Dorfromantik: Das „Spiel des Jahres“ und die Sehnsucht nach Landleben

Ein preisgekröntes Brettspiel hat einen Titel, bei dem positive Gefühle mitschwingen. Vermutlich, weil er an Entschleunigung denken lässt

Ein spielendes Trio erlebt „Dorfromantik“. (Foto: Pegasus Spiele)
Ein spielendes Trio erlebt „Dorfromantik“. (Foto: Pegasus Spiele)

 

Von Christian Urlage

 

„Dorfromantik“: So heißt das „Spiel des Jahres“ 2023. Es handelt sich um ein Brettspiel, bei dem die Beteiligten eine Landschaft aus zufällig gezogenen Legeplättchen zusammenpuzzeln. Zu sehen sind auf diesen Plättchen Wälder, Felder und Dörfer, Flüsse und Bahnlinien. Es ist ein harmonisches Spiel, bei dem die Mitspieler nicht im Wettbewerb gegeneinander kämpfen, sondern indem es darum geht, dass mehrere Spieler gemeinsam Aufträge erfüllen. 

 

Durch das geschickte Anlegen der Karten sollen sie möglichst viele Punkte sammeln, zum Beispiel, indem sie ein größeres Waldgebiet erschaffen. Wo angelegt wird, entscheidet die Gruppe, die gemeinsam belohnt wird. Gefordert sind strategisches Planen und vorausschauendes Handeln.

 

Das preisgekrönte Spiel erinnert ein wenig an „Carcassone“ und die „Siedler von Catan“, beides populäre „Spiele des Jahres“, die Millionenauflagen erreichten. Doch im Unterschied dazu geht es bei „Dorfromantik“ nicht um Konkurrenz, sondern um Kooperation. „Dorfromantik nimmt Druck aus dem Alltag“, erklärt die Jury, die das „Spiel des Jahres“ ausgezeichnet hat. Die Juroren sprechen von einem „kooperativen Wohlfühlspiel“ mit einfachen Regeln.

 

„Entschleunigtes Gameplay“ mit intuitiv verständlichen Regeln

 

Gespielt werden kann es von bis zu sechs Personen ab acht Jahren, doch Spieletester halten es für ratsam, sich auf zwei oder drei Teilnehmende zu beschränken. Bevor das Brettspiel „Dorfromantik“ von Michael Palm und Lukas Zach auf den Markt kam, existierte bereits ein gleichnamiges erfolgreiches Videospiel. 

 

Entwickelt haben es vier Berliner Studenten. Im April 2021 erhielt es den Deutschen Computerspielpreis. Gelobt wurde an dem Legespiel das ansprechende Design, das „entschleunigte Gameplay“ und die intuitiv verständlichen Regeln. 

 

Vermutlich trifft der Begriff „Dorfromantik“ einen Nerv

 

Erstaunlich ist an dem kürzlich ausgezeichneten Brettspiel vor allem der Titel. Auf jeden Fall scheint „Dorfromantik“ ein Begriff zu sein, bei dem positive Gedanken und Gefühle mitschwingen. Gut möglich, dass dieses Wort einen Nerv trifft. Weil es an Entschleunigung und Harmonie erinnert, an die Nähe zur Natur und die Sehnsucht nach einem unbeschwerten, stressfreien Leben auf dem Land, wo es weniger hektisch zugeht als in den lauten Metropolen. 

 

Doch entspricht das auch der Wirklichkeit? Vermutlich nur zum Teil, denkt man an Waldbrände, lange Pendlerfahrten oder eine fehlende Infrastruktur, die zum Dorfleben neben seinen vielen Vorzügen ebenso dazugehört. Das Magazin „Der Spiegel“ nahm die Preisverleihung für das Brettspiel zum Anlass, Christin Zehmke über das reale Landleben zu befragen. 

 

„Was das Dorf zum Dorf macht, ist das Miteinander“

 

Sie ist die Vorsteherin der 150 Einwohner zählenden brandenburgischen Ortschaft Meseberg, bekannt durch das gleichnamige Barockschloss, das Gästehaus der Bundesregierung ist. „Romantik im Kontext des Dorfes sehe ich weniger“, antwortete die Kommunalpolitikerin in dem „Spiegel“-Interview: „Was das Dorf zum Dorf macht, ist das Miteinander. Jeder kennt jeden, jeder weiß fast alles über den anderen.“

 

Jedenfalls scheint das aktuelle und frühere Landleben auf Städter eine gewisse Faszination auszuüben. So wie das Buch „Ein Hof und elf Geschwister“ des Geschichtsprofessors Ewald Frie. Das Werk über die bäuerliche Welt hat vor einigen Wochen nicht allein den Deutschen Sachbuchpreis erhalten, sondern sich inzwischen zum Bestseller entwickelt.

 


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