schlechtere Zusammenarbeit zwischen Behörden, Landnutzern und Jägern“.

 


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