Green Deal und Ukraine-Politik der EU auf Kollisionskurs

Der Vorstoß, die Ausnahmeregelungen von der Gemeinsamen Agrarpolitik zu verlängern, ist chancenlos. Dennoch muss die Kommission etwas tun

Foto: Rainer Sturm / pixelio.de
Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

 

Von Ludwig Hintjens

 

Im Jahr 2023 hatten die Bauern Europas noch Schonfrist. Wegen des Ukraine-Kriegs traten zwei Regelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) doch nicht in Kraft, die einem besseren Schutz der Böden und der Artenvielfalt dienen sollten. Die neuen Umweltmaßnahmen sehen getreu dem Green Deal vor, dass vier Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche nicht bewirtschaftet werden. Das soll Raum geben für Blühstreifen, Hecken und Brachflächen, wo sich Insekten und Vögel tummeln können. Außerdem sind Vorgaben für die Fruchtfolge geplant. Damit die Böden nicht ausgelaugt werden.

 

Was 2023 nicht kam, soll 2024 in Kraft treten. Nun gibt es aber einen Vorstoß von 14 Mitgliedstaaten im Ministerrat der EU, dass die Maßnahmen auch 2024 nicht kommen sollen. Die Entscheidung drängt, da für die Landwirte die 2024-er Regeln bereits bei der Aussaat im Herbst von Belang sind.

 

Interessant ist, welche Länder den Vorstoß unterstützen. Darunter sind die Regierungen von Italien, Bulgarien, Griechenland und Schweden. Frankreich hat ebenfalls Sympathien signalisiert. Die deutschen Landwirte werden mit Aufmerksamkeit zur Kenntnis nehmen, dass sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) gegen die Verlängerung ausgesprochen hat. Er ist also dagegen, dass den deutschen Bauern in einem Jahr, in dem sie wieder einmal mit Trockenheit zu kämpfen haben, eine gewisse wirtschaftliche Erleichterung verschafft wird. Bodenschutz und Biodiversität haben für ihn Vorrang vor der Absicht, Rücksicht zu nehmen auf die objektiv schwierige Lage der Bauern.  

 

Keine Mehrheit im EU-Parlament

 

Özdemir hätte besser daran getan, sich bedeckt zu halten. Der Vorstoß ist ohnehin chancenlos. Nicht zuletzt, weil das EU-Parlament zustimmen müsste und es dort keine Mehrheit gäbe.

 

Die Ausnahmen waren 2022 auch mit der Sorge vor einer globalen Hungerkrise begründet worden. Jeder Hektar Acker werde gebraucht, um Getreide zu produzieren. Inzwischen hat sich die Lage an den Märkten beruhigt. Die Sorge vor einer globalen Nahrungsmittelkrise hat sich nicht bewahrheitet.

 

Das heißt aber nicht, dass die Bauern in der EU keine Probleme hätten. Die Ukraine exportiert in großem Stil Agrarprodukte in die EU. Dabei profitieren ukrainische Unternehmen von der Zollfreiheit, die gerade noch einmal verlängert wurde. Es gibt zudem keine Chancengleichheit zwischen der Landwirtschaft in der EU und der Landwirtschaft in der Ukraine. Die heimischen Bauern müssen die hohen Anforderungen etwa bei den Umweltmaßnahmen erfüllen. Die ukrainischen Bauern haben deutlich geringere Auflagen und profitieren zudem vom niedrigeren Lohnniveau außerhalb der EU. Getreide, aber auch Geflügelfleisch aus der Ukraine haben den EU-Markt geflutet und zu einem Verfall der Preise geführt.

 

Nachteile für EU-Bauern

 

Hier muss die Kommission aktiv werden. Im Mai hatte sie bereits entschieden, dass Mais, Raps, Sonnenblumenkerne und Weizen aus der Ukraine nicht in Polen und weiteren direkt angrenzenden Mitgliedstaaten vermarktet werden dürfen. Die Klagen der Landwirte aus dem Osten fanden in Brüssel Gehör. Die Folgen waren absehbar. Da Europa einen Binnenmarkt hat, werden die Produkte aus der Ukraine nun weiter im Westen verkauft und sorgen dort für Preisverfall. Zum wirtschaftlichen Nachteil der Bauern aus dem Rest der EU.

 

In solchen Fällen versucht die Kommission üblicherweise, mit Geld den Unmut der betroffenen Bauern zu beruhigen. Doch das wäre eine kosmetische Maßnahme. Konsequenterweise müsste die EU dafür sorgen, dass das ukrainische Getreide vom EU-Binnenmarkt ferngehalten wird. In Zusammenarbeit mit dem Welternährungsprogramm (WFP) etwa müsste die Kommission dazu beitragen, dass ukrainisches Getreide direkt aus dem Kriegsland an die Abnehmer in Afrika und Asien transportiert wird.

 

Die EU als Zwischenhändler? Das hat es bisher noch nicht gegeben. Der nun seit über anderthalb Jahren tobende Krieg macht es überfällig, auch zu ungewöhnlichen Maßnahmen zu greifen. 

 


Lesen Sie auch:

Ausblick auf den EU-Beitritt der Ukraine zeigt Folgen auf: Die Aufhebung der Zölle auf Agrareinfuhren aus der Ukraine hat Konsequenzen für die Märkte entlang der EU-Ostgrenze

 

Hier können Sie sich für unseren wöchentlich erscheinenden Newsletter anmelden.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

natur+mensch – der Blog ist eine Initiative der Stiftung natur+mensch

Copyright © 2023 Stiftung natur+mensch - Havixbeck - Alle Rechte vorbehalten.