Heftige Agrar-Kritik an der Berliner Ampel

Schleswig-Holsteins Landwirte vermissen die Unterstützung des ländlichen Raumes „auf fast allen Gebieten“

Foto: Andreas Hermsdorf  / pixelio.de
Foto: Andreas Hermsdorf / pixelio.de

 

Von Jürgen Muhl

 

Klare Worte auf dem traditionellen Landesbauerntag zur Eröffnung der landwirtschaftlichen Ausstellung und Verbrauchermesse „Norla“ in Rendsburg: „Ich kann es nicht mehr hören“, schimpft der Präsident des Landesbauernverbandes. „Bundes-Landwirtschaftsminister Özdemir spricht nur noch über das Klima oder über Essensempfehlungen. Jeder soll das essen, was er möchte und wenn jemandem die Currywurst schmeckt, soll er sie genießen.“ Rund 1000 Landwirte, die zum Landesbauerntag gekommen waren, reagieren mit tosendem Beifall auf diese Worte ihres Präsidenten Klaus-Peter Lucht.  

 

„Der ländliche Raum im Norden funktioniere bestens, er sei intakt, wir brauchen die Belehrungen aus Berlin nicht.“ Der ländliche Raum müsse mit Bewirtschaftung attraktiv gehalten werden, regionale Produktion in Ackerbau und Tierhaltung im Vordergrund stehen, fügte Lucht mit bäuerlich ambitionierter lauter Stimme hinzu.  Zudem warf er der Bundesregierung vor, sie verschärfe EU-Auflagen weiter und gefährde damit die deutsche Wettbewerbsfähigkeit.

 

Besonders kritisierte der Verbandschef das vom Berliner Landwirtschaftsministerium angeordnete Ende der sogenannten Borchert-Kommission, die sich mit dem Umbau der Nutztierhaltung auf deutschen Höfen beschäftigte und „auf einem guten Weg“ gewesen sei. Lucht: Im Gegensatz bei Özdemir & Co. hätte sich in der Kommission ein hohes Maß an Fachkompetenz zusammengefunden. Der Präsident legte nach: „Würde man ausschließlich Bio-Landwirtschaft betreiben, wäre nicht alles besser.“

 

Schwarz: Innovative Produktion und alternative Flächen 

 

Etwas zurückhaltender formulierte und skizzierte Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU), der Vorgänger von Lucht im Präsidentenamt, die gegenwärtige Situation. „Wir müssen neue Wege gehen, innovative Produktionstechniken und alternative Nutzungsmöglichkeiten rechtzeitig auf den Höfen erproben“, sagte er. Die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen diene keinem Selbstzweck, sondern der gesellschaftlichen Aufgabe der Erzeugung von Nahrungsmitteln und damit der Ernährungssicherheit. Allerdings, so Schwarz, werde ein „Weiter so wie bisher“ nicht möglich sein, es müssten Konsequenzen aus dem Klimawandel gezogen werden.

 

In Schleswig-Holstein seien fünf Prozent der Flächen in Niederungen, wozu die Moore gehörten. Hier müssten Lösungen im gemeinsamen Dialog zwischen Politik und Landwirtschaft geschaffen werden; so etwa bei der Wiedervernässung der Moore. Lucht wurde auch dazu deutlich: „Die Politik muss endlich nicht mehr über uns und unsere Flächen reden, sondern mit uns.“ Zunehmend kaufe die Stiftung Naturschutzflächen für die Wiedervernässung auf. Gehe es so weiter, stehe schon bald die Milchviehhaltung vor dem Aus, befürchtet Lucht.

 

In Schleswig-Holstein werden im Jahr 3,5 Millionen Tonnen Milch produziert. Das sind elf Prozent des deutschlandweiten Ertrags. Fast zehn Prozent aller Milchkühe in Deutschland werden im nördlichsten Bundesland in 3.200 Milchviehbetrieben gehalten. Unter welchem Druck sie stehen, machten etwa 100 Milchbauern mit ihren Protestplakaten vor dem Eingang zu dieser auch überregional bedeutenden Landwirtschaftsmesse deutlich. Ihnen geht es erneut gegen Tiefpreise. „35 Cent für den Liter Milch – viel zu wenig“, lautet ihre Forderung an die Molkerei- und die Lebensmittelwirtschaft.  

 


Lesen Sie auch:

Wenn der Geduldsfaden reißt: Weil es die Ampel nicht schafft, die Rahmenbedingungen für einen zukunftsfesten Umbau der Nutztierhaltung herzustellen, wirft die Borchert-Kommission endgültig hin

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

natur+mensch – der Blog ist eine Initiative der Stiftung natur+mensch

Copyright © 2023 Stiftung natur+mensch - Havixbeck - Alle Rechte vorbehalten.