Das Heizungsgesetz und die Praxis – Was so alles teurer wird – Was sich in Brüssel tut

Unser Rückblick auf die politische Woche, in der vom ländlichen Raum kaum die Rede war

 

Liebe Leserinnen und Leser unseres Politblogs,

 

die Bundespolitik hat nach der Sommerpause den Regelbetrieb wieder aufgenommen und es geht so weiter wie zu Beginn der Parlamentsferien – und das trotz der Meseberger Klausur. Da lastet erst einmal weiter auf der Ampel das inzwischen lange umstrittene Heizungsgesetz, wie im Politsprech inzwischen das Gebäudeenergiegesetz genannt wird. Wolfgang Kubicki hat wohl bis zuletzt überlegt, ob er sich der Koalitionsdisziplin unterwirft, obwohl seine FDP einige Änderungen durchgesetzt hat. Das Thema wird uns erhalten bleiben, weil immer noch das Schwert des Verfassungsgerichts droht. Nachdem vor den Ferien der Ablauf des Gesetzesverfahrens im parlamentarischen Schweinsgalopp von Karlsruhe gestoppt wurde, wird jetzt wohl dort erneut die kritische Frage geklärt, ob vor dem Beschluss des Bundestags am Freitag dieser Woche Zeit genug zur Beratung in den Ausschüssen blieb. 
 

Jost Springensguth
Jost Springensguth

Die Kritik wird also auch nach der Verabschiedung nicht verstummen. Und das insbesondere auf dem Lande. Wer dort einen Blick auf die vorhandene Immobilienlandschaft wirft, muss feststellen, dass bei vielen älteren Gebäuden insbesondere in den Dörfern auf den Betroffenen jetzt ein kaum zu leistender Sanierungsberg lastet. Hier ist die Quote der Eigentümer hoch. Und gerade bei den Älteren ist die Verunsicherung ebenso hoch, ob sie das leisten können, was sich Habeck und seine Kollegin Geywitz in ihrem damals unausgereiften Entwurf so alles ausgedacht haben. Kleine ungedämmte Häuser auf großen Grundstücken mit oft älteren Besitzern und mit abgeschlossener Finanz-Lebensplanung bedeuten weiter existenzielle Sorgen. 

 

Haus und Grund in Niedersachsen weist auf ein zusätzliches Problem hin: Bekommt eine Gemeinde kein Wärmenetz, sitzt der Eigentümer in der Klemme. Denn der Staat fördert den Heizungstausch zwar mit 30 bis 70 Prozent und 70 bis 30 Prozent müssen aber immer noch selbst investiert werden. An diesem Punkt sollte man schon daran erinnern, dass das Thema „kommunale Wärmeplanung“ zunächst schlichtweg vergessen worden war und nun den Landräten und Bürgermeistern erst einmal aufs Auge gedrückt wurde.

 

Der erste Schub in das Gegenteil dessen, was die Regierung bezweckt, ist bereits ausgelöst worden. Das Installationshandwerk meldet für die letzten Wochen einen Run auf Gas- und auch Ölheizungen. In SWR 1 war der Heizungsbauer Mario Schunk aus Neuwied zu hören, der zu Recht monierte, dass man „mal mit der Heizungsinnung sprechen sollte“, bevor man so ein Gesetz auf den Weg bringe. Er bestätigt aus der Praxis die Verunsicherung in der Bevölkerung. Für ihn ist klar, dass in einen Neubau eine Wärmepumpe gehört. Bei Altbauten müsse man sich das genau ansehen – auch wo bestehende Vorschriften wie etwa Denkmalschutz – greifen. Jedenfalls berichtet er über einen Zuwachs von 70 Prozent gegenüber 2022 an Bestellungen von Öl- und Gasanlagen. Und auf eine Wärmepumpe müsse man eineinhalb Jahre warten. Dazu passt dann noch eine Meldung aus dieser Woche: Das Statistikamt IT.NRW hat festgestellt, dass Heizungs- und zentrale Wassererwärmungsanlagen im Mai 40,1 Prozent teurer waren als im Vorjahr. Da wird einem alles andere als warm ums Herz…

 

Apropos Teuerung. Wir sind sie noch nicht los. Die Spritpreise steigen wieder – warum auch immer. Die Inflationsrate betrug nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im August 6,1 Prozent; allein für Energie sind die Verbraucherpreise um 8,3 Prozent gestiegen und für Nahrungsmittel um 9. Da reiben sich unsere Bauern die Augen, wenn sie sehen, wie gleichzeitig in den Supermärkten die Preise für Nahrungsmittel an den Geldbeuteln der Menschen nagen und die Erzeugererlöse vor allem bei Getreide und Milch dagegen rückläufig sind. Lebensmittelveredler und -hersteller schieben sich mit dem Handel den schwarzen Peter gegenseitig zu.

 

Über die Folgen der Geldentwertung

 

Dabei schlägt die Inflation bei den Verbrauchern immer tiefer in die Substanz. Sparkassen und Genossenschaftsbanken melden, dass die Menschen vermehrt auf ihre Ersparnisse zurückgreifen, wenn es etwa um Anschaffungen oder auch um Urlaub geht. Gleichzeitig geht beispielsweise bei den Kunden der westfälisch-lippischen Sparkassen die Sparquote massiv zurück. Und wenn Unternehmen weniger Kredite nachfragen, so rundet sich das Bild unserer Konjunktur- und Wirtschaftslage ab. Experten und Wirtschaftsinstitute rechnen auch aus diesen Gründen mit einer „hausgemachten Rezession“.

 

Dabei spielt das Thema Energie eine besondere Rolle. Die Ministerpräsidenten haben sich gerade in Brüssel geschlossen für einen Industriestrompreis (zeitlich befristet) ausgesprochen und ihn „Brückenstrompreis“ genannt. Selbst der NRW-Regierungschef blickt dabei offensichtlich weniger auf die kleinen mittelständischen „Stromfresser“, sondern auf die „Großen“ im Lande – beim Stahl angefangen. Auf der Strecke bleiben als Beispiele kleine Mittelständler – Bäcker und kleinere andere Lebensmittelproduzenten, etwa Druck- und Verpackungsunternehmen oder Familienbetriebe in der Glasproduktion. Dabei ist der Ansatz von Wüsts Parteifreunden in der Bundestagsfraktion, die Stromsteuer für alle abzusenken, nicht ganz so dumm. Übrigens „Brückenstrompreis“: dazu gehört dann auch wieder der Tag der Rücknahme, wie er jetzt auf die Gastronomie mit der coronabedingten Absenkung der Mehrwertsteuer zukommt. Wenn das umgesetzt wird, sind wir mit Blick auf künftige Speisekarten wieder bei der Teuerung.

 

In Sengwarden wird das gesagt, was die Menschen denken

 

Immer wieder warte ich im Übrigen darauf, wo der ländliche Raum bleibt, wenn es um zentrale Themen bei uns in der Politik geht. Ob in Bundestagsdebatten wie in dieser Woche, bei den Sommerinterviews der Fernsehanstalten oder auch bei Einladungsveranstaltungen, selbst mit ländlichem Publikum. Bei genauem Hinsehen oder Hinhören bleibt in dieser Hinsicht nicht viel übrig. Verhaltensweisen der politischen Granden, Mechanismen des Alltags in Berlin rund um Kanzleramt und Reichstag, Themen wie Ukraine, Haushalt, Bürgergeld bestimmen die Zitate. Oder insbesondere allgegenwärtig sind Klima und Energie. Dass hierbei gleichzeitig auch schwere Eingriffe in ländlichen Regionen hinzunehmen sind, wird allenfalls am Rande erörtert. Wenn Windräder und Trassen oder Photovoltaikanlagen in gigantischen Dimensionen geplant und gebaut werden, betrifft das häufig in Feld und Forst Eigentum und ländliche Familienexistenzen. Das haben beispielsweise oder auch beispielgebend Bürger in Sengwarden nachdrücklich und überzeugend zum Ausdruck gebracht.

 

Den Ort kennt kaum jemand, Sengwarden wurde 1972 in die kreisfreie Stadt Wilhelmshaven eingemeindet und liegt, wenn man die Stadt über Fedderwardergroden in Richtung Hooksiel verlässt, am Übergang zu den typisch friesischen Landstrichen voller bewirtschafteter Wiesen. Das Dörfliche ist hier noch bestimmend. Die örtliche Zeitung spiegelt die Stimmung der Menschen, die sich mit diesem Thema beschäftigen: ländlicher „Flächenfraß“ durch Umspannwerke, Windkraft, Hochspannungsleitungen, Bahn-Galeriebauwerke, Trassen, Photovoltaik und Konverter. Da fiel dann kürzlich bei einem „Kommunalpolitischen Frühstück“ dieser zusammenfassende Satz: „Wir Dörfer tragen die Last, damit in Wilhelmshaven die Wertschöpfung erzielt werden kann.“ Das wird zunehmend zum beherrschenden Thema überall dort, wo zum Preis für alternative Energie auch ländliche Eigentumseingriffe gehören.

 

Auch Holland gilt immer weniger als das Land der Schweinemast

 

Weiter blicken wir kurz zu den Nachbarn und nach Europa. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Holland geht in einem ebenso dramatischen Strukturwandel bei den bäuerlichen Betrieben die Schweinemast zurück. Das Fachmagazin „Top Agrar“ meldet, dass eine Schwelle nach unten unterschritten wurde: Die gut 3100 Betriebe der Schweinehaltung produzieren nun unter elf Millionen Schlachttiere. Das sei der niedrigste Wert seit 40 Jahren. Nach der Jahrtausendwende bis heute hätten 78 Prozent der niederländischen Schweinehalter das Handtuch geworfen. Der Strukturwandel auf dem Lande macht damit nicht nur an der deutschen Grenze halt, wo die unter den landwirtschaftlichen Betrieben bekanntlich erhebliche Zukunftsangst umgeht.

 

Wie es für uns auch im Agrarbereich weiter geht, hängt inzwischen weitgehend von der EU ab. Dass die Branche auf bessere Brüsseler Signale hoffen kann, hat der Europaexperte unseres Autorenteams in einem unserer täglichen Beiträge mit der Rolle von Ursula von der Leyen eindrücklich geschildert. Ausgangspunkt: Etliche Gesetzesvorschläge aus der Kommission werden von den Menschen auf dem Land und von den Bauern als Angriff auf ihren Lebensstandard und ihre gewohnte Art zu leben verstanden. Das macht jetzt die EVP zum Thema, die sich europaweit als Bauernpartei versteht. Dazu gehört auch der Druck, dass wenigstens die ersten Schritte zur Veränderung beim Thema Wolf unternommen werden.

 

Abschließend ein Blick auf die Flächenländer, in denen Anfang Oktober gewählt wird. Damit befassen wir uns verstärkt in den nächsten Wochen. Zum Zwischenstand vor den heißen Wahlkampfphasen in Bayern und Hessen: Aiwanger hat nach den Umfragen weniger sich als den anderen geschadet; Söder kann sich nicht des Bildes entledigen, wie er noch vor längerer Zeit die Grünen und einen Baum umarmt hat und sie jetzt links liegen lässt. Apropos Baum: Seinem Forst im Bayerischen lässt er beim Thema „Wald vor Wild“ auch mit umstrittenen Jagdmethoden freien Lauf.

 

In Hessen kämpft der bundesweit wenig auffällige CDU-Ministerpräsident und Spitzenkandidat Boris Rhein offensichtlich erfolgreich dafür, dass das Land eine „ampelfreie Zone“ bleibt. Er will wohl mit den Grünen weitermachen, was nach übereinstimmenden Prognosen wohl passt. Und dass Nancy Faeser SPD-Spitzenkandidatin ist, fällt angesichts ihrer Berliner Probleme im Amt der Innenministerin kaum auf.

 

Stammleser haben gemerkt, dass ich zu denen gehöre, die gerne auf die Jagd gehen. In dieser Woche habe ich trotz allen Sonnenscheins gesehen, wie nass noch unsere Kartoffeläcker sind – so, dass die Ernte schwierig wird. Hoffentlich erleiden die Knollen für Pommes und Chips nicht noch Fäulnisschaden. Mit diesem Hinweis will ich dokumentieren, was wir wollen. Dem Blick auf die Nachbarn und die Zusammenhänge zwischen Agrar, Forst, Jagd und allen anderen Landnutzern widmet sich unser Blog. Wir richten ihn besonders gern auf Zusammenhänge und gemeinsame Interessen.

 

Mit diesem Hinweis wünsche ich Ihnen ein nochmals sonniges Wochenende!  

Ihr

Jost Springensguth

Redaktionsleitung / Koordination


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Kommentare: 1
  • #1

    Wadim (Sonntag, 15 Oktober 2023 10:56)

    "In SWR 1 war der Heizungsbauer Mario Schunk aus Neuwied zu hören..."
    Interessant, der wurde bereits in der Vergangenheit zu einer Haftstrafe (sh. u.A. Rheinzeitung von 30.6.2006) verurteilt, weil er als Schuplitz Chinaroller bei Ebay verkauft und nie geliefert hat. Schaden wurde auf 250.000 EUR betitelt, bei einem durchschnittlichen Warenwert von 400 EUR pro Roller.

    Jetzt baut er (bzw. seine Angestellten) Klimaanlagen und Gasheizungen ein ohne Ende und oft falsch ein, Reklamationen werden einfach ignoriert - und spricht in dem SWR Video sogar davon, dass er die Anlagen verkauft aber nicht vollständig aufbaut weil ihm Teile fehlen (der Wärmetauscher). Geschichte wiederholt sich.

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