Vegetarische Bewirtung, landwirtschaftliche Herausforderungen und der Umgang mit dem Wolf

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

Liebe Leserinnen und Leser unseres Politblogs,

die Gäste des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL) konnten sich bislang bei Bewirtungen traditionell auf Hausmannskost freuen, die üblicherweise der Vielfalt der Produkte in deutschen Landen entspricht. Das wird jetzt so einseitig, wie vom aktuellen Minister nun einmal schon lange bekannt ist. Seit seinem 17. Lebensjahr ist er Vegetarier. Nun wurde gemeldet, dass er Fleisch vom Speiseplan in seinem Hause nehmen lässt. In der Antwort auf eine Anfrage der Unionsfraktion schreibt das Ministerium: „Das BMEL hat per Hausanweisung über die Vorgaben des Maßnahmenprogramms hinaus interne Regelungen getroffen. Bei Veranstaltungen des BMEL soll das Catering grundsätzlich vegetarisch sein und zu 100 Prozent aus Produkten aus ökologischem Anbau bestehen.“ Die schon seit 2021 von der Bundesregierung eingeleitete schrittweise Reduzierung von Fleischgerichten in Behördenkantinen habe „nur“ zu positiven Rückmeldungen geführt, wurde der Bild-Zeitung auf eine entsprechende Anfrage mitgeteilt. Ihre Schlagzeile hieß dann: „Özdemir serviert seinen Gästen nur noch Grünzeug“.

 

Jost Springensguth
Jost Springensguth

Vielleicht war das dann doch zu polemisch. Immerhin hat jetzt der Minister auf dem Deutschen Bauerntag in Münster die gerade beschriebene „vielfach aufgeheizte Stimmung bei Ernährungsthemen“ selbst aufgegriffen. Das Thema sei zum Kulturkampf „hochgejazzt“ worden. Er wollte dann doch die Wogen glätten. Besonders gegenüber den Delegierten, die auch die schwer gebeutelten Tierhalter vertreten, reagierte er bezugnehmend auf „Meldungen über angebliche Fleischverbote“ beschwichtigend: „Wenn es nach mir geht, kann jeder so viel Fleisch essen, wie er will“. Ob das einem immer zwingend gut bekomme, stehe aber auf einem anderen Salatblatt. Also warten wir mal ab, ob die aktuell fleischlose Speisekarte in seinem Ministerium zeitnah wieder Vollkost anbietet. Ob sich eine korrigierende Erkenntnis auch dort durchsetzt, wo ebenfalls bewirtete Gäste der Regierung nicht mehr selbst entscheiden können, ob sie fleischlos essen oder nicht. Die entsprechende Speiseregelung gilt nämlich auch in den Ministerien von Steffi Lemke (Umwelt, Grüne) und Svenja Schulze (Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, SPD). 

 

Bleiben wir dennoch beim Fleischkonsum und damit bei der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung und der Erzeugung von Lebensmitteln für den überwiegenden Teil der Bevölkerung, der nun einmal trotz aller öffentlichen Erziehungsmaßnahmen unverändert eine Scheibe Wurst auf dem Brot oder ein Kotelett auf dem Teller haben will. Bei dem zweifellos leicht zurückgehenden Fleischkonsum sind es immer noch weit über 80 % der Deutschen, die sich nicht zum Verzicht entschließen wollen. Das ist schon relevant. Übrigens spielt der Genuss von Wildfleisch („Mehr Bio geht nicht“) für viele eine besondere Rolle. Immerhin verzehren die Deutschen knapp 30.000 Tonnen Wildfleisch pro Jahr.

 

Die Jagdverbände, die dieses Thema unter der Dachmarke „Wild auf Wild“ pflegen, für „ernährungsbewusste Verbraucher, die Wert auf regionale Küche und nachhaltig produzierte Lebensmittel legen“, finden damit großen Zuspruch.  

 

Bauern fordern Verlässlichkeit und Planungssicherheit

 

Gleichwohl bleibt auch in naher Zukunft unverändert die Sorge um die bäuerlichen Existenzen in der Tierhaltung ein zentrales Thema mit Auswirkungen auf den ländlichen Raum. Für die gesamte Branche fasste Bauernpräsident Joachim Rukwied die politisch betriebene radikale Umwälzung auf diesen Nenner zusammen: mehr Klimaschutz, mehr Tierwohl, mehr Umweltschutz, mehr Biodiversität. Die Bauern nehmen jedenfalls die Herausforderung an, brauchen aber von der Politik Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Das alles hat mit Investitionen und Druck auf die Wirtschaftlichkeit zu tun. Das können die Betriebe allein einfach nicht stemmen. Die Ankündigungen des anwesenden Ministers Özdemir waren vage und zu allgemein, wenn es um die notwendige Finanzierung zur Umsetzung der aktuell von Berlin und auch von Brüssel verlangten Veränderungen geht. Özdemir sagt zwar Verlässlichkeit in der Unterstützung und eine begleitende Finanzierung beim Umbau der Landwirtschaft zu, muss aber erst sehen, was er davon gegenüber dem Finanzminister und dann im Kabinett durchsetzen kann. So werden die Bauern abzuwarten haben, wie belastbar auch die Video-Botschaft des Bundeskanzlers ist, wie bedeutend die Landwirtschaft für die Ernährung der 84 Millionen Menschen in unserem Lande ist. Der Schwur kommt nun einmal, wenn das Thema auf der Tagesordnung des Kabinetts steht. 

 

NRW-Ministerpräsident Wüst verbindet die Ernährungssicherheit mit dem Kampf um Flächen, Gewässerschutz und Tierwohl. In der Politik müsse wieder klar werden, dass die Erzeugung von Lebensmitteln Priorität habe. „Deshalb brauchen die Landwirte verlässliche Rahmenbedingungen. Dazu braucht es Wertschätzung. Der Umbau der Ställe für mehr Tierwohl muss sich rechnen.“ Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. 

 

Debatte um den Wolf hält an

 

Solche Entschlossenheit wünschten sich Weidetierhalter und auch Jäger bei einem anderen Thema, was seine Regierung in NRW in ihrem Sinne nicht so richtig anpackt. Dabei geht es um den Wolf. Zu mehr als Zuwendungen für Präventionsmaßnahmen konnte sich Wüsts schwarz-grüne Regierung noch nicht entschließen. Dabei wird immer klarer, dass bei der bekannten Population Bestandsregulierungen irgendwann unausweichlich sein werden. Die zu erwartende und jetzt in einigen Bundesländern belegte Vermehrungsdynamik und Ausbreitung der Wolfsrudel war in unseren Publikationen der Stiftung natur+mensch schon frühzeitig prognostiziert worden und ist jetzt eingetreten. Da kann es längst nicht mehr nur um Schutzzäune für Schaf- oder Ziegenherden gehen. Die Furcht vor Wolfsattacken nimmt im Alltag der Weidetierhaltung von der Küste bis zu den Alpen dramatisch zu. Ein Milchviehbauer schildert, dass der Wolf bisher nur an seinen Weiden vorbeigelaufen sei. Er stellt die Frage nach den Folgen, wenn das Tier eine Kuhherde dort in Panik versetze. Jedenfalls machte er deutlich, dass nun damit zu rechnen ist. Recht hat er, wenn er sagt: „Beim Wolf muss dringend was passieren.“ Noch gilt der Wolf als „streng zu schützende Tierart von gemeinschaftlichem Interesse“. Das kann irgendwie nicht mehr stimmen. Über den Bundesrat ist wohl jetzt vielleicht etwas Bewegung in das Thema gekommen. 

 

Dann war auch noch in dieser Woche das leidige Ergebnis von Sonneberg und der demoskopische Höhenflug der AfD als eines der bestimmenden politischen Themen. Irgendwie findet keine der anderen Parteien schlüssige Antworten und Rezepte. Darüber ist schon viel gesagt und geschrieben worden – auch in unserem Blog. Wir bleiben am Thema. 

 

„Heimatpakt“ als Antwort auf Vorgaben in der Ernährungspolitik

 

Eine andere Variante, Unzufriedenheit zu artikulieren, macht jetzt in Bayern von sich reden. Das ist der „Heimatpakt“. Darin haben sich 31 Verbände zusammengefunden, die – wie es in ihrer Mitteilung heißt – sich gemeinsam gegen unwillkommene politische Vorgaben einsetzen. Offizielle Zielsetzung ist, „Lebensfreude, Genuss und Nachhaltigkeit zusammenzubringen“. Zu den Gründungsmitgliedern zählen unter anderem Bauernverband, Blasmusikverband, Hotel- und Gaststättenverband, die Landesmetzgerinnung, die Vereinigung der Festwirte und die Münchner Wiesnwirte. Es ist wohl die Antwort auf die zunehmenden Forderungen, die etwa von den Grünen oder Bio- und Klima- und Ernährungsinitiativen stammen. Dazu gehört eine Kampagne für eine „Faire Wiesn“, wonach nicht allein auf dem Münchner Oktoberfest, sondern bei den entsprechenden Volksfesten im Lande nicht nur Bioprodukte serviert werden sollten, sondern auch die so bezeichnete „Hendlsauerei“ zu beenden sei. Irgendwie zeigt das schon Wirkung. Die Abendzeitung meldet gerade, dass die Wiesn-Wirte mehr Veganes anbieten wollen. Der Münchner Merkur vermerkt, dass im Paulaner-Zelt dann für 20,50 EUR das halbe Bio-Hendl auf den Teller kommt. 

 

Das ist immerhin nicht fleischlos, sonst wären wir wieder beim Eingangsthema meiner Wochenbetrachtung angekommen.

 

Zum Schluss noch ein Social-Media-Hinweis in eigener Sache: Damit Sie immer über die aktuellen Themen unseres Blogs auf dem Laufenden sind, können Sie uns jetzt auch bei LinkedIn folgen. Dort verweisen wir – wie schon seit Langem bei Facebook und Twitter – täglich auf den neuesten Blogbeitrag. Außerdem haben wir jetzt die Kommentarfunktion in unserem Blog freigeschaltet. Wir freuen uns auch auf Ihre Meinung!

 

In diesem Sinne meines Textes wünsche ich Ihnen ein genussreiches Wochenende, wie immer Sie mögen!

Ihr

Jost Springensguth

Redaktionsleitung / Koordination

Hier können Sie sich für unseren wöchentlich erscheinenden Newsletter anmelden.  

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

natur+mensch – der Blog ist eine Initiative der Stiftung natur+mensch

Copyright © 2023 Stiftung natur+mensch - Havixbeck - Alle Rechte vorbehalten.