Gentechnik und Beißreflexe

Die Wissenschaft hofft auf Wege aus dem drohenden Lebensmittelmangel, aber Öko-Ideologen sind dagegen

Foto: Christian Beuschel / pixelio.de
Foto: Christian Beuschel / pixelio.de

 

Von Michael Lehner 

 

Kriegsherr Putin nutzt ein Embargo auf die Getreidelieferungen aus der Ukraine als politische Waffe. Massive Ernteeinbrüche in Europa sind jetzt schon abzusehen. Trotzdem wollen Öko-Ideologen verhindern, dass die Europäische Union die Zucht von Pflanzen zulässt, die dem Klimawandel besser standhalten. Weil die Beißreflexe gegen jede Art von Gentechnik stärker sind als das Mitgefühl mit den Ärmsten dieser Erde, die den Nahrungsmangel bezahlen werden. Schlimmstenfalls mit ihrem Leben.

 

Gentechnik ist ein kompliziertes Thema. Zumal, seit der Agrar-Konzern Monsanto auf die Idee kam, Maispflanzen so zu manipulieren, dass das Gift Glyphosat zwar den Rest der Flora und auch Fauna vernichtet, aber nicht das patentierte Getreide aus der Retorte. Seither genügt bei vielen Menschen das Wort Gentechnik, um Horror-Ängste auszulösen. Dass eben diese Technik massenhaft Menschenleben rettet – nicht nur mit Corona-Impfstoffen, sondern seit Jahrzehnten schon zum Beispiel mit Retorten-Insulin für Zuckerkranke – bleibt dem interessierten Halbwissen verborgen.

 

Mit der zugleich zu den Getreide-Neuzüchtungen geplanten Verlängerung der Glyphosat-Freigabe droht der nächste Tiefschlag. Die Chemikalie ist zu einem Reizwort für sich geworden. Daran ist der Hersteller ebenso nicht unschuldig wie Anwender, die das Hightech-Gift für ein Allheilmittel halten – vom Schrebergärtner bis zur Deutschen Bahn, die erst unter öffentlichem Druck dem massenhaften Glyphosat-Einsatz abgeschworen hat. Und obwohl sie schon aus Kostengründen in aller Regel sparsam und verantwortungsbewusst mit der vermeintlichen Wunder-Chemikalie umgehen, bleibt die Empörung des Publikums an den Bauern hängen. Und an der Gentechnik.

 

Pflanzen sollen schneller „lernen“ 

 

So droht das nächste verhängnisvolle Missverständnis: Was die Europäische Kommission freigeben will, ist technische Beschleunigung ganz natürlicher Vorgänge. So sollen Pflanzen schneller „lernen“, mit höheren Temperaturen und zunehmender Trockenheit klarzukommen. Noch dazu mit deutlich weniger Agrar-Chemie. Evolution im Eilverfahren also, aber keine naturferne Manipulation von Erbgut wie beim zurecht geächteten Gen-Mais. Und eine Aufgabe, für die es mit herkömmlichen Zucht-Methoden Generationen bräuchte.

 

Vollendet wird die groteske Situation bei einem Blick auf das, was Öko-Bewegte sonst noch so vorhaben: Renaturierung landwirtschaftlich genutzter Flächen im großen Stil zum Beispiel. Dazu massive Beschränkung des Kunstdünger-Einsatzes. Und logisch: Reduzierung der Viehhaltung, die entscheidend zum Erhalt des Grünlands mit seiner Artenvielfalt beiträgt. Und zur Nahrungsmittelproduktion, zumindest so lange der Mensch kein Gras verdauen kann.

 

Vergeblich weisen Landwirte und ihre Verbände darauf hin, dass auch ihr Pflanzenbau dem Klima nützt. Weil auch Gras und Getreide ohne Kohlendioxid nicht wachsen. Und weil heimische Produktion im großen Stil umweltschädliche Transporte rund um den Globus vermeidet. Transporte, die wohl zunehmen werden, wenn die Ernten in Europa – auch gewollt – geringer ausfallen. Und die Preis-Konkurrenz gegen die Ärmsten dieser Erde noch brutaler wird.

 

Verteilungskämpfe ums Trinkwasser

 

Auch die aktuelle Debatte um den Wassermangel ist vom jüngsten Streit betroffen. Ziel der Gentechniker sind Pflanzen mit weniger „Durst“ und der Fähigkeit, auch auf ziemlich trockenen Böden zu gedeihen. Selbst die drohenden Verteilungskämpfe ums Trinkwasser ließen sich so ein wenig entschärfen, wenn es gelänge, den Streit zu versachlichen. Und wenn sich ein Teil der Klima-Szene nicht nur dann auf die Wissenschaft beriefe, wenn es in den eigenen Kram passt.

 

Schließlich gäbe es Wichtigeres zu diskutieren: Zum Beispiel die Forderung, Viehhaltung auf die selbst erzeugten Futtermengen zu beschränken. Oder dafür zu sorgen, dass importierte Lebensmittel unseren immer strengeren Regeln entsprechen. Dies besonders spannend unter dem Eindruck der jüngsten Meldungen zum Schindluder, das mit der Tierwohl-Reklame getrieben wird. 

 


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