Rotrotgrün in Bremen: Viele Absichten, kein Geld und Novellierung des Jagdgesetzes

Dominiert von der SPD, hat das neue Bündnis seine Pläne vorgestellt. Doch der finanzielle Spielraum ist klein und es fehlt an qualifizierten Fachkräften

Der Marktplatz in Bremen. (Foto: Wolfgang Defort / pixelio.de)
Der Marktplatz in Bremen. (Foto: Wolfgang Defort / pixelio.de)

 

Von Christian Urlage

 

Viele gute Absichten prägen den Koalitionsvertrag des einzigen rotrotgrünen Bündnisses in Westdeutschland: Mehr Polizisten, mehr Lehrkräfte und den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für jedes Kind versprechen die künftigen Regierungsparteien in Bremen. Aber es bleibt fraglich, wie viel sich im kleinsten Bundesland umsetzen lässt von dem, was die drei Fraktionen nach vier Wochen Verhandlungen auf 169 Seiten auflisten und was am Wochenende von den Parteitagen aller drei Koalitionspartner abgesegnet wurde. Denn der finanzielle Spielraum ist klein, der Haushalt setzt enge Grenzen – und für die Vorhaben müsste die Schuldenbremse in der Landesverfassung gelockert werden.

 

Es fehlt nicht allein Geld, sondern auch ausgebildetes Personal. Damit tatsächlich alle Kinder einen Kita-Platz bekommen können, müssten angesichts des Fachkräftemangels zumindest vorübergehend die Qualitätsstandards gesenkt werden, hat Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) in einem Interview gegenüber dem „Weser-Kurier“ bereits eingeräumt. Immerhin: Die Plätze in der Ausbildung zum Erziehungsberuf sollen bis 2024 verdreifacht und bis zum Ende der Legislaturperiode mindestens vervierfacht werden.

 

Nicht mehr der Wunsch nach einer autofreien Innenstadt

 

Im Vergleich zur vorherigen Legislaturperiode sind Bovenschulte und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter realistischer geworden. Sie sprechen jetzt von Pragmatismus. Nun steht zum Beispiel nicht mehr der Wunsch der Grünen nach einer autofreien Innenstadt auf der Liste – es war ein Ziel der früheren Grünen-Spitzenkandidatin Maike Schaefer und hat mit zur Wahlschlappe der Öko-Partei am 14. Mai beigetragen. Jetzt heißt es stattdessen, man wolle eine gute Erreichbarkeit für alle Verkehrsteilnehmer gewährleisten.

 

Recht schwammig klingt das Vorhaben, die Zusammenarbeit und den Austausch mit den Nachbargemeinden und -kreisen zu intensivieren, um Pendlerströme auf den Umweltverbund zu verlagern. Die zahlreichen Berufstätigen, die Tag für Tag mit dem Auto, per Bus oder Bahn aus dem Umland nach Bremen fahren, werden mit Interesse verfolgen, wie sich die Pläne in der Praxis entwickeln werden.

 

Hauptbahnhof soll zur Visitenkarte der Stadt werden

 

Das gilt auch für den Zustand im und rund um den Hauptbahnhof, der zukünftig als Visitenkarte der Stadt einen „gepflegten und einladenden Eindruck“ vermitteln soll. Dort will Rotrotgrün den Konsum von Alkohol und Drogen an den Haltestellen verbieten. Das wäre zumindest ein Anfang, damit diese Gegend endlich aus den Negativschlagzeilen herauskommt.

 

Einige Punkte im Koalitionsvertrag sind erkennbar von den Grünen geprägt: neue Vorrangflächen für Windenergieanlagen zum Beispiel, der Wunsch nach einer ökologischeren Landwirtschaft und breiteren Gewässerrandstreifen. Das Jagdgesetz soll „im Sinne des Tierschutzes in einem Dialogprozess mit Jäger*innenschaft, Tier- und Naturschutzverbänden und weiteren Akteur*innen“ novelliert werden, und auf Bundesebene will die rotrotgrüne Koalition für ein strengeres Tierschutzrecht eintreten.

 

Vier Ressorts für die SPD, je zwei für Grüne und Linke

 

Insgesamt haben sich die Sozialdemokraten, die Wahlgewinner der Bürgerschaftswahl vom Mai, durchgesetzt. Sie stellen mit Andreas Bovenschulte den Bürgermeister, der an diesem Mittwoch ebenso wie der Senat voraussichtlich wiedergewählt wird. Und die SPD erhält vier Ressorts: erstens Inneres und Sport, zweitens Kinder und Bildung, drittens Arbeit, Soziales und Justiz und schließlich Bau, Stadtentwicklung und Verkehr. Die Grünen bekommen zwei Senatsposten und damit einen weniger als bisher: Finanzen sowie Klima, Umwelt und Wissenschaft. Die Linke ist wie bisher für Wirtschaft und Gesundheit zuständig.

 

Nach einem Aufbruch klingt alles das nicht. Und wenn man bedenkt, dass Bremen bei etlichen Ländervergleichen das Schlusslicht ist, etwa beim INSM-Bildungsmonitor 2022, dann ist schwer vorstellbar, dass sich das mit dieser Regierungskoalition zum Positiven ändern wird.

 


Lesen Sie auch:

Nach der Bremer Bürgerschaftswahl: Ohne SPD läuft nichts – Enttäuschung bei den Grünen, Jubel dagegen bei der SPD und der rechtspopulistischen Gruppierung „Bürger in Wut“

 

Hier können Sie sich für unseren wöchentlich erscheinenden Newsletter anmelden.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

natur+mensch – der Blog ist eine Initiative der Stiftung natur+mensch

Copyright © 2023 Stiftung natur+mensch - Havixbeck - Alle Rechte vorbehalten.